Ausschreibung und Vergabe

Wer als öffentlicher Auftraggeber auf Parallel- oder Doppelausschreibungen setzt, sollte die Risiken und Folgen dieser Verfahrensart kennen. foto dpa

03.04.2018

Was zulässig ist und wo die Grenzen liegen

Parallel- und Doppelausschreibungen bei Bauvergaben

Vor Einleitung eines Vergabeverfahrens hat der Auftraggeber festzulegen, welche Leistung(en) er beschaffen möchte. Er darf den Markt nicht dazu benutzen, um seinen Beschaffungsbedarf erst zu bestimmen. Vielmehr ist es seine originäre Aufgabe, sich über Art und Umfang seines Bedarfs Klarheit zu verschaffen.
In wenigen Ausnahmefällen kann die ausschreibende Stelle mehrere Alternativen für ein und denselben Gegenstand abfragen und eine sogenannte Parallel- oder Doppelausschreibung in Gang setzen. Die Rechtsprechung setzt dem aber enge Grenzen, um einer Benachteiligung der Bieter entgegenzuwirken. Fasst der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit einer Parallel- oder Doppelausschreibung ins Auge, sollte er die Risiken und Folgen kennen.

Marktkonsultation durchführen

Bereits in der VOB/A 2006 war das sogenannte „Verbot der Durchführung von Vergabeverfahren zu vergabefremden Zwecken” verankert. Ein Vergabeverfahren darf seit jeher nur in der Absicht durchgeführt werden, einen Auftrag über die ausgeschriebene Leistung zu erteilen. Das Verfahren muss also ernsthaft auf das Ziel der Auftragserteilung gerichtet sein.

Vor Einleitung eines Vergabeverfahrens kann der Auftraggeber jedoch eine sogenannte Marktkonsultation durchführen. Die VOB/A erlaubt dies ausdrücklich zur Vorbereitung der Auftragsvergabe und zur Unterrichtung der Unternehmer über die Pläne des Auftraggebers zur Auftragsvergabe und die Anforderungen an den Auftrag. So kann beispielsweise der unabhängige Rat eines Sachverständigen oder von Marktteilnehmern eingeholt werden.

Markterkundung via Vergabe ist unzulässig


Die Durchführung eines Vergabeverfahrens zum Zwecke der Markterkundung ist hingegen unzulässig. Hierunter fallen insbesondere Ertragsberechnungen, Preisabfragen oder Scheinausschreibungen. Ein etwaiger Hinweis des Auftraggebers, dass es sich bei der betroffenen Ausschreibung lediglich um eine Markterkundung handle, ändert übrigens nichts an deren Rechtswidrigkeit.
Der Begriff der Parallel- oder Doppelausschreibung ist gesetzlich nicht definiert. Dennoch hat sich in der Praxis folgendes Verständnis herausgebildet:

Parallelausschreibung: In einem einzigen Verfahren werden mehrere Möglichkeiten für die Angebotsabgabe vorgesehen, sodass jede der Möglichkeiten Gegenstand eines gesonderten Vergabeverfahrens sein kann.

Doppelausschreibung: Derselbe Ausschreibungsgegenstand wird mehrfach ausgeschrieben. Typische Erscheinungsformen sind die gleichzeitige Ausschreibung von Generalunternehmer- und Einzelgewerkleistungen für dasselbe Bauvorhaben, die parallele Ausschreibung unterschiedlicher, technisch möglicher und in Betracht kommender Bauarten, die Ausschreibung einer Leistung als eigen- und fremdfinanziert oder die Ausschreibung als Bau- und Dienstleistung.

Wirtschaftlichste Variante ermitteln

Hintergrund einer Parallelausschreibung ist in aller Regel das Bestreben der ausschreibenden Stelle, die wirtschaftlichste Variante zu ermitteln. Dabei muss sie jedoch mehrere Versionen der Vergabeunterlagen erstellen und zugleich auf die Vergleichbarkeit der Angebote achten. Bieterseitig sinken die Chancen auf die Erteilung des Zuschlags, während zugleich die Angebotsbearbeitungskosten steigen. Die Vergabestelle dürfte daher im Falle einer Parallelausschreibung in aller Regel mehr begünstigt sein als die Bieter. Die Parallel- oder Doppelausschreibung ist daher nur unter gewissen Voraussetzungen zulässig.
Nach Auffassung der Rechtsprechung muss die Parallel-/Doppelausschreibung folgende Anforderungen erfüllen:
• die berechtigten Interessen der Bieter müssen gewahrt sein – insbesondere im Hinblick auf einen zumutbaren Arbeitsaufwand,
• das Verfahren muss für alle Beteiligten hinreichend transparent sein und
• es muss sichergestellt sein, dass die wirtschaftlichste Verfahrensweise zum Zuge kommt.
Unzulässig ist eine Parallel-/Doppelausschreibung hingegen, wenn zugleich
• ein Verstoß gegen die Grundprinzipien des Vergabeverfahrens vorliegt sowie
• bieterschützende Einzelvorschriften missachtet werden.

Wird beispielsweise derselbe Beschaffungsvorgang zweimal ausgeschrieben, obwohl die (Bau-)Leistungen nur einmal erbracht werden können und sollen, sind sowohl der Grundsatz des fairen Wettbewerbs als auch das Diskriminierungsverbot verletzt. Denn nicht nur die Amortisierungschancen aller Bieter mit Zuschlagschancen werden vermindert, die Bieter müssen auch – in Unkenntnis des jeweiligen Verfahrensausgangs – zwangsläufig in beiden Verfahren ein Angebot abgeben und haben einen erhöhten Arbeitsaufwand.
Unzulässig ist eine Parallelausschreibung auch dann, wenn die Bieter ihre Chancen auf Erhalt des Auftrags nicht einschätzen können, weil sie mit Dritten konkurrieren, deren betriebswirtschaftliche und kalkulatorische Grundlagen sie nicht kennen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich ein Bauunternehmer gegen den Betreiber einer Abwasserreinigungsanlage im Wettbewerb durchsetzen soll: Die Abwasserreinigung unterliegt strengen, öffentlich-rechtlichen Regularien, die dem Bauunternehmer nicht bekannt sind. In diesem Falle dürfte im Übrigen auch die Vergleichbarkeit der Angebote kaum gewährleistet sein.
Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze werden unterdessen auch von § 5 EU VOB/A Abs. 2 Nr. 3 Satz 6 wiedergegeben:
„In Fällen, in denen ein einziger Bieter den Zuschlag für mehr als ein Los erhalten kann, kann der öffentliche Auftraggeber Aufträge über mehrere oder alle Lose vergeben, wenn er in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessenbestätigung angegeben hat, dass er sich diese Möglichkeit vorbehält und die Lose oder Losgruppen angibt, die kombiniert werden können.”
Die in der vorzitierten Norm beschriebene Loskombination kann immer dann empfehlenswert sein, wenn der Markteintritt bestimmter Bieter erst ab einem gewissen Auftragsvolumen zu erwarten ist. Die Möglichkeit, Angebote für ein, mehrere oder alle Los/e abzugeben, muss die ausschreibende Stelle dann im Voraus festlegen und bereits in der Auftragsbekanntmachung angeben. Auch der Maßstab, nach dem sich der Auftraggeber für die Einzellosvergabe oder die Loskombination entscheidet, hat aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen hervorzugehen.
Die Gestaltung eines Vergabeverfahrens als Parallel- oder Doppelausschreibung zieht – abgesehen von den oben genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen – einige weitere Besonderheiten nach sich. So kann etwa die Angebotsauswertung bei gleichzeitiger Ausschreibung von Bau- und Dienstleistungen sehr komplex werden. Dies gilt vor allem dann, wenn neben dem Preis noch weitere Qualitätskriterien zur Anwendung gelangen sollen oder vielfältige Loskombinationen möglich sind. Zudem darf die Entscheidung über den Zuschlag nicht willkürlich erfolgen. Bei der Ausschreibung eines Bauvorhabens als Einzelgewerke- und Generalunternehmerleistung ist beispielsweise folgende Prüfungsreihenfolge einzuhalten:
1. Getrennte Wertung aller Einzellose;
2. Wertung des Gesamtangebots;
3. Vergleichende Prüfung der Gesamtsumme der wirtschaftlichsten Angebote der Einzellose im Vergleich zu dem wirtschaftlichsten Angebot.
Bei der Wertung der zusätzlichen Leistungen, die ein Generalunternehmerangebot gegenüber der Summe aller Einzelgewerke in aller Regel beinhaltet (zum Beispiel Koordinierungsleistungen) steht dem Auftraggeber ein Ermessensspielraum zu. > Julia Müller
Die Autorin ist Rechtsanwältin bei Rödl & Partner in Nürnberg.

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