Bauen

Der Knotenpunkt von der Luft aus gesehen. (Foto: Stadt Leipheim)

24.10.2014

Beim Bau fand man Bomben und eine Ur-Siedlung

Leipheimer Südumfahrung für den Verkehr freigegeben

Der 27. September 2014 war ein historischer Tag in der jüngeren Geschichte der Stadt Leipheim. Historisch, da „alle Leipheimer, die in der Innenstadt leben, in den nächsten Tagen Schwierigkeiten beim Aufwachen haben werden“, wie sich der Landtagsabgeordnete Alfred Sauter sicher ist. Historisch auch, da mit der Eröffnung der „größten Investition, die Leipheim in seiner bisherigen Geschichte getätigt hat“, wie Bürgermeister Christian Konrad betonte, eine jahrzehntelange Diskussion ihren Abschluss fand, die Südumfahrung der Stadt.
Selten ist die Planung und der Bau einer einfachen Umgehungsstraße so geprägt gewesen von den Ereignissen der jüngeren Geschichte. Denn die Gründe der jahrzehntelangen Wartezeit der Leipheimer Bürger finden sich in der Geschichte der Stadt seit 1936.
Die Südumfahrung überquert heute das ehemalige Militärgebiet des Fliegerhorsts Leipheim, errichtet von den Nationalsozialisten und danach von den Amerikanern und schließlich von der Bundeswehr genutzt. Der Bau der Umgehung wurde erst nach der Auflösung des Bundeswehr-Standorts 2008 möglich. Eine lange Geschichte für eine 3200 Meter kurze Straße.
Leipheim 1936: Die Umgebung von Leipheim bietet den Nationalsozialisten ideale Voraussetzungen für den rüstungswirtschaftlichen und militärischen Ausbau. Ein Eisenbahn-Anschluss und die sich in Bau befindliche Autobahn garantieren optimale Verkehrsbedingungen für die Versorgung eines Fliegerstützpunkts. Ab 1. April 1936 entsteht deshalb auf der Leipheimer, Günzburger und Bubesheimer Flur der Flugplatz Leipheim. Ab 1940 wird der Fliegerhorst auch zu einer Außenstelle der Flugzeugwerft der Messerschmitt-Werke Augsburg.
Als „historischer Tag“ in der Geschichte des Fliegerhorsts gilt der 18. Juli 1942 mit dem Jungfernflug der ME 262, dem ersten serienreifen Düsenflugzeug der Welt, das die nationalsozialistische Antwort auf die alliierten Bomber darstellen soll, die nach der Bombardierung englischer Städte durch die deutsche Luftwaffe vor allem ab 1942 vermehrt Bombenangriffe auf deutsche Städte fliegen.
1944 wird auch Leipheim und der Fliegerhorst zum Ziel, schwere Schäden sind das Resultat. Nach Kriegende wird auf dem Gelände ein Lager für „Displaced Persons“ eingerichtet, das bis 1950 besteht. Ab Herbst 1950 wird der Platz von der U.S. Air Force übernommen und ausgebaut. 1959 wird der Fliegerhorst schließlich zum Standort der Luftwaffe der neu geschaffenen Bundeswehr, ab 1979 ist er schließlich auch NATO-Einsatzplatz.

Stetig wachsender Durchgangsverkehr


Bereits kurz nach dem Krieg war in Leipheim der Autoverkehr stetig angewachsen. Der Durchgangsverkehr beeinflusste die Entwicklung der Innenstadt äußerst negativ. Städtebaulich gab es aber keine Lösung: Die beengten Verhältnisse vor Ort, verursacht auch durch die Existenz des Fliegerhorsts, wurden zum Hemmschuh.
Bereits in den 1950er und 1960er Jahren gab es erste Überlegungen für Verkehrsentlastungen in der Stadt, eine Variante des damaligen Landrats Bruno Merk fand sogar Eingang in den Flächennutzungsplan der Stadt: Der Verkehr sollte auf der B10 von Ulm kommend direkt auf die A8 geleitet werden. In den 1980er und 1990er Jahren wurde eine Südumfahrung sowie eine Nordtangente diskutiert, die Bürgeriniative „Raus mit dem Verkehr“ forderte Mitte der 1980er Jahre abermals, die B10 auf die A8 zu führen. Wieder beeinflusst ein welthistorisches Ereignis die Geschichte der Stadt Leipheim maßgeblich: Das Ende des „Kalten Kriegs“ verändert die militärischen Aufgaben der Bundesrepublik. Bereits ab 1994 verliert der Flugplatz an Bedeutung, der Flugbetrieb wird eingestellt. 2004 wird die Schließung des Standorts bekanntgegeben, am 31. Dezember 2008 endet die Geschichte des militärisch genutzten Fliegerhorsts.
So sehr der Verlust des Bundeswehr-Standorts die Stadt Leipheim finanziell und auch demographisch schmerzt, ergab sich nun erstmals die Möglichkeit, die Verkehrssituation in der Innenstadt zu entzerren. Die Stadt kann konkrete Planungen zur weiteren Nutzung des Fliegerhorsts und damit auch der lange gewünschten Umfahrungsstraße anstellen. Mit der Gründung eines Zweckverbands der Städte Leipheim und Günzburg, der Gemeinde Bubesheim und des Landkreises Günzburg wird ab 2009 das Gelände infrastrukturell erschlossen und neue Betriebe angesiedelt.
Ab 2009 wurden die konkreten Entwurfsplanungen für die Südumfahrung entlang der ehemaligen Start- und Landebahn in Auftrag gegeben. Am 6. Mai 2012 erfolgte schließlich der Spatenstich. Es war ein Bau, der von Anfang an unter erschwerten Bedingungen stattfand. Denn das Erbe des Fliegerhorst-Geländes liegt in Form von zahlreichen Blindgängern aus den Jahren 1944 und 1945 auch unter der Erde. Diese „Altlasten“ wurden zum Teil auch bei den Bauarbeiten gefunden, zahlreiche Kampfmittelfunde und Bombentrichter bestätigten das. So bestanden während der gesamten Bauzeit erhebliche Risiken sowie unkalkulierbare Kosten für Bergung und Entsorgung sowie Verzögerungen im Bauablauf. Auch deswegen stiegen die Kosten von den geplanten sieben auf elf Millionen Euro. Um das Risiko beim Bau eingrenzen zu können, wurden deshalb noch vor dem Spatenstich Lose für Fräß- und Erdarbeiten ausgeschrieben und ab Frühjahr 2012 durchgeführt.
Aber der Blick zurück in die Geschichte des Geländes geht während des Baus nicht nur bis 1936, sondern um einige tausend Jahre weiter. Archäologen waren sowohl vor als auch während der Bauarbeiten vor Ort, um mögliche wissenschaftlich wertvolle Fundstätten auszuwerten. Im Umkreis von mindestens einem Kilometer um das geplante Bebauungsgebiet befinden sich bereits mehrere eingetragene Bodendenkmäler, unter anderem aus der Hallstatt- und Römerzeit, auch das Bodendenkmal „Römerstraße“ wird gleich zweimal von der neuen Umfahrungsstraße gekreuzt. Trotz der Zerstörungen bei Kriegsende können die Archäologen Reste einer urnenfelderzeitlichen Siedlung mit nachgewiesenen Hausgrundrissen, Pfostengruben sowie Orten von Brandbestattungen nachweisen.
Etwas mehr als zwei Jahre nach dem Spatenstich und mehr als 60 Jahre nach den ersten Überlegungen wurde die Umfahrung Ende September 2014 fertiggestellt. Rund 3200 Meter lang ist sie geworden, 1400 Meter Leitplanken wurden verlegt, 11 500 Meter Markierungen angebracht, 191 000 Kubikmeter Erde bewegt, vier Kreisverkehre und drei Radwegunterführungen errichtet.
Die elf Millionen teure Umfahrung soll nun vor allem die Lebensqualität der Leipheimer erhöhen: Statt 13 000 Fahrzeugen sollen in Zukunft nur noch etwa 6500 Pkws durch die Stadt fahren, der Schwer-lastverkehr soll fast vollkommen aus der Stadt verschwinden.
Die neue Straße ist auch ein Neubeginn, wie Bürgermeister Konrad bei der Eröffnung betonte, denn „gleichzeitig haben wir auch die Grundlage für die weitere positive Entwicklung der Stadt Leipheim geschaffen“. (BSZ) (Vier Kreisverkehre und drei Radwegeunterführungen wurden für die Südumfahrung errichtet; beim Bau fand man Bomben und eine Ur-Siedlung; Asphaltierungsarbeiten - Fotos: Stadt Leipheim)

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