Bauen

Die Gaststube des Gasthauses zur Mühle in Straßlach mit rustikaler Ausstattung aus dem 19. Jahrhundert. (Foto: Buch)

23.03.2018

Authentische Gemütlichkeit

Denkmalgeschützte Gasthäuser in Oberbayern

Sie gelten als Seele Bayerns, die alten Gasthäuser, in denen noch die bayerische Wirtshausgemütlichkeit gepflegt wird. Doch nur noch wenige können mit historischer Bausubstanz und originalem Interieur aufwarten. In der bayerischen Denkmalliste sind 4000 Gasthäuser als schützenswerte Gebäude verzeichnet, knapp 1000 davon stehen in Oberbayern. Soweit die gute Nachricht. Die schlechte: Rund die Hälfte davon steht leer und der andere Teil wurde teilweise so radikal verändert, dass „von der Geschichtlichkeit des Hauses kaum mehr als die zum leeren Versprechen gewordene Fassade überdauert hat“. Das schreibt der Historiker Karl Gattinger in seinem kultur- und baugeschichtlichen Begleitwort zu dem Buch Einkehr in Denkmälern – Gasthäuser in Oberbayern aus der Reihe Genuss mit Geschichte, das kürzlich vom Volk Verlag in Kooperation mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege herausgegeben wurde. 51 der noch authentischen Gasthäuser werden hier im Rahmen einer spannenden Entdeckungsreise vorgestellt.
Erkennungszeichen: Wirtshausausleger Die Geschichte der oberbayerischen Wirtshauslandschaft begann im 13. Jahrhundert mit den ersten schriftlichen Belegen für die Existenz von Gasthäusern. Dabei unterschieden sich, so Gattinger, die frühen Einkehrstätten in ihrem Erscheinungsbild zunächst kaum vom herkömmlichen Wohn- oder Bauernhaus. In den ländlichen Tafernen (so nannte man früher Wirtschaften, die das Beherbergungsrecht besaßen) waren nach dem gängigen Typus des oberbayerischen Einfirsthofs Gaststube, Küche, Wirtsbehausung und Stall unter einem Dach vereint. Als Erkennungszeichen diente ein weithin sichtbarer Wirtshausausleger. Die Gasthäuser in der Stadt dagegen waren in der Regel im Erdgeschoss eines stattlichen Bürgerhauses untergebracht; auch sie waren von außen nur durch einen Ausleger beziehungsweise eine Aufschrift auf der Fassade als solche erkennbar.
Zu den vorgestellten Gasthäusern mit der ältesten Bausubstanz zählt der „Alte Wirt“ in Obermenzing, der mittlerweile seit einem halben Jahrtausend seine Gäste bewirtet. Der mächtige Satteldachbau wurde um 1590 in seiner gegenwärtigen Form errichtet, kann jedoch nachweislich auf einige Vorgängerbauten zurückblicken. So manches Wirtshaus aus diesem Buch hat eine ähnlich lange Tradition. Als etwa die Bäume für die Dachbalken des „Daniel“ in Ingolstadt gefällt wurden, war Amerika noch gar nicht entdeckt, und mit seinem imposanten getreppten Giebel zeigt das Gebäude bis heute das Bild eines repräsentativen mittelalterlichen Gasthofs. Auch Ecktürme oder Fassadenerker waren damals beliebte Elemente, um Gasthäuser architektonisch zu akzentuieren, wie man zum Beispiel am Gasthof „Zum Schex“ in St. Wolfgang noch gut sehen kann. Erst in der bau- und repräsentationsfreudigen Barockzeit erhielten zahlreiche Tafernen und Gasthöfe mit aufgemalten oder aufstuckierten Ornamenten jene farbenprächtige Fassaden, die bis heute als Inbegriff einer oberbayerischen Wirtschaft gelten – zu sehen beispielsweise an der „Alpenrose“ in Mittenwald. Ihren Höhepunkt erreichte die Gaststättenkultur schließlich in der bier- und leutseligen Prinzregentenzeit. Bierpaläste florierten, Caféhäuser, Restaurants und Weinlokale entstanden in großer Zahl und wurden kunsthandwerklich aufwendig ausgestattet.

Holzboden, Sitzbank
und Wandvertäfelung

Es gibt sie noch, diese urigen, unverfälschten Gasthäuser, auch wenn ihre Anzahl schwindet. Sie „zeichnen sich durch die Originalität ihrer Gaststube aus, durch Interieurs von besonderem Wert und Reiz“, so Gattinger. Dazu gehört der in die Jahre gekommene Holzboden ebenso wie die Wandvertäfelung mit umlaufender Sitzbank, Türen und Mobiliar mit den Gebrauchsspuren aus längst vergangenen Tagen und – wie es sich nach landläufiger Meinung für ein bayerisches Wirtshaus nun mal gehört – Details wie das Hirschgeweih an der Wand. Natürlich müsse es sich um die Originalausstattung handeln, nicht um ein nachträglich herbeigeschafftes Sammelsurium vom Antiquitätenmarkt, meint der Historiker. Erst dann würden die alten Wirtshäuser zu Denkmälern, die es im Interesse der Allgemeinheit zu schützen gilt. Der Leser lernt in diesem ansprechend bebilderten Band eine Menge über die Baukultur der letzten 500 Jahre, erfährt außerdem auf jeweils drei bis fünf Seiten viel Interessantes über die Geschichte der Orte, in denen noch traditionsreiche Gasthäuser stehen, und natürlich alles Wissenswerte rund um die historischen Gebäude und deren Räumlichkeiten. Die Servicekästen mit Adresse und Öffnungszeiten sowie Hinweise auf das ein oder andere Schmankerl auf der Speisekarte dürften nützlich sein, da man beim Schmökern durchaus Appetit auf eine Entdeckungstour bekommt. (Monika Judä) (Michael Volk, Karl Gattinger u. a., Einkehr in Denkmälern – Gasthäuser in Oberbayern (aus der Reihe Genuss mit Geschichte), Volk Verlag, München 2017, 216 Seiten, 19,90 Euro) (Das Gasthaus zur Mühle in Straßlach. Das Tattenbach in München mit dem ehemaligen „Burgstüberl“ und das Bräustüberl in Garmisch sowie das Gasthaus Fischküche in Rosenheim - Fotos: Buch)

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