Bauen

Blick in den Festsaal. (Foto: Gerhard Hagen)

20.05.2011

Denkmalgeschütztes Multifunktionshaus

Das Heilig-Geist-Haus in Nürnberg wurde generalsaniert

Nach mehrjähriger Planungs- und Bauzeit wurden im Januar die Arbeiten zur Sanierung des denkmalgeschützten Heilig Geist Hauses im Herzen der Nürnberger Altstadt erfolgreich abgeschlossen. Das Haus bildet den historischen Kern des Gesamtensembles „Heilig-Geist-Spital“. Gestiftet wurde die Einrichtung zur Versorgung von Armen und Kranken 1332 von Reichsschultheiss Konrad Groß, dem damals reichsten Nürnberger Bürger. Nördlich der Alpen entstand somit eines der ältesten Siechenhäuser, für deren Aufbau sich Papst Innozenz III (1160 bis 1216) im Rahmen seiner Förderung verschiedener Orden wie der des heiligen Franz von Assisi einsetzte.
Erbaut wurde die Heilig-Geist-Kapelle mit angrenzendem Spital in den Jahren 1332 bis 1339. Die Einrichtung entwickelte sich zur größten privaten Stiftung im mittelalterlichen Nürnberg und diente als Wohnstätte, Schulhaus, Spital mit Apotheke sowie Wöchnerinnenstation. Nach dem Tod des wohltätigen Patriziers Groß 1356, der in der Heilig-Geist-Kapelle seine letzte Ruhestätte fand, wurde die Anlage durch Zustiftungen noch erweitert.
Die gotische Kirche diente über 372 Jahre (1424 bis 1796) als sicherer Aufbewahrungsort der Reichskleinodien, die der Bevölkerung im Jahreszyklus zur Schau gestellt wurden. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gotteshaus, ein dreischiffiger Basilikabau, weitgehend zerstört. Nur die nördliche Platzwand zum Hans-Sachs-Platz sowie zwei Drittel des Kirchturms blieben erhalten. In den 1950er Jahren beschloss die Stadt, die Spitalkirche nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form zu errichten.
Der von der Evangelischen Kirche eingeleitete Wiederaufbau in den Jahren 1960 bis 1963 erfolgte denn auch nicht als Sakralbau, sondern wurde als Studentenwohnheim mit Seminarräumen und Festsaal, als Studienzentrum und Tagungsstätte konzipiert. Hierzu gehörte auch eine im Obergeschoss integrierte Kapelle für das Spital. Lange Jahre diente das Haus als Tagungsstätte und Studienzentrum. Geschaffen hat diesen Wiederaufbau der Nürnberger Architekt Julius Lincke.
Mit notariellem Vertrag vom Juli 2003 hat die Stadt das Erbbaurecht an dem Grundstück von der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde erworben. Der Kaufvertrag enthält eine Besonderheit – nämlich das Recht der Kirchengemeinde St. Lorenz, die im 1. Obergeschoss befindliche Kapelle auch weiterhin für kirchliche Zwecke zu nutzen.
Die baulich vorgegebenen Grundrissstrukturen des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes aus den 1950er Jahren prägten maßgeblich die Gesamtkonzeption. Die gestalterische Aufgabe bestand vor allem darin, einerseits die Symbiose aus der historischen Substanz und der 1950er Jahre-Architektur zu bewahren und andererseits die Anforderungen unserer Zeit subtil einzufügen.

