Bauen

Der Erweiterungsneubau der evangelischen Kirchenleitung. (Foto: Siegfried Wameser)

13.03.2015

Bodenständiger Baukörper mit Lochfassade

Erweiterungsneubau für die evangelische Kirchenleitung am Königsplatz in München

Ein Neubau in einem Umfeld wie der Maxvorstadt, als Eck- und Schlussstein des Ensembles der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern – im Visavis mit wertvollen, historisch aufgeladenen Baudenkmälern – ist eine Herausforderung, die den Bauherren und den Architekten genauso wie den Benutzer und Betrachter vor eine komplexe Aufgabe stellt. So Wolfgang Lorch und Thomas Wach vom mit der Planung beauftragten Architekturbüro Wandel Hoefer Lorch mit BGHPlan in der Festschrift zum Erweiterungsbau der evangelischen Kirchenleitung am Königsplatz in München.
Auf die Bauten von Albert Schmidt und Oswald Bieber galt es, eine angemessene zeitgenössische Antwort zu finden und eine neue Zeitschicht zu setzen, die weder die Tradition kopiert noch den Kontext negiert und der kulturhistorischen Verantwortung gerecht wird: „Zu respektieren woher wir gekommen sind und zu akzeptieren was aus uns geworden ist“, schreiben die beiden Autoren. Der Entwurf beschäftigt sich daher auch intensiv mit der Dimension der Zeit. Das Aufnehmen und die Transformation von Elementen war der den Entwurf tragende Leitgedanke.
Die Erweiterung des Landeskirchenamts ist somit für Lorch und Wach in zweifacher Weise auch ein Beitrag des Weiterbauens. Einerseits soll sich der Neubau auf den stark prägenden und belegten engeren Kontext der Maxvorstadt in der jüngeren Geschichte beziehen, andererseits fungiert er als Eckbaustein des Areals der evangelischen Landeskirche.
„Auf den ersten Blick ein scheinbar traditioneller, massiver bodenständiger Baukörper mit einer tektonischen Lochfassade besetzt die Ecke zur Karlstraße und schließt das Ensemble der Kirchenbauten in der Katharina-von-Bora- Straße selbstbewusst ab. Ebenso erscheint die historische Fassadengliederung der Umgebung mit massiven, teilweise bossierten Sockeln aus Naturstein, elementierten Putzfassaden und Sattel- oder Walmdächern formierend, um die Logik und den Ausdruck des Quartiers nicht zu verletzen.
In der Annäherung und auf den zweiten Blick erschließt sich dem Betrachter der Paradigmenwechsel der einzelnen Bauteile hin zu einem zeitgenössischen, eigenständigen Haus, gegliedert durch eine Prägung, die die ganze Hülle strukturiert; beginnend mit dem geschosshohen mineralischen Sockel, die mit den flächenbündig eingesetzten Prallscheiben die robuste Basis bilden. Die Obergeschosse setzen sich in der Logik einer gefilzten Putzfassade deutlich von dem Sockel ab und vertiefen den Ansatz, die Materiallogik des Kontextes in das neue Gebäude zu übernehmen, betonen Lorch und Wach.
Die schrägen Dachflächen werden filigran durchbrochen und erlauben nicht nur die Nutzung des Dachgeschosses als hochwertigen Saal mit großzügigem Freibereich, sondern ermöglichen auch die Begrünung der Dachterrasse. Die Form des Dachs gibt dem gesamten Gebäude die dem Ort entsprechende Ausdrucksform „eines der Maxvorstadt eigenen Archetyps. Die wichtigste Ebene des Paradigmenwechsels und der Interferenz von historischen und zeitgenössischen Leitgedanken in Bezug auf die Gestaltung von Material damals und heute liegt aber in der dreidimensionalen geometrischen Prägung.“
Die in der Art einer Faltung gestaltete Oberfläche ist nach den Worten der beiden Architekten dabei neben dem schönen Spiel der Körper im Licht kein reines Ornament, sondern elementiert die Fassade, stärkt die Logik des Aufbaus, bricht die Stringenz der gerasterten Lochfassade, lässt sie angemessen patinieren und bildet somit eine wichtige konstruktive und funktionale Ebene des Bauwerks.
In der Annäherung aus dem Stadtraum – im Spiel von Licht und Schatten – entstehen durch die Faltung immer neue Perspektiven des jeweils Gleichen. Je nach Sonnenschein wirkt die Faltung massiv, teilweise grafisch oder hebt sich im Gegenlicht auf. Zu einer kohärenten Materialisierung des Konzepts wurden die einzelnen nicht standardisierten wesentlichen Bauteile entwickelt: Im Erdgeschoss unterstützt die gefaltete Struktur hergestellt aus in Kautschukmatrizen gegossenem Sichtbeton die Massivität des Hauses und überträgt das Motiv eines bossierten Sockels, schreiben Lorch und Wach. Die dreidimensionalen Prallscheiben werden durch ihre Bündigkeit „Teil der polygonalen Fassadenstruktur, stärken die Geometrie des Sockels, sind Transformation eines Gitters aber auch Sicht- und Schallschutz“.
