Ausschreibung und Vergabe

Um die Ausschreibung zur Umgestaltung eines Zentralen Omnibusbahnhofs gab es Streit. Foto dpa

27.10.2017

Ausschreibungswirrwarr wegen Bedarfspositionen

Vergabekammer Bund zur Unterscheidung von Alternativ- und Eventualpositionen

Die Umgestaltung eines Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) einschließlich des Neubaus eines Servicegebäudes und der Umgestaltung eines Bahnhofsvorplatzes wurde europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Alleiniges Zuschlagskriterium war der Preis. In der Baubeschreibung war unter anderem bestimmt, dass im Leistungsverzeichnis (LV) keine Bedarfspositionen enthalten seien. Als „Zulage zur Deckenschalung der Wetterschutzdächer“ enthielten zwei Ordnungsziffern (OZ 1 und OZ 2) Bestimmungen über die Ausbildung der Oberfläche dieser Wetterschutzdächer in Sichtbetonqualität. Beide Positionen waren hingegen ausdrücklich als Bedarfspositionen bezeichnet. Der preislich zweitplatzierte Bauunternehmer rügte gegenüber den öffentlichen Auftraggebern, dass anstelle der OZ 1 die OZ 2 hätte gewertet werden müssen, mit dem Ergebnis, dass er dann aufgrund des niedrigeren Angebotspreises zu bezuschlagen wäre. Die Vergabestellen halfen der Rüge nicht ab. Der nicht berücksichtigte Bauunternehmer beantragte daraufhin die Nachprüfung bei der zuständigen Vergabekammer Bund (Beschluss vom 23. Februar 2017 – VK 1-11/17). Die Nachprüfungsbehörde untersagte die beabsichtigte Zuschlagserteilung und ordnete die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens an, weil die ausschreibenden Stellen gegen das allgemeine Transparenzgebot und gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung verstoßen haben. Denn sie haben Wahl- beziehungsweise Bedarfspositionen in das LV aufgenommen, ohne deren rechtlichen Charakter eindeutig zu benennen, und keine Kriterien angegeben, anhand deren sie sich für die Ausführung einer bestimmten Position entscheiden. Schon die rechtliche Qualifizierung der OZ 1 und OZ 2 ist nicht eindeutig und transparent. Bedarfs-/Eventualpositionen sind Leistungen, bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung des LV noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie überhaupt zur Ausführung kommen sollen. Solche Positionen enthalten nur eine im Bedarfsfall erforderliche Leistung, über deren Ausführung erst nach Auftragserteilung und nicht bereits bei Erteilung des Zuschlags entschieden wird. Sinn und Zweck der Ausschreibung solcher Positionen ist es, für den Fall nicht vorhersehbarer Eventualitäten eine abrufbare Angebotslage zu erhalten, auf deren Basis im laufenden Projekt zügig reagiert werden kann. Demgegenüber handelt es sich bei den Alternativ-/Wahlpositionen um Leistungspositionen, bei denen sich der Auftraggeber noch nicht auf eine bestimmte Art der Leistungserbringung festgelegt hat, sondern mehrere Alternativen ausschreibt, von denen er nach Kenntnisnahme der Angebotsinhalte eine Alternative für den Zuschlag auswählt. Bedarfspositionen und Alternativpositionen unterscheiden sich damit unter anderem hinsichtlich des Zeitpunkts, wann über den Abruf einer Leistung entschieden wird. Während über die Beauftragung einer bestimmten Alternativposition regelmäßig beim Zuschlag zu entscheiden ist, wird über den Abruf von Bedarfspositionen erst im Laufe der Projektabwicklung entschieden. Zum anderen herrscht bei Alternativpositionen die Gewissheit darüber, dass es auf jeden Fall zur Ausführung einer der Alternativen kommt, bei Bedarfspositionen hingegen kann ein Abruf gegebenenfalls gänzlich unterbleiben. Da sich die Unterschiede vor allem auf die Angebotskalkulation auswirken können, gebietet es der Grundsatz der Transparenz und der Bestimmtheit des LV, dass der öffentliche Auftraggeber den Bietern eindeutig mitteilt, was für Positionen er ausschreibt. Daran fehlt es hier, so die Vergabekammer Bund. Ein branchenkundiger objektiver Empfänger konnte den Vergabeunterlagen nicht eindeutig entnehmen, um was für Positionen es sich bei den OZ 1 und OZ 2 handelte. Während in der Baubeschreibung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass das LV keine Bedarfspositionen enthalte, sind die beiden vorgenannten OZ mit Bedarfspositionen überschrieben. Nicht einmal die beiden öffentlichen Auftraggeber waren sich darüber einig, welchen Charakter die OZ 1 und OZ 2 tatsächlich haben sollten. Während sich eine Vergabestelle dafür aussprach, dass die eine OZ die Grundposition und die andere OZ eine Alternativposition beinhalte, votierte die andere Vergabestelle für zwei Bedarfspositionen, die aber in einem Alternativverhältnis stünden.
> Holger Schröder Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.

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