Bauen

2011 öffnete das Museum der Bayerischen Könige seine Pforten. (Foto: Sieber)

10.11.2016

Ein architektonisches Meisterwerk

Vor fünf Jahren wurde das mehrfach ausgezeichnete Museum der Bayerischen Könige eröffnet

Wenn bestehende Gebäude mit hervorragendem Antlitz durch einen modernen architektonischen Geniestreich zu einem Gebäudeensemble zusammenwachsen und auf diese Weise dem Ganzen eine neue glanzvolle Fassade verleihen, dann ist wahrlich ein grandioses Werk entstanden.
Seit nunmehr fünf Jahren steht das Museum der Bayerischen Könige in Hohenschwangau bei Füssen und sorgt für bewundernswerte Blickfänge an einem außergewöhnlichen Ort in einer berauschend schönen Landschaft. Zuerst von außen, dann nicht minder von innen. Die Landschaft ist mit einbezogen und der Neubau voll integriert. Das Museum liegt direkt am Ufer des naturbelassenen Alpsees, frei von Verkehr, getrennt vom See nur durch ein von Spaziergängern frequentiertem Sträßchen. Mittendrin im scheinbar übergangsbetonten Bereich von Siedlung zur Natur und da wesentlich näher dran als das schräg gegenüber hoch am Hang sich stolz in Gelb erhebende Schloss Hohenschwangau. Hinter dem Museum schlängeln sich die Touristen tagtäglich scharenweise zum nordöstlich davon gelegenen, an der engen wilden Pöllatschlucht vom bayerischen Märchenkönig Ludwig II. erbauten Schloss Neuschwanstein, einer der bekanntesten Touristenanziehungsmagnete weltweit.

