Bauen

Blick auf den Ostgiebel des ehemaligen Zehentkastens. (Foto: Staatliches Bauamt Amberg-Sulzbach)

21.06.2017

Barrierefrei mit moderner Haustechnik

Das Finanzamt Waldsassen wurde umfassend modernisiert

Das Stiftland ist Teil der nördlichen Oberpfalz nahe der Grenze zu Böhmen beziehungsweise Tschechien. Es liegt im Landkreis Tirschenreuth. Die Stadt Waldsassen ist kultureller Mittelpunkt des Stiftlandes, das nach dem Kloster, dem Stift Waldsassen, benannt ist. Der Grundbesitz dieses bedeutenden Zisterzienserklosters umfasste einst über 700 Quadratkilometer Fläche, einschließlich aller sich darauf befindlichen Siedlungen. Bedeutender Bestandteil des ursprünglichen Klosterareals waren das Abteischloss und der Zehentkasten, in denen heute unter anderem das Finanzamt Waldsassen untergebracht ist. Das Abteischloss, zeitweilig auch Abtschloss genannt, wurde 1676 nach einem großen Brand unter Verwendung von mittelalterlichem Mauerwerk als Residenz des Abts von Waldsassen errichtet. Es handelt sich um einen dreigeschossigen verputzten Massivbau mit Steildach. Dazu kommt ein ebenso dreigeschossiger Verbindungsbaukörper zur Basilika, der ehemaligen Abteikirche. Hier sind etwa zur Hälfte Räume des Finanzamts einschließlich dem sogenannten Harmoniesaal sowie in der Verlängerung das Pfarrhaus der Kirchenstiftung der Basilika Waldsassen untergebracht. Von daher heißt der Verbindungsgebäudetrakt Harmoniegebäude. Der Harmoniesaal ist der große Besprechungs- und repräsentative Veranstaltungsbereich des Finanzamts, in dem über das Jahr fortlaufend Konzertreihen der Stadt Waldsassen hospitieren. Bei der vorletzten großen Sanierung zwischen 1976 und 1977 wurden Arbeiten an den Dach- und Deckenkonstruktionen durchgeführt und Verputz, Bänderung sowie Eckrustizierung wiederhergestellt. Das Abteischloss beherbergt heute die Bereiche der Amtsleitung des Finanzamts Waldsassen mit Verwaltung und zentralen Diensten. Bei dem ehemaligen Zehentkasten, auch ehemaliges Kastenamt genannt, handelt es sich um einen langen, dreigeschossigen und verputzten Massivbau mit Satteldach und Putzgliederung. Der reich gegliederte Ostgiebel hat ein großes Portal und blickt Richtung Basilika. Das Gebäude wurde 1732 bis 1737 von Frater und Baumeister des Klosters, Philipp Muttone, errichtet. Es diente vormals zur Verwaltung des landesherrlichen Kammerguts, besonders der Zehntabgaben landwirtschaftlicher Produkte und später auch der Geldabgaben. Derartige Einrichtungen sind seit 1802 als Rentämter bekannt. 1919 wurden sie, wie im übrigen Deutschland üblich, in Finanzämter umbenannt. Heute sind in diesem Gebäude das Servicecenter des Finanzamts sowie Büro- und Archivräume untergebracht.
Zwei weitere Besonderheiten kennzeichnen die baulichen Anlagen des Finanzamts Waldassen: Zum einen der Gartenpavillon am Standort eines der vier ehemaligen Wachtürme. Dieser Pavillon wurde um 1730 als eingeschossiger Rundbau mit Ringpult und aufgesetzter Laterne errichtet. Heute ist hier der Ort, der unter anderem anlässlich kleiner Lesungen, aber auch für Märchenstunden oder als beliebtes Motiv für Fotos Nutzung findet. Zum Zweiten prägt die Anlage ein Wassergraben, der das Abteischloss einst umgab. Seit Langem ist der Graben trockengelegt. Er ist aufgrund der Grundwasserverhältnisse eine Feuchtwiese, die einmal im Jahr gemäht wird und ansonsten ökologischen Raum für Blumen, Kräuter und Insekten bildet. Aufgrund von Schadensbildern, die seit Anfang 2000 aufgetreten waren, wurden bei den beiden Verwaltungsgebäuden entsprechende Gutachten und Planungen für eine grundlegende Sanierung des Finanzamts Waldsassen erstellt und durch das Finanzministerium die notwendigen Haushaltmittel zur Verfügung gestellt. Die Maßnahmen gliederten sich dabei in folgende Bereiche:
Sanierung der zerstörten Konstruktionsteile der Dachtragwerke, insbesondere im Fußbereich. Beim Öffnen der Konstruktionen im ehemaligen Zehentkasten, dem Gebäude am Johannisplatz, bot sich ein Bild aus vollkommen maroden Dachtragbalken im Bereich der Fußschwellen und in Teilbereichen Hausschwammbefall. Sämtliche befallene Konstruktions- und Mauerwerksteile wurden hier getauscht. Dies hatte umfangreiche provisorische Abstützungsmaßnahmen zur Folge. Die neue Dachhaut ist einschließlich der Fledermausgauben, eine Vorgabe des Bayerischen Landesamts für Denkmalschutz. In ähnlicher Weise, nur ohne Hausschwammbefall, waren im Bereich des Abteischlosses die Zerrbalkenlage und auch Teile der Dachkonstruktion ertüchtigt worden. Im Inneren erfolgte der Ausbau der Räume einschließlich der Neuinstallation der haustechnischen Gewerke. Am Johannisplatz waren Teile des Gebäudes aus statischen Gründen zu entkernen und neu zu konstruieren. Wegen der Barrierefreiheit wurden Maßnahmen für einen Aufzug sowie für die sanitären Anlagen verwirklicht. Das Konzept der Elektrotechnik zielte im Abteischloss wie im Zehentkasten auf die Informations- und Beleuchtungstechnik mit der Thematik der energiesparenden und für Bildschirmarbeitsplätze gerechten Ausführung.
Im Erdgeschoss beider Gebäude – es sind im klassischen Sinne Sockelgeschosse – sind Archiv-, Lager- und Technikbereiche untergebracht. Dazu kommt in dieser Ebene der Bereich des für Parteiverkehr offenen Servicecenters, was große Vorteile im Hinblick auf die Barrierefreiheit bietet.

