Bauen

Verlegung des Dämmmaterials in ein Deckenelement bei Talbau-Haus. (Foto: Friedrich H. Hettler)

21.07.2017

Bekennende Holzwürmer

Informationsfahrt des BDF zu drei Holz-Fertighausherstellern in Baden-Württemberg

Bis heute ist Baden-Württemberg das Zentrum des Holz-Fertigbaus in Deutschland. In keinem anderen Bundesland werden prozentual mehr Fertighäuser gebaut: 1348 der 4152 von Januar bis April 2017 neu genehmigten Ein- und Zweifamilienhäuser sind Fertighäuser. Das entspricht einem Marktanteil von 32,5 Prozent (2016: 30,6 Prozent). Zum Vergleich: Deutschlandweit wurden von Januar bis April 2017 32 037 Ein- und Zweifamilienhäuser neu genehmigt, 6215 davon sind Fertighäuser. Das bedeutet eine Fertigbauquote von 19,4 Prozent (2016: 17,8 Prozent). Die Marktanteile für Deutschland und Baden-Württemberg liegen damit aktuell so hoch wie noch nie zuvor. Vor zehn Jahren betrug die Fertigbauquote in Baden-Württemberg 23,1 Prozent und deutschlandweit 14,2 Prozent. Der moderne Holz-Fertigbau ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und punktet dort mit individuellen und nachhaltigen Häusern. Als Hersteller haben sich viele ehemalige Zimmereien – gerade auch in Baden-Württemberg – schon früh in den 1960er Jahren erfolgreich industrialisiert und längst am Markt etabliert. Die Zahlen belegen, dass das Bauen mit Holz vor allem im Süden und Südwesten Deutschlands traditionell sehr beliebt ist. In Baden-Württemberg bieten der Schwarzwald, der schwäbisch-fränkische Wald, die Schwäbische Alb und weitere Waldgebiete große Rohstoffvorräte für Holz-Fertighäuser. Das natürliche Baumaterial besitzt optischen Charme, überzeugt darüber hinaus aber auch mit sehr guten technischen Eigenschaften wie geringer Wärmeleitfähigkeit, einfacher Bearbeitbarkeit und hoher Stabilität bei vergleichsweise geringem Gewicht. Die Hersteller von Holz-Fertighäusern wissen die Vorteile zu nutzen, entwickeln einen intelligenten Wandaufbau und machen den Gebäudetyp unter anderem im Bereich der Energieeffizienz zum Vorreiter für den modernen Hausbau. Drei von vier neu gebauten Häusern der führenden Fertighaushersteller Deutschlands, die im Bundesverband Deutscher Fertigbau (BDF) organisiert sind, werden heute als besonders sparsame und klimafreundliche KfW-Effizienzhäuser realisiert.
Im Rahmen einer Informationsfahrt besuchte der BDF drei Fertighaushersteller in Baden-Württemberg, die Firmen Talbau-Haus in Weissach im Tal, Lehner Haus in Heidenheim an der Brenz und das Unternehmen Keitel-Haus in Rot am See-Brettheim. „Fertighaus ist nicht gleich Fertighaus, das ist unsere Devise“, erklärt Sven Feil, Geschäftsführender Gesellschafter von Talbau-Haus. „Vor allem, weil wir Maßanfertigungen und keine Ware von der Stange bieten. Der Gedanke, der uns dabei antreibt, ist klar definiert: Wir wollen die Wohnträume all unserer Bauherren wahr werden lassen.“ Der Grundstein hierfür wird bei Talbau-Haus daher mit einer intensiven und persönlichen Kundenbeziehung gelegt sowie durch Wissen, Qualität und Zuverlässigkeit gefestigt. Damit erfährt das Unternehmen, was die Kunden wollen, gleichzeitig wird vor den genaueren Planungen noch gemeinsam eine Checkliste durchgegangen, anhand der der Fertighaushersteller die wichtigsten Fragen zu Kosten, Platzbedarf oder Gestaltung des neuen Eigenheims besprechen.
Die Talbau-Haus GmbH ist ein traditionsreiches Familienunternehmen, das in über 35 Jahren mehr als 1250 Häuser errichtet hat. Die insgesamt über 60 Mitarbeiter produzieren derzeit rund 50 Häuser im Jahr, wobei trotz viel Handarbeit bei der Fertigung ein hoher Vorfertigungsgrad erreicht wird. Das Unternehmen setzt bei seinen auf frei geplanten, individuellen Holzfertighäusern stets auf Innovation und Qualität. Feil erklärt, dass man sich vom lokalen Bauträger zum überregionalen Ferighaushersteller entwickelt hat. Regional verwurzelt, arbeitet der „schwäbische Häuslebauer“ – wie sich die Firma selbst bezeichnet – ausschließlich mit regionalen Handwerksbetrieben zusammen. Mit ihren Haus-Unikaten und Holz als Hauptbaustoff – „wir sind bekennende Holzwürmer“, so Feil – sowie unter Verzicht auf Bindemittel wie Formaldehyd und Phenol in der Dämmung legt Talbau-Haus konsequent Wert auf eine nachhaltige, gesunde und energieeffiziente Bauweise. Der Firmenleitsatz bringt es laut Feil daher auf den Punkt: „Der Mensch steht im Mittelpunkt.