Ein schnittiges Gebäude


In dieser imposant inszenierten Kulisse steht das Museum der Bayerischen Könige. Ein schnittiges Gebäude wie aus einem Guss, alte Bausubstanz mit fürs Allgäu typischen Ornamenten in der Fassade wurde verbunden mit moderner Architektur. Drei Altbauten wurden durch das i-Tüpfelchen der Moderne zu einem Ensemble-Highlight der Architektur. Das Jägerhaus ist das ältere Gebäude, noch im 18. Jahrhundert erbaut, wo früher auch eine Brauerei untergebracht war. Rechts davon steht das ehemalige Grandhotel Alpenrose, der andere Altbau, der heute das Restaurant und im ersten Stock noch Banketträume beherbergt. Zwischen den beiden Altbauten wurde noch Anfang des 20. Jahrhunderts der erdgeschossige Mittelbau quasi als Speisesaal angefügt und dahinter das sogenannte Palmenhaus, ein Raum, der lange im Dornröschenschlaf lag. Einiges ist dem historischen Vorbild jetzt nachempfunden, der Boden ist immer noch der originale und ebenso der Kachelofen. „Den so schön gestaltete Raum benutzen wir heute für Veranstaltungen: kleine Lesungen, Vorträge oder für Museumspädagogik mit Schulklassen und Kindergärten“, erklärt Vanessa Richter, die stellvertretende Leiterin des Museums. „Das architektonische Meisterwerk wurde 2011 fertiggestellt und liegt auf dem Zwischenbau“, fährt mit strahlenden Augen Richter fort. Man tritt gerne ein, um festzustellen, welche Akzente nach der Außenfassade und dem hell und schlicht angelegten Eingangsraum noch die Innenarchitektur setzt. Ein moderner, filigran wirkender Erweiterungsbau aus Stahl und Glas bildet das Obergeschoss. Die dreischiffige Stahlkuppelkonstruktion gliedert sich in drei Innenräume, in welchen die Ausstellung über die Geschichte des Wittelsbacher Königshauses präsentiert wird. Die Stahlkuppel überspannt den zentralen Ausstellungsbereich und zwei Halbkuppeln jeweils die Seitengalerien mit Panoramafenstern. Das Glas-Stahl-Gewölbe überzeugt durch Sachlichkeit, Eleganz und Attraktivität. Wahrscheinlich bleibt es für immer dem Besucher bildhaft im Gedächtnis, sobald er an das Museum zurückdenkt.
Oft heißt es, dass fantasievoll mit solchen Orten umgegangen werden soll. Hier war das der Fall: Keine Widersprüche im eigentlichen Sinn, sondern eine spannende Ambivalenz ist entstanden. Geschichte und moderne Architektur harmonieren – außen wie innen. Ins Licht der Aufmerksamkeit rückt die dadurch geschaffene Museumsatmosphäre schon mit dem Zugang hoch auf der Aufgangstreppe. Dann durchschreitet man den ersten neuen Gangraum und gleichzeitig den Stammbaum der Wittelsbacher, 738 Jahre Familien- und Bayerngeschichte von 1180 bis zum letzten bayerischen König Ludwig III. 1918. Danach folgt der Saal der Könige. Die zwei Könige, die Hohenschwangau ihren Stempel aufgedrückt haben, Maximilliam II. und sein Sohn Ludwig II., die Bauherren von Hohenschwangau beziehungsweise Schloss Neuschwanstein, werden vorrangig gezeigt. Prunkstücke sind ein monumentaler Aufsatz für die Hoftafel aus vergoldeter Bronze. „Um diesen schön zur Geltung zu bringen, hat man den Raum um den Tafelaufsatz konzipiert. Auch die Beleuchtung dazu ist interessant: nicht aufdringlich und doch schon fast mit Tageslichtcharakter“, erklärt Richter. Die Architekten vom Berliner Büro Staab Architekten erfanden mit Stahl und Glas eine Struktur, die sich selbst erstmal zurück hält, aber danach – vielleicht erst mit dem zweiten Blick – jedoch umso stärker wirkt. Für die einfallsreiche Lichtlösung, die die räumliche Qualität der Architektur noch steigert, zeichnete das Büro „Licht Kunst Licht“ ebenfalls aus Berlin verantwortlich. Das Museum blieb nicht unbemerkt in Fachkreisen und heimste Architekturauszeichnungen sowohl für die Bauausführung wie auch die Belichtung ein: GE Edison Award 2011, Stahlbaupreis 2012, Illumni Infinity Awards 2012, Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaus 2013 in der Kategorie Hochbau und den BDA Preis Bayern 2013.
Der dritte Bogenraum, spiegelverkehrt zum Stammbaum-Raum, beinhaltet keine Ausstellungsobjekte. Er überzeugt durch seine Glasfront und sorgt für den Perspektivwechsel. Hier ist ausdrücklich gewünscht, hinaus zu schauen, auf die Highlights vor der Haustür. Es ist die geniale Kunstidee des Architekten, die Glasfassade zieht die Außenpromenade mit ins Innere. Statt der einfachen strebenlosen Fenster hat der Architekt Spiegelstreben angebracht. Dies bewirkt, egal wohin man schaut, dass man beide Sehenswürdigkeiten sieht.

Wartezeit sinnvoll nutzen


Im Jägerhaus werden noch weitere historische Höhepunkte gezeigt. Die Bautätigkeit der Könige, vor allem Ludwig II., der durch seine Schlösser heute Kult-Status erreicht hat, und wie er die neueste Technik jener Zeit in seinen Projekten einsetzte. Ebenso das Ende der Monarchie, wie auch die Behandlung während des Zweiten Weltkriegs. Auch die Aufteilung der Besitztümer 1923 auf Staat, Wittelsbacher Ausgleichfonds und Haus der Bayerischen Geschichte mit Prinz Rupprecht, der seine Anwartschaft auf den Thron nach dem Sturz der Monarchie durch die Novemberrevolution von 1918 verlor. Das Museum gehört dem Wittelsbacher Ausgleichfonds, eine Stiftung öffentlichen Rechts. Es könnte auch „Museum der Wittelsbacher“ heißen. Denn alle bayerischen Könige stammen aus diesem Geschlecht. Aber mit dem Namen war man zurückhaltender, so wie meistens. Eigentlich steht es der Allgemeinheit zur Verfügung – und wird auch gerne angenommen, unter anderem auch um Wartezeit sinnvoll in Wissenswertes umzumünzen. Da die Schlossführungen nicht einmal eine halbe Stunde dauern und meistens Wartezeiten dafür anfallen, kann man hier im Museum die Zeit überbrücken und selbstