Bauen

Die Fassade der Orangerie wurde im historischen Goldocker gefasst. (Foto: Staatliches Bauamt Erlangen-Nürnberg)

06.07.2012

Der Wassersaal: runderneuertes Herzstück

Die Orangerie der Universität Erlangen-Nürnberg wurde umfassend saniert

Fast genau zehn Jahre sind seit der Stellung des Bauantrags zu Sanierung und Umbau der Orangerie im Jahr 2002 durch die Universität Erlangen-Nürnberg vergangen. Im März 2009 wurde schließlich mit den Bauarbeiten begonnen. Zuvor jedoch mussten für die mit 9,9 Millionen Euro (brutto, inklusive Baunebenkosten) genehmigte Maßnahme, von denen 500 000 Euro aus privaten Spendengeldern stammen, unter der Leitung des Staatlichen Bauamts Erlangen-Nürnberg Entwürfe gemacht sowie Kosten wieder und wieder berechnet werden. Viele Gewerke gingen trotz meist sogar EU-weiter Ausschreibung größtenteils an süddeutsche Baufirmen.
Nach gut drei Jahren Bauzeit wurde der sanierte Bau pünktlich zum Schlossgartenfest 2012 eingeweiht. Damit ist auch das „Herzstück“ der Orangerie, der zentral gelegene Wassersaal, als Veranstaltungsort der Universität wieder nutz- und vermietbar sowie für die Öffentlichkeit zugänglich.
Wegen schwerwiegender Schäden an Dachbalken und Mauerwerk in Folge von Feuchtigkeitsproblemen konnte eine Generalsanierung schließlich nicht länger hinausgezögert werden. Der Dachstuhl hatte sich trotz kontinuierlichen Bauunterhalts nach und nach so auf die Außenwände abgesenkt, dass diese nach außen gedrückt wurden. Verformungen sowie in der Folge Risse im Mauerwerk und den wertvollen Stuckdecken waren entstanden. Die teilweise absturzgefährdeten Decken mussten vorübergehend mit Netzunterspannungen gesichert werden.
Ein weiteres Gefährdungspotenzial stellten die Figuren, stilisierten Vasen und Schmuckkamine auf Dach, Attika und Portalen dar. Auch hier drohte die Substanz zu zerbröseln. Hinzu kamen Salzschäden in den Sockelbereichen, die die Putze innen und außen teils bis auf eine Höhe von über 1,50 Metern geschädigt hatten.
Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass im Dachraum nicht nur wie bereits bekannt die meisten Balkenfüße, sondern auch die angrenzenden Wandbereiche sowie die aus Lehm und Holz bestehenden Deckenfelder zwischen den Horizontalbalken vom so genannten Echten Hausschwamm, einem Holz und Stein zerstörenden Pilz, bereits so stark zerstört waren, dass eine grundlegendere Sanierung geplant werden musste, als ursprünglich angedacht.
Die interessante Erkenntnis, dass die vorgefundenen Myzele teilweise völlig ausgetrocknet und daher inaktiv waren, konnte über eines nicht hinwegtäuschen: Die vorhanden Holzschädigungen erwiesen sich nach dem Entfernen des Bretterbodens als weitaus umfangreicher als angenommen. Die Myzele hatten sich bereits bis in Bereiche angrenzenden Mauerwerks, ja sogar bis in Putzschichten hineingefressen.

