Bauen

Ingenieure müssen politische Entwicklungen in Deutschland und Europa ernst nehmen. (Foto: Bilderbox)

13.02.2017

"Abschottung ist keine Lösung"

Markus Hennecke, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, über „Ausrichtung und Struktur von Ingenieurbüros“

Die aktuellen Entwicklungen auf der großen Bühne der Weltpolitik verfolgen wir auf allen Medienkanälen, denn sie werden unser Leben ohne Zweifel beeinflussen. Manche Veränderungen aber stehen nicht im öffentlichen Fokus, obwohl sie unser (Berufs)Leben oft viel stärker beeinflussen. Das dürfen wir nicht übersehen. Leben ist Wandel und es gibt naturgemäß Verlierer und Gewinner. Unternehmen, Branchen und sogar Wirtschaftsräume wachsen oder verlieren an Bedeutung. Die Bewertung der Vorgänge ist abhängig von der subjektiven Betroffenheit. In der Philosophie der Marktwirtschaft handeln Gewinner effizienter oder haben bessere Produkte aufgrund technologischer Entwicklungen. Oft sind es aber auch gesellschaftliche und politische Einflüsse, die Verhältnisse grundlegend verändern. Aktuell ist zu beobachten, dass der Veränderungsdruck im gesetzlichen und regulatorischen Umfeld stark zunimmt. Die Europäischen Kommission – dahinter stehen die Nationalstaaten – hat die Deregulierung des Dienstleistungssektors auf ihre Agenda gesetzt. Der Sektor der Ingenieurbüros in Deutschland zeichnet sich aus durch eine große Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen. Die Chefs stehen noch selber in der Küche. Sie sind oft technisch verantwortlich für Projekte. Privaten und öffentlichen Kunden stehen sie als direkte Ansprechpartner zur Verfügung – so wie diese es sich wünschen. Viele unternehmerische Köpfe an verantwortlicher Stelle sind Grundlage für Innovationen.
Eine prominente Forderung der Europäischen Kommission ist die Abschaffung der HOAI, unserer Honorarordnung. Als die Regierung Thatcher einst in Großbritannien das Preisrecht für Ingenieure abschaffte, war dies ein wesentlicher Beschleuniger, um sehr große Ingenieurbüros entstehen zu lassen. Die heute wiederum durch noch größere nordamerikanische Unternehmen bedrängt werden. Zunächst fielen die Honorare und der Markt konsolidierte sich. Danach stiegen aber die Preise an – ganz und gar nicht im Sinne der Verbraucher. Große Unternehmen haben interne, unabhängige Abteilungen, die die im Unternehmen erstellten Berechnungen baustatisch prüfen. Kleinere und mittlere Unternehmen können dies organisatorisch nicht leisten. In Deutschland ist es das erprobte System des Prüfingenieurwesens, das diese Prüfung unternehmensübergreifend durchführen lässt. Mögliche Festlegungen im Rahmen der Fortschreibung des Eurocodes 1990 (Anhang B) zur Prüfung in Abhängigkeit der Schadensfolgeklasse, können jedoch Ansatz sein, das deutsche System zu gefährden. Bei den Bauprodukten haben wir 2016 erlebt, wie der Europäische Gerichtshof dem europäischen Recht zu Geltung verhilft und erfolgreiche nationale Bestimmungen über Bord werfen lässt. Vorgaben zu Referenzen bei Vergabeverfahren oder Beteiligungsmöglichkeiten von Kapitalinvestoren in Ingenieurbüros können auch Katalysatoren sein, Strukturänderungen zu beschleunigen.
Aber auch nationale Veränderungen haben Einfluss. So ist zu erwarten, dass eine Deutsche Autobahngesellschaft Projekte im größeren Stil abwickeln wird. Es werden Vergabelose entstehen, für die größere Einheiten notwendig sind. Und das nicht nur, um genug Ingenieure zu haben, sondern auch weil solche Verträge juristische und kaufmännische Kompetenzen erfordern. Aber auch infrastrukturelle Defizite, wie eine unzureichende Versorgung mit leistungsfähigen Breitbandnetzen, können dazu führen, dass Ingenieurbüros aus der Fläche verschwinden. Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau wird versuchen, dies zu verhindern. Eines ist klar, wir Ingenieure müssen politische Entwicklungen in Deutschland und Europa ernst nehmen und uns in den Diskussionen engagieren. Nationale Abschottung ist jedoch keine Lösung, sondern nur der demokratische Diskurs in Europa. Wir müssen Koalitionen schmieden, die gleiche Ziele verfolgen. Die Kammern und Verbände müssen sich für die Aufgaben rüsten. (Markus Hennecke, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau - Foto: B. Gleixner)

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