Bauen

Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. (Foto: B. Gleixner)

12.12.2017

„Baukultur schaffen und erhalten“

Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, über „Der Ingenieur als Gestalter der Gesellschaft“.

Die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten, die unsere Zivilgesellschaft zum Funktionieren braucht – sie wurden von Bauingenieuren geplant und errichtet. Der Bauingenieur beziehungsweise Zivilingenieur ist Gestalter der Gesellschaft, mehr als uns gemeinhin bewusst ist. Dies ist nachweislich bereits seit fast 4000 Jahren durch den Codex Hammurapi belegt. König Hammurapi verfasste ihn etwa 1750 v. Chr. und verfügte darin im Artikel 229: „Wenn ein Baumeister für jemanden ein Haus errichtet, dessen Konstruktion nicht fest genug ist, so dass das Haus einstürzt und den Tod des Bauherrn verursacht, so soll dieser Baumeister getötet werden.“ Die Baumeister sollten also einerseits Behausungen schaffen, die das Leben der Menschen erträglich machten, indem das Haus vor Wetter und Feinden schützte. Andererseits trugen sie gleichzeitig auch die Verantwortung dafür, dass das Haus selber nicht zur Gefahr wurde. Bereits vor 4000 Jahren also waren Bauingenieure die verantwortlichen Gestalter der gesellschaftlichen Infrastruktur. Als etwa 2000 Jahre später bereits eine gewisse Urbanisierung eingesetzt hatte, veranlassten das „wilde Bauen“ und die hygienischen Probleme den römischen Architekten Vitruv im ersten Jahrhundert v. Chr. dazu, Ordnung ins gesellschaftliche Chaos zu bringen. Und so befasste er sich in seinen Zehn Büchern über Architektur unter anderem mit dem Anlegen von Städten und deren Wasserversorgung. Zu Vitruvs Zeiten wurden bereits Warmluftheizungen eingebaut, so genannte Hypokausten, die heute wieder eine Renaissance erfahren. Wären seine Schriften im Mittelalter noch bekannt gewesen, so hätten mit großer Sicherheit viele damalige Seuchen verhindert werden können. Heute sind all diese Errungenschaften der Technik für uns so selbstverständlich, dass wir nur darüber nachdenken, wenn einmal etwas nicht funktioniert. Die heutige Bezeichnung Infrastruktur setzt sich aus den beiden lateinischen Wörtern „infra = unterhalb“ und „structura = Zusammenfügung“ zusammen und bedeutet nichts Anderes als Unterbau der Gesellschaft oder auch Unterbau einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft. Maßgeblicher Gestalter
Die kommunale Infrastruktur setzt sich zusammen aus der sozialen und der technischen Infrastruktur. Dabei umfasst die soziale Infrastruktur Bereiche wie das Bildungs- und Gesundheitssystem, Fürsorge- und Kultureinrichtungen, soziale Sicherungen, Sport, Freizeit und öffentliche Sicherheit. All diese vermeintlichen Selbstverständlichkeiten moderner Gesellschaften aber kann es nur geben, wenn Architekten und am Bau tätige Ingenieure die dazugehörigen Schulen, Altenheime, Gemeindehäuser und Kindergärten bauen. Und selbst das alleine reicht nicht aus: All die Gebäude müssen ver- und entsorgt werden, sie sollen gesund sein und man muss sie sicher erreichen können. Und aus diesem Grund bedarf es auch der von am Bau tätigen Ingenieuren geplanten technischen Infrastruktur samt Trinkwasserversorgung, Müllentsorgung, Heizung und Energie, der E- und Kommunikationstechnik und der sicheren Verkehrsinfrastruktur. Soziale Infrastruktur gibt es nicht ohne technische Infrastruktur. Mit jeder neuen Schule und mit jeder neuen Wohnung greifen wir allerdings auch immer in die Natur ein. Solange Gesellschaften und Volkswirtschaften wachsen, verbrauchen wir Land. Dies aber auch auf eine ökologisch sinnvolle Art und Weise zu tun, liegt nicht zuletzt in der Verantwortung der am Bau beteiligten Ingenieure. Schließlich ist es für den Fortbestand unserer Gesellschaft von besonderer Bedeutung, dass all diese Infrastrukturen in ihrer Gesamtheit nachhaltig, umweltverträglich und gesund sind. Dies zu garantieren ist die Aufgabe aller am Bau tätigen Ingenieure. Die vielen Renaturierungsmaßnahmen der vergangenen Jahre wurden wesentlich von Bauingenieuren geplant und umgesetzt. Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimawandel, demografischer Wandel, Urbanisierung, Digitalisierung und neue Mobilität müssen in Einklang mit den gesellschaftlichen Forderungen zum Beispiel nach Sicherheit und Gesundheit gebracht werden. Mit diesen Aufgaben wendet sich die Gesellschaft an Architekten und am Bau tätige Ingenieure. Sie werden subsidiär tätig, um gesellschaftliches Leben möglich zu machen. Hierin sehen sie ihre Berufung. Die am Bau tätigen Ingenieure sind somit nicht nur der Unterbau der Gesellschaft, sondern ihr maßgeblicher Gestalter.

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