Großer Konzertsaal


Insgesamt zehn Institutionen sind als Nutzer in dem Haus integriert: das Seniorenamt mit Pflegestützpunkt und Senioreninitiative SIN; der Stadtseniorenrat; das Amt für internationale Beziehungen; das Menschrechtsbüro und der Integrationsrat der Stadt Nürnberg; die Initiative „Persönliche Stadtansichten“; die Dante Alighieri Gesellschaft; das Forum für Jüdische Geschichte und Kultur; der Verein für ein Arabisches Museum; das Nürnberger Menschenrechtszentrum sowie ein zentrales Büro der Bürger- und Vorstadtvereine.
Als Nucleus ist der große Konzertsaal mit seiner 1950er-Jahre-Prägung für die Hochschule für Musik konzipiert. Er wird aber auch für andere städtische Veranstaltungen genutzt und soll an Dritte für Einzelveranstaltungen vermietet werden. Das Foyer mit Theke und Garderobe bildet das ansprechende Entrée für eine vielfältige Veranstaltungsnutzung. Multimediapräsentationen, themenbezogene Events und Ausstellungen sollen den Veranstaltungszyklus substituieren.
Die Konturen des Heilig-Geist-Hauses entsprechen dem der 1950er Jahre. Innerhalb der Hülle war infolge der Höhe des Konzertsaals mit seinen gotischen Fensterachsen und der eingefügten Empore das Maß der Geschosse vorgegeben. So befindet sich nach Süden zur Pegnitz hin vorgelagert eine einbündige Bürospange über vier Geschosse. Nach Osten sind multifunktionale Seminarräume mit abweichenden Regelgeschosshöhen über die Erschließungstreppen eingefügt. Im Ergebnis sieht die funktionale Schichtung folgende Nutzung vor: Im Erd- und 1. Obergeschoss ist das Seniorenamt mit verschiedenen Beratungs- und Betreuungseinrichtungen für ältere Menschen. Im 2. Obergeschoss befindet sich das Amt für internationale Beziehungen. In der Etage darüber fanden Räume für das Forum für Jüdische Geschichte, das Menschenrechtsbüro und den Integrationsrat Platz. Und im 4. Obergeschoss sind Gästezimmer für das Amt für internationale Beziehungen ausgewiesen.
Um die Generalsanierung des altehrwürdigen Gebäudes verwirklichen zu können, musste das Haus komplett auf den Rohbauzustand zurückgeführt werden. Die Eingriffe in die äußere Hülle folgten der Maxime, das 1950er-Jahre-Denkmal mit seinen Relikten aus dem 14. Jahrhundert zu bewahren und notwendige Eingriffe im Kontext der Baustile umzusetzen. Die historischen Mauern sind beim Wiederaufbau teilweise in Umfassungswände integriert worden.
Im Gebäudeinneren war mit Ausnahme des Veranstaltungssaals eine schlichte Atmosphäre der 1950er-Jahre vorherrschend. Schöne Details aus dieser Zeit wie das Treppengeländer wurden her-ausgearbeitet und stehen heute als Gestaltungsmerkmale im Dialog mit zeitgemäßen Gestaltelementen. Errichtet wurde das Objekt seinerzeit als fünfgeschossiger Mauerwerksbau mit Stahlbetonrippendecken. Diese hatten jedoch keine ausreichende Betondeckung für die Bewehrung und mussten deshalb mit Brandschutzputz ertüchtigt werden.
Für das gesamte Gebäude waren die energetischen Aspekte nach der EnEV 2007, die gebäudetechnischen sowie die brandschutztechnischen Aspekte zu beachten. Mit großem Aufwand wurden Haustechnik, Dach, Fenster, Estrich, Türen Unterdecken und Bodenbeläge erneuert, Wärme- und Schallschutz auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Eine Besonderheit stellt auch das weitgespannte Stahlsprengwerk oberhalb des Saals dar. Der rechnerische statische Nachweis war mit speziellen Verfahren möglich gewesen. Unter Berücksichtung der zu erhaltenden inneren Raumhülle für den Saal war besonderer konstruktiver und statischer Aufwand nötig, besonders im Hinblick auf die zu integrierenden gebäudetechnischen Anlagen.
Die Raumhülle des Festsaals wurde während der gesamten Bauzeit mit entsprechenden Schutzeinrichtungen gesichert. Die Nordseite des Festsaals mit den innenseitig freigelegten, gotischen Fenstern konnte mit einer Dämmschale energetisch ertüchtigt werden. Ähnlich wurde mit innenseitiger Mineralschaumdämmung an der Süd- und Ostfassade das Objekt auf den nach bauphysikalischen Anforderungen neuesten Stand gebracht.

Erneuerte Haustechnik


Die Innenfenster des Saals wurden nach dem Maßwerk der gotischen Fenster entworfen, teilweise in handwerklicher Sonderkonstruktion, und ausgetauscht. Die vorhandene Haustechnik wurde komplett von den Grundleitungen bis zur elektronischen Steuerung nach den geltenden technischen Gesichtspunkten erneuert.
Gearde die Sanierung historischer Gebäude stellt die Beteiligten durch unerwartete Ereignisse und Situationen oft vor viele Herausforderungen. So sorgte in der zweieinhalbjährigen Bauzeit neben der Erweiterung und dem Ausbau des Foyers, dem Einbau einer größeren WC-Anlage im Untergeschoss, der Schaffung behindertengerechter Eingänge und der Anpassung des westlichen Treppenhauses mit Einrichtungen eines zweiten Rettungswegs eine Vielzahl von kleinen und großen Überraschungen immer für Spannung.
Der Entwurf für die rund 10,6 Millionen teure Generalsanierung stammt vom Hochbauamt der Stadt Nürnberg. Die Ausführungsplanung und Bauabwicklung erfolgte durch das Architekturbüro Haid + Partner, Nürnberg. (BSZ)

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