Noch aktive Myzele


Obwohl Untersuchungen ergeben hatten, dass manche der trockenen Myzele teilweise sogar schon aus dem 18. Jahrhundert stammen mussten, traten vor allem im angrenzenden Mauerbereich noch aktive Myzele zum Vorschein, die ihre feuchte „Nahrung“ wohl aus tiefer gelegenen Schichten beziehen mussten. Die doppelschalig ausgeführte Außenwand lieferte für einen Wassernachschub von unten geradezu ideale Bedingungen, da ja auch die Sockelabdichtung fehlte.
Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurde mit Hilfe von Holzschutz-, Schadstoff- und Tragwerksexperten in enger Abstimmung mit den Denkmalbehörden ein Sanierungskonzept erstellt. Dabei stand einerseits der größtmögliche Erhalt historischer Bausubstanz, andererseits aber auch eine möglichst effiziente Entfernung und Bekämpfung des Schwamms im Vordergrund, was zu folgendem Plan führte:
– Entfernung sämtlicher erreichbarer Myzele;
– Entfernung des geschädigten Holzes;
– Anstückeln der geschädigten Balken;
– Sekundärtragwerk aus Stabstahl, um die auch statisch wirksamen Eingriffe im Holztragwerk minimieren zu können;
– Beschäumen und Absperren der Mauerhohlräume und -fugen mit chemischen Mitteln;
– Ersatz der maroden Fußpfette durch eine feuchtigkeits- und pilzresistente Leimholzschwelle aus Eiche;
– Sicherstellung dauerhaft niedriger Luftfeuchtigkeit im Dachraum mittels Temperierung und Lüftung sowie
– Herstellung einer inspektions- und wartungsfreundlichen Zugänglichkeit.
Die bauschadensbedingte Sanierungsmaßnahme ging auch einher mit einer räumlichen und funktionalen Überarbeitung des Gebäudes. So wurden die ursprünglichen Funktionen – Institute in den Seitenflügeln, Wassersaal als zentral zu nutzende Räumlichkeit – beibehalten.
Auch der Außenbereich erfuhr eine Überarbeitung. Neben der Ordnung der Zugänge auf der Nordseite – jedes Institut erhält nun einen definierten „Haupt“-Zugang, der Wassersaal samt Foyer einen bei Veranstaltungen separat nutzbaren Eingang – wurden auf der Südseite in Anlehnung an den baulichen Urzustand sämtliche Fenster als zweiflüglige, bodentief verglaste Fenstertüren ausgebildet. Der Wassersaal selbst ist nun wieder von Norden und Süden durchgehend ebenerdig begehbar. Die südliche „Schauseite“ ist mittels eingebauter Bodenstrahler stimmungsvoll beleuchtbar.
Das nördliche Vorfeld beherbergte einst einen barocken Terrassengarten, von dem sogar noch Mauerreste im Untergrund aufgefunden wurden. Heute ist das Areal von Gebäuden des Instituts für Mikrobiologie überbaut. Aufgrund der engen Raumverhältnisse war daher Zurückhaltung geboten: Der verbleibende Zwischenraum wird an der Westseite von drei mit einer Metallverkleidung modern gestalteten Pavillons gefasst, in denen Kartenverkauf, technische Infrastruktur und ebenerdige Möbellagerflächen für die Veranstaltungen untergebracht sind. Geschnittene Buchenhecken, Pflaster- und Pflanzflächen neben einer wassergebundenen Oberfläche, neue Beleuchtungskörper und Sitzgelegenheiten runden diesen autofreien Vorplatz ab.
Die Institutsbereiche wurden für die Bedürfnisse der Nutzer optimiert. Das Institut für Kunstgeschichte im Ostflügel erhält die dringend gebrauchten Einzelbüros. Für das Institut für Kirchenmusik wurde der Musiksaal im östlichen Anbau nach modernen Kriterien akustisch und beleuchtungstechnisch überarbeitet. Die Erneuerung sämtlicher haustechnischer Anlagen, wie Heizung, Zuordnung neuer Toilettenanlagen zu den Funktionsbereichen, Neuschaffung von Teeküchen und die Erneuerung der gesamten Elektrotechnik nach zeitgemäßem Institutsstandard waren wesentliche Bestandteile des Umbaus.
An einer durch eine Wandverkleidung geschützten Stelle des Rundbaus wurde ein Rest des bauzeitlichen Außenputzes gefunden, der nicht nur bezüglich seiner chemischen Zusammensetzung und Korngröße der Zuschlagstoffe, sondern auch bezüglich seines Farbtons analysiert werden konnte. Ebenso gelang es im Wassersaal, die vielen Farbschichten des Innenanstrichs zeitlich zu datieren und chemisch zu bestimmen, sodass auch hier Farbtöne analysiert werden konnten. Es zeigte sich, dass im Wassersaal ursprünglich keine farbliche Differenzierung zwischen den einzelnen Wandelementen vorgenommen, sondern der gesamte Raum mit Wand, Decke und Stuckelementen monochrom, und zwar in einem hellen Grau, gefasst war.
Auch für den Bodenbelag im Wassersaal ließen sich anhand von Baurechnungen und eines Fotos von Anfang des 20. Jahrhunderts Anhaltspunkte für einen so genannten Kalksteinbelag finden, sodass nun Solnhofer Platten gewählt wurden.

