Bauen

Der neugestaltete Quartiersplatz Theresienhöhe. (Foto: Stadt München)

08.10.2010

Abstrakt und funktional

Der Quartiersplatz Theresienhöhe in München

Mit dem Quartiersplatz auf dem so genannten Bahndeckel nimmt ein weiterer Mosaikstein der „Baustelle Zukunft“ auf der neuen Theresienhöhe Gestalt an. Seit 2000, nach dem Umzug der Messe nach Riem, hat die Landeshauptstadt München als Eigentümerin des Geländes hier ein kompaktes, innerstädtisches Quartier neu entwickelt.
Auf einer 300 Meter langen und 50 Meter breiten Betonplatte über der Bahnlinie München-Rosenheim wurde im Südteil der Theresienhöhe eine Fläche künstlerisch gestaltet, die dem Wohngebiet eine unverwechselbare Identität gibt. In ihrer Gestaltung bildet sie ganz bewusst einen Gegenpol zu dem benachbarten landschaftlich geprägten Westpark oder dem historischen Bavariapark. Rund 1,7 Hektar Fläche umfasst die bespielbare „Landschaftsskulptur“. Der Quartiersplatz ist sowohl für Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene ein Treffpunkt im Freien. Kunst ist hier nicht nur Attribut, sondern gestaltet selbstbewusst den Freiraum.
Der Stadtrat genehmigte am 4. März 2008 die Instandsetzung des Bahndeckels und am 10. März 2009 den Landschaftsbau. Im Rahmen von QUIVID, dem Kunst am Bau Programm Münchens, ist für das Baugebiet Theresienhöhe von einer Arbeitsgruppe der „Kommission für Kunst am Bau und im öffentlichen Raum“ ein mehrteiliges Kunstkonzept entwickelt worden. Der Bahndeckel war einer der präferierten Orte für Kunst. Wegen der exponierten Lage und der speziellen Situation, die wegen der Statik keine Bebauung zuließ, wurde vorgeschlagen, für dieses Areal einen Kunstwettbewerb auszuschreiben, bei dem internationale Persönlichkeiten aus Kunst und Landschaftsarchitektur im Team antreten sollten. Dadurch gelang es erstmals, bereits in der Ideenphase eines wichtigen städtebaulichen Projektes Künstler zu involvieren. Den ersten Preis gewann das Team Rosemarie Trockel (Künstlerin, Köln), Catherine Venart (Architektin, Halifax) und Topotek 1 (Landschaftsarchitekten, Berlin).
„Transporting Landscapes“ lautet die Grundidee der Preisträgerinnen. „Spielkisten“ transportieren Landschaftselemente und regen die Fantasie an. Die Landschaftselemente strukturieren den öffentlichen Raum, grenzen Flächen ab und lassen viele Interpretationen und Nutzungen zu. Die Spiellandschaft der „Transportierenden Orte“ ist nicht nur Treffpunkt, sondern auch eine wichtige Verbindung zu einem Netzwerk von Grünflächen im Umfeld Theresienwiese, Bavariapark, Georg-Freundorfer-Platz, Herzog-Ernst-Platz und Westpark.
Mit prägnanten Akzenten wurde eine Freifläche im urbanen Raum gestaltet, abstrakt und multifunktional. Zwei ansteigende Bahnen waren in der Mitte mit einer Sanddüne bedeckt. Unterschiedliche Beläge und klar unterscheidbare Farben – hier orangefarbener Kunststoff, da grüne Wiese – prägten den Entwurf. In der Realisierungsphase wurden einzelne Gestaltungsmerkmale überarbeitet, zum Teil aus statischen Gründen, zum Teil als Ergebnis der Bürgerbeteiligung und aufgrund der Wünsche der Bezirksausschüsse. Berücksichtigt wurden unter anderem verbesserte Durchgangsmöglichkeiten für die Bürger.
Die Anfang der 1980er Jahre gebaute Stahlbetondecke über der Bahnlinie wurde in einem ersten vorbereitenden Bauabschnitt 2008 saniert. Der so genannte Bahndeckel besteht aus drei Feldern mit unterschiedlichen Stützweiten. Die südliche Seite des Deckels liegt auf Stahlbetonscheiben auf und grenzt an gewachsenen Grund, die nördliche Seite auf der Außenwand der dreigeschossigen ehemaligen Messetiefgarage, die erhalten blieb und saniert wurde. Die Betonplatte ist nur begrenzt belastbar, was die Projektplanung und Baustellenabwicklung vor ungewöhnliche Herausforderungen stellte. Eine Bebauung mit hohen Aufbauten oder eine Bepflanzung mit viel Erde und großen Bäumen war von vornherein ausgeschlossen.


