Ausschreibung und Vergabe

Bei der Vergabe eines Bauauftrags für eine Kläranlage gab es Streit. (Foto: dpa)

28.07.2017

Einziges Angebot nicht gelocht: Aufhebung

Vergabekammer Niedersachsen zur unterlassenen Angebotskennzeichnung

Ein öffentlicher Auftraggeber hat Rohrleitungs-, Umbau-, Anschluss- und Oberflächenarbei-ten zur Erweiterung einer Kläranlage europaweit im offenen Verfahren als Bauauftrag ausgeschrieben. Bis zum Schlusstermin für den Eingang der Angebote gab nur ein Bauunternehmer eine Offerte ab. Im Submissionstermin wurde das eingereichte Angebot nicht durch Lochstempel gekennzeichnet. Die Vergabestelle teilte dem Bauunternehmer das Submissionsergebnis mit und informierte ihn später über die Aufhebung des Vergabeverfahrens, weil gegen die Kennzeichnungspflicht verstoßen wurde. Der Bauunternehmer rügte erfolglos die Aufhebungsentscheidung. Er war der Ansicht, dass eine Kennzeichnung nicht nötig sei, weil nur ein Angebot vorgelegen habe. Die von ihm angerufene Vergabekammer Niedersachsen (Beschluss vom 18. November 2015 – VgK-42/2015) wies seinen Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück.

Die Kennzeichnung der Angebote ist eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers aus § 14 Absatz 2 Nummer 2 VOB/A-EU. Bereits die verspätete Kennzeichnung der Angebote nach dem Eröffnungstermin, stellt einen Vergabeverstoß dar. Erst recht gilt das für die hier unterlassene Kennzeichnung des Angebotes. Diese Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers schützt nicht nur die Wettbewerber untereinander vor Fälschungen, sondern zugleich auch die Vergabestelle davor, von einem der Wettbewerber übervorteilt zu werden. Denn die Möglichkeit, aus einem nicht gekennzeichneten Angebot einzelne Seiten des Angebotes oder sogar das gesamte Angebot auszutauschen, schädigt nicht nur die Konkurrenten, etwa wenn die Blätter mit dem Endpreis und bestimmten Einzelpreisen ausgetauscht werden, um einen Konkurrenten zu unterbieten.

Insbesondere bedarf es nach Ansicht der niedersächsischen Vergabekammer im Falle der fehlenden Kennzeichnung keiner konkreten Gefährdung des ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens, um eine Aufhebung nach § 17 Absatz 1 Nummer 3 VOB/A-EU wegen eines schwerwiegenden Grundes zu rechtfertigen. Denn die Feststellung einer unterlassenen Lochung oder anderen Kennzeichnung ist verhältnismäßig einfach möglich. Hingegen wäre der zusätzliche Nachweis manipulativen Verhaltens ungleich schwerer möglich, sodass die Anforderung an die Aufhebung einer Vergabe so hoch gesetzt wären, dass der öffentliche Auftraggeber auch bei deutlichen Anhaltspunkten unterhalb der Beweisbarkeitsschwelle trotz fehlendem Vertrauen zum künftigen Auftragnehmer gezwungen wäre, mit diesem einen Vertrag zu schließen. Dies ist nach Auffassung der Lüneburger Nachprüfungsbehörde nicht gewollt: Schon die unterlassene Kennzeichnung verhindert die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Wettbewerbs und führt daher regelmäßig zur Aufhebung des Vergabeverfahrens.
(Holger Schröder)

(Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

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