Technikgebäude im ehemaligen Zehentkasten

Die baulichen Anlagen des Finanzamts Waldsassen, Abteischloss und Zehentkasten, sind durch eine gemeinsame Heizanlage versorgt. In früheren Zeiten waren in den jeweiligen Häusern unabhängige und zuletzt sehr veraltete Anlagen mit Ölbefeuerung installiert gewesen mit allen Nachteilen der aufwendigeren Bewirtschaftung, der Betriebskosten und des sehr hohen Flächenbedarfs in den Erdgeschossbereichen. Das neu gebaute Technikgebäude steht auf der Nordseite des ehemaligen Zehentkastens. Die Sanierung der Fassaden an beiden Gebäuden erfolgte in enger Abstimmung mit der Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege nach den Ergebnissen von Befunden. Zurückgenommen werden musste im Bereich der Außenanlagen der dichte Baumbestand, welcher zum Teil zu nah an den Gebäuden beziehungsweise auch zu nah an den Stützmauern des Wassergrabens gepflanzt war. Einseitiger Wuchs und Schädlinge hatten immer wieder Sturmschäden zur Folge gehabt. Die Freistellung beider Gebäude entspricht den historischen Ansichten und veranschaulicht den Kontext zur Basilika. Der Garten des Abtschlosses ist durch einen geschwungenen, schlichten Zaun aus Lärchenlatten eingefriedet. Die Stadt Waldsassen und die Leitung des Finanzamts haben sich verständigt, Teile der Außenanlagen als Verbindungs- und Flanierwege für die Öffentlichkeit tagsüber freizugeben. Von hier öffnet sich dann der Blick auf einige Sehenswürdigkeiten dieser kleinen Stadt nahe der Grenze zur Tschechischen Republik. Die Schönheit der Orte, an denen sich Klosteranlagen entwickelt haben, wird hier im nördlichsten Landkreis der Oberpfalz für den Betrachter wieder einmal sehr deutlich.
(Elisabeth Bücherl-Beer) (Das Abtschloss und der Haupteingang und das Foyer; das Abteischloss mit den Basilikatürmen im Hintergrund und der Zaun - Fotos: Staatliches Bauamt Amberg-Sulzbach)

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