In den Obergeschossen wird die Fassadengeometrie skaliert und gibt dem Gebäude mehr Leichtigkeit. Die hell verputzte gefilzte Oberfläche aus gefrästen Silikatplatten mit einer Tiefe von nur 30 Millimetern verhindert die einer Lochfassade oft eigene Eintönigkeit, schafft aber ähnlich den historistischen Putzfassaden gleichzeitig eine übergeordnete Ordnung und Systematik. „Silhouettebildend schließt das Dach den Baukörper als dritter Teil der Trias die vertikale Gliederung mit einer Varianz des Grundthemas der Fassade ab.“
Die beiden Autoren erklären, dass die Faltung in der Tiefe skaliert wird und die Flächen teilweise aufgelöst werden. Dabei entsteht eine Oberfläche, die aus der Ferne ihre Transparenz zeigt und in der Annäherung durch die Winkelverkürzung massiver wirkt und dem Gebäude somit eine Vielschichtigkeit verleiht. Im Laufe der Zeit bildet das durchwachsende Grün den Abschluss der Außenfassaden.
Im Hof auf der straßenabgewandten Seite wird der Garten mit seinem gewachsenen Baumbestand als grüner Rückzugsraum erhalten und gestärkt. Er dient als qualitätvolle Verknüpfung innerhalb des Gesamtensembles. Im Innenraum bestimmt die Nutzung des Hauses als Bürogebäude die Gestaltung der Grundrisse in allen Geschossen. Die gewählte Struktur ermöglicht im Sinne der Nachhaltigkeit eine weite Flexibilität von Nutzungen zwischen kleinteiligen Einzelbüros und großflächigen Versammlungsräumen.
Das große offene Treppenhaus mit einem in der Tradition der anderen Verwaltungsgebäude der Landeskirche stehenden Treppenauge bindet die Geschosse zusammen und ist eine angemessene Erschließungsgeste für das Dachgeschoss, in dem sich mit dem großen Saal auch das Mitarbeitercasino befindet. „Das Zenitlicht nobilitiert den Aufgang. Die direkte Verknüpfung oder Erweiterung des Saals mit der begrünten Dachterrasse bildet mit dem Blick auf München den Höhepunkt des Spannungsbogens“, so Lorch und Wach.
Die Erhaltung der Schöpfung im Sinne der Nachhaltigkeit ist Programm der Kirche. Den Neubau im höchsten Nachhaltigkeitsstandard zu erstellen war gleichermaßen Pflicht und Kür des Bauvorhabens. Im Zeitalter des Energiebewusstseins und der Erderwärmung wachsen auch die energetischen Anforderungen an Neubauten. Seit einigen Jahren erreichen diese Anforderungen eine hohe Komplexität, da mittlerweile nicht mehr nur betrachtet wird, wie viel Energie ein Gebäude im Betrieb verbraucht und wie diese Werte optimiert werden können, sondern es wird auch berücksichtigt, wie viel Energie für die Herstellung aufgewendet wird. Dies führt unweigerlich dazu, dass bei Neubauten, die Altbauten ersetzen, auch die Energie zu betrachten ist, die irgendwann in den abzubrechenden Gebäudebestand investiert wurde und die nun verloren geht. Diese „Graue Energie“ ist insbesondere in deutschen Großstädten oft in maroden Nachkriegsbauten gebunden und die Auseinandersetzung mit der Verschwendung von grauer Energie wird immer wichtiger für die Entscheidung, ob ein Neubau sich energetisch lohnt oder ob eine Sanierung nicht über lange Jahre die energetisch günstigere Alternative ist, erklären die Architekten.
„Wenn der Ruf nach Weiterverwendung vorhandener Bausubstanz im Sinne von Erhaltung der grauen Energie immer lauter zu hören ist, muss die Konsequenz sein, jegliche Neubauten in einem Standard zu errichten, der ermöglicht, dass sie nicht nur im Betrieb energiesparend sind, sondern, dass sie über die durchschnittliche Lebensdauer unserer Gebäude hinaus einen Sinn haben und einen Zweck erfüllen können. Nur so lässt sich die Lebenszyklus von unseren Gebäuden, die im Nachkriegszeitalter dramatisch kurz geworden ist, verlängern und die Energie der Zukunft sparen, weil Neubauten in weitere Ferne verschoben werden können. Das nachhaltige Bauen ist in diesem Sinne eine wahre Investition in die Zukunft.“
Dies habe die Leitung des Landeskirchenamts dazu bewogen, auch den Neubau in der Katharina-von-Bora-Straße in einem der höchsten Nachhaltigkeitsstandards der Welt planen und bauen zu lassen. Das Zertifikat bewertet die Nachhaltigkeit anhand einer Vielzahl von Einzelkriterien, wie etwa der Umnutzungsfähigkeit, Innenraumhygiene, Barrierefreiheit, Flächeneffizienz und Rückbaufähigkeit, die sicherstellen, dass die Gründe, ein Gebäude abreißen zu müssen, langfristig minimiert werden.
Nach der Betriebsaufnahme wird das neue Gebäude das Siegel „Gold“ der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) erhalten. (BSZ) (Blick unters Dach; die Zimmer sind hell und freundlich; das Treppenhaus - Fotos: Siegfried Wameser)

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