Sanddünenlandschaft


Im Mittelpunkt der ersten Arbeiten am Bahndeckel standen der Aufbruch des alten Belags, der Ausbau alter Abdichtungen, die Anbringung einer Fugenkonstruktion zur Überbrückung der wichtigen Bewegungsfugen des Bauwerks, die Herstellung zusätzlicher Entwässerungseinrichtungen, Dichtungsarbeiten in erheblichem Umfang und die abschließende Oberflächenbehandlung. Bautechnisch besonders bemerkenswert sind die vielen Längs- und Dehnfugen, die es zu berücksichtigen galt, weshalb bei der Oberflächenabdichtung und der Asphaltierung nur in kleinen Teilstücken von 300 bis 400 Quadratmetern gearbeitet werden konnte.
Die ursprüngliche Idee des Teams Trockel, Venart und Topotek 1, eine Art „Wanderdüne“ mit Sand zu verwirklichen, scheiterte am Gewicht der Menge des Sandes, die dafür notwendig gewesen wäre. Dennoch gelang es, mit Kreativität und modernen Baustoffen die Dünenlandschaft als solche deutlich erkennbar zu gestalten. Bei der Ausformung der modellierten Landschaft kamen ausschließlich Leichtbaustoffe zum Einsatz. Bei der Auswahl der Materialien wurde besonderer Wert auf Dauerhaftigkeit und Unterhaltsfreundlichkeit gelegt.
Die Freizeitfläche auf dem Bahndeckel gliedert sich in drei Bereiche: eine Spiel- und Liegewiese mit Rasenhügeln, eine bespielbare „Dünenlandschaft“ und eine umgebende Bewegungs- und Aufenthaltsfläche. Die Einfassung der beiden großen Spielelemente bilden rund 200 abgeschrägte, einzeln angefertigte Stahlbetonfertigteile. Sie zeichnen den Verlauf des Bahntunnels auf der Oberfläche nach. Mit einer Höhe von 50 Zentimetern und einer Einfärbung in kräftigem Orange entsteht ein klar definierter Sockel über die gesamte Länge der Fläche hinweg und ein optischer Kontrast zur restlichen Farbgebung.
Die beiden begehbaren Rasenskulpturen steigen bis zu einer Höhe von drei Metern über der Oberfläche an. Modelliert wurde das Gelände unter anderem mit Geoblöcken aus Styropor, die sehr leicht, aber dennoch sehr fest sind. Auf der ansteigenden Fläche sind Naturrasenstücke in einen Rahmen aus Kunstrasen „eingelegt“. Für den echten Rasen wurde ein spezielles Bewässerungssystem verwendet. Ein großes Raster, gleichsam als künstlerische Textur, bilden rund 8600 metallig glänzende Markierungsnoppen auf der Kunstrasenfläche. Sie sind Teil des Kunstkonzepts.
Im westlichen Bereich der Landschaftsskulptur wurde die Idee der Dünenlandschaft in Form multifunktionaler wellenartiger Hügel und rieselbefüllter Mulden realisiert. Bis zu einem Meter hoch sind die unterschiedlich geformten sieben Kunststoffdünen, deren Kern aus Styroporblöcken besteht. In den Dünen verankert sind fünf Trampoline. Zwei riesige Seilspielgeräte sind in diesem Bereich die Hauptattraktion.
Mit der Dünenlandschaft korrespondieren die 19 fast fünf Meter hohen Waldkiefern in großen Pflanzkübeln. Lediglich am äußeren südöstlichen Bereich des Bahndeckels, wo sich nicht unterbaute Flächen befinden, konnten 28 Säulenpappeln gepflanzt werden. Fünf lange Sitzbänke laden zum Verweilen ein. Entlang der Nordseite entstand eine Art intensiver Dachbegrünung: eineinhalb bis drei Meter breit und gut 300 Meter lang sind die Streifen. (Petra Pintscher)

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