Fassade in Goldocker

Auf der Grundlage der Erkenntnisse wurde zu Beginn der Ausführungsplanung die Entscheidung getroffen, sich, wenn möglich, nach der bauzeitlichen Fassung zu richten. Ein Konzept, das zu der Intention passte, das Raumkontinuum von Wassersaal und Flügelsälen wieder erlebbar zu machen.
Gemäß des Befunds wurde der Farbton der Fassade im historischen Goldocker gefasst. Im Verständnis des Gebäudes als einer Gesamtskulptur ist es auch nachvollziehbar, dass auf die Absetzung der Natursteinbereiche verzichtet wurde. Zudem stellt die Farbe auch für den Naturstein einen natürlichen Schutz dar. Sie bot gleichzeitig die Chance, die durch die Sanierung notwendig gewordenen Steinergänzungen optisch zu egalisieren.
Die Außenwände wurden im Sockelbereich mit einer Lehmpackung gegen Feuchtigkeit abgedichtet. Auch im Innenbereich wurde im Sinne des Befunds bei Wasser- und Flügelsälen zugunsten eines monochromen Grauanstrichs entschieden. Dies hat den Vorteil, dass in den lichtdurchfluteten Räumen mit ihren reich gestalteten Oberflächen das Spiel aus Licht und Schatten hervorragend zur Geltung kommt.
Im Zuge der Baumaßnahme war es notwendig, im Wassersaal nicht nur den Bodenbelag zu erneuern, sondern auch für die Aufnahme von Wärmedämmung, Heizungs- und Elektroleitungen den Unterbau auf einer Tiefe von einem guten halben Meter auszuwechseln. Dabei wurden Kellergewölbe von oben frei gelegt, man entdeckte einen Unterboden aus historischen Vollziegeln, der nicht in situ belassen werden musste sowie schlussendlich in den Raumecken die Überreste von vier in den Boden eingelassenen, muschelförmigen Brunnenschalen aus Stein, die dem Saal einst seinen Namen gaben. Außerdem befindet sich in Raummitte ein etwa 2 x 4 Meter großes Ovalbecken aus Sandstein, dessen Rand vermutlich im 19. Jahrhundert abgebrochen wurde um Platz zu gewinnen.
Nachdem klar war, dass dieses der funktionalen Zweckbestimmung des Wassersaals als Veranstaltungsort auch heute widerspricht, verschwand es folgerichtig wieder unter dem fertigen Fußboden, wo es sich nun im Verlegemuster des Bodenbelags nur noch zweidimensional abzeichnet.
Anders die Wandbrunnen. Hier war es möglich, die Schalen mit Natursteinaufsätzen wieder so zu rekonstruieren, dass der fertige Fußbodenbelag daran anschließen kann. Im Aushub waren zahlreiche Abschnitte von Bleileitungen und skulpturale Werksteinbruchstücke gefunden worden. Obwohl dies leider nicht in der Finanzierung der Baumaßnahme enthalten ist, wäre es, ähnlich einem Puzzlespiel, denkbar, dass, in Anlehnung an den Stich von Decker, die Nischenskulpturen wenigsten teilweise wieder hergestellt werden. (Doris Ostertag) (Der Wassersaal und dessen Decke - Fotos: Staatliches Bauamt Erlangen-Nürnberg)

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