“ Lehner Haus in Heidenheim an der Brenz realisiert als Generalunternehmer für den Holzfertigbau Familienhäuser, Villen, Stadthäuser, Bürogebäude, Kindergärten und andere Objektbauten. Zusammen mit seinem Vetter Hans Schneider gründete der Zimmerermeister und Architekt Kurt Lehner 1963 in Giengen-Burgberg eine kleine Zimmerei.
Das heutige Firmengrundstück in Burgberg kauften Lehner und sein Frau 1966 und errichteten dort ihr Büro sowie die erste Halle zur Produktion von Fertighäusern, die in drei Typen angeboten wurden. Zum Verkaufsschlager entwickelte sich das 1967 entworfene „Nur-Dach-Haus Typ 7“, eine Art Ferienhaus mit steilem Spitzdach. In den 1960er Jahren fertigte Lehner-Haus auch Unterkünfte für die ersten Gastarbeiter, Kabinen für Funk und Fernsehen im Stuttgarter Fußballstadion sowie Anfang der 1970er Jahre ein Schulgebäude, ein Vereinsheim sowie eine Druckerei. Mitte der 1980er Jahre eröffnete Kurt Lehner ein Architekturbüro sowie ein Werk in Heidenheim. 1997 übernahm Thomas Lehner den elterlichen Betrieb, um die Fertigung 1999 zu modernisieren. Seit dieser Zeit werden alle Objekte von Lehner Haus per Computer geplant und gefertigt, eine wichtige Grundlage für die Markterweiterung im europäischen Raum.
Um einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten und Energie einzusparen, wurden 2011 und 2012 die Fertigung sowie die Produktion erweitert und mit modernsten Geräten zur High-End-Fertigung ausgestattet. So können bis heute ökologische und wohngesunde Produkte hergestellt werden, die durch ressourcenschonende Bauweise und eine ausgezeichnete Energiebilanz maßgeblich zum Erhalt der Umwelt beitragen. Dass sich diese Vorgehensweise langfristig auszahlt, belegen verschiedene Auszeichnungen und Zertifikate, die dem Unternehmen während der letzten Jahrzehnte verliehen wurden, darunter die Auszeichnung „Haus des Jahres“ für das Musterhaus in Fellbach bei Stuttgart, das Zertifikat für Niedrigenergie sowie der Holzbaupreis Baden-Württemberg.
Ob klassisches Einfamilienhaus oder individuelle Architektenvilla: Rund 27 Kubikmeter Holz und Holzwerkstoffe werden in einem Lehner Haus verbaut. Das Material dafür stammt aus heimischen Wäldern mit nachhaltiger Forstwirtschaft. Verwendet werden ausschließlich getrocknete Hölzer ohne jegliche Imprägnierung. Bauherren schaffen sich so ein gesundes Wohnumfeld. Sicherheit geben ihnen dabei die hohen Qualitätsstandards. Alle Konstruktionen, die Materialien und der Produktionsprozess unterliegen den strengen Qualitätskontrollen der Gütegemeinschaft des Deutschen Fertigbaus (GDF) und des Fraunhofer Instituts. Heute beschäftigt Lehner Haus über 110 Mitarbeiter und fertigt rund 100 Häuser beziehungsweise Objekte im Jahr. Der Umsatz des Familienunternehmens liegt laut Thomas Lehner bei etwa 24 Millionen Euro. Firmenziel ist nach Lehners Worten „ökologische und ökonomisch effiziente Fertighäuser in moderner Holzbauweise bauen für ein energiebewusstes und gesundes Wohnen“.
In Rot am See ist das Unternehmen Keitel-Haus beheimatet. Seit mehr als 85 Jahren wird bei Keitel-Haus mit Holz gearbeitet. Aufbauend auf der Geschichte der 1929 gegründeten Sägerei und Zimmerei präsentiert sich der Betrieb heute als moderner mittelständischer Hersteller von Holzhäusern, der sich seine handwerkliche Tradition bewahrt hat. Kombiniert wird diese mit modernen Produktionsverfahren, einer klaren ökologischen und nachhaltigen Ausrichtung sowie der Planung individueller Häuser. „Wir bauen Ihr Haus, als wäre es unser Eigenes.“ Für Andreas Mosgallik-Keitel ist als Mitglied der Geschäftsführung dieser Satz keine Marketingaussage. Vielmehr bringt sie das Verständnis zum Ausdruck, mit dem bei Keitel-Haus jedes neue Bauvorhaben in den Blick genommen wird. „Unsere Aufgabe ist es letztlich, die Wunschvorstellungen und Möglichkeiten unserer Kunden in eine konkrete und individuelle Planung umzusetzen und Realität werden zu lassen“, so Mosgallik-Keitel.
Grundlage dafür ist eine klar definierte Unternehmenspolitik, die auf festen Werten beruht und sich sehr oft mit den Erwartungen der Kunden deckt. Die Qualität der eingesetzten Werkstoffe, der Beratung und Planungen steht vor der Frage nach der Quantität der umgesetzten Bauvorhaben. Zudem wird auf ein klares Beratungskonzept und detaillierte Baubeschreibungen gesetzt. „Wir merken immer wieder, dass viele Bauherren diese Ausrichtung mit unserem Namen verbinden“, betont Regina Graf, Mitglied der Geschäftsführung. Einen wichtigen Anteil an der Umsetzung des Selbstverständnisses haben die inzwischen 150 Mitarbeiter. „Durch sie werden in der konkreten Betreuung unserer Kunden, der Vorbereitung der Häuser im Werk und letztlich der Umsetzung jedes einzelnen Bauprojekts vor Ort unsere Ansprüche erfahrbar“, erklärt Graf. „Die zahlreichen Weiterempfehlungen durch Bauherren sind für uns als Team eine wichtige Bestätigung, dass uns dies immer wieder gelingt“. Um den eigenen Grundsätzen gerecht zu werden setzt Keitel-Haus auf eine bewusst gewählte und beschränkte Firmengröße. „Wir wollen nicht zu groß und schwerfällig werden“, betont Mosgallik-Keitel. „Unsere Kunden sind keine anonymen Nummern, sondern uns persönlich bekannt und vertraut.“ Auf der anderen Seite dürfe man natürlich auch nicht zu klein sein, um technisches Know-how im Unternehmen zu haben, einen modernen Geräte- und Maschinenpark auf dem aktuellen Stand zu halten und Innovationen voranzutreiben. „Wir sind stolz darauf, dass wir die Entwicklung unseres Unternehmens komplett aus Eigenmitteln finanzieren können und unabhängig von Banken und Kapitalmärkten sind. Deswegen geben wir auch bewusst wenig Geld für Werbung und Repräsentation aus und müssen auch keine Kapitalkosten an Banken oder Anteilseigner bezahlen. Wir verwenden diese Mittel konsequent, um qualitativ und ökologisch bestmögliche Häuser zu bauen.“
Zum Selbstverständnis von Keitel Haus gehört es auch, dass bei Baustoffen und der Haustechnik größter Wert auf das Thema „Gesundes Wohnen“ gelegt wird. Deshalb wird dabei nach Möglichkeit auf Rohstoffe, Produkte und Dienstleistungen aus der Region gesetzt. Ökologie wird auch in der Produktion großgeschrieben. So sorgt eine große Photovoltaikanlage auf den Dächern der Firmengebäude zusammen mit einer Holzhackschnitzelanlage für die Versorgung mit Strom und Wärme aus regenerativen Quellen. 2016 wurde Keitel-Haus für das Haus Ehrenbach mit dem renommierten Fertighauspreis Golden Cube ausgezeichnet. Nach den Worten von Regina Graf ist diese Auszeichnung auch eine Anerkennung dafür, dass man bewusst keine Häuser von der Stange baut. „Wir stellen uns immer wieder neu der Herausforderung, die Wünsche der Bauherren mit den Möglichkeiten moderner Architektur, einer nachhaltigen Arbeitsweise, einer durchdachten Haustechnik und ökologischer Verantwortung zu verbinden.“ Die Auszeichnung bestätige darin, diesen Weg konsequent weiter zu verfolgen und in der eigenen Arbeit nicht nur auf einzelne Aspekte, sondern auf alle wichtigen Faktoren zu achten. Ausgezeichnet wurde für Graf nicht nur ein Gebäude, sondern die klare Ausrichtung sowie die Arbeit und das Engagement aller Mitarbeiter, jedes Haus so zu bauen, als wäre es das eigene.
(Friedrich H. Hettler) (Einbau von Fenstern und Jalousien in eine Wand bei Keitel-Haus; Schrauben, Nägel und Klammern; hier wird der Rohputz auf einen Giebel aufgetragen; ein hohes Maß an Vorfertigung ist das A und O beim Fertigbau; jedes Haus ist heutzutage ein Unikat; ein Holzfertighaus von Lehner Haus und eines von Keitel-Haus - Fotos: Friedrich H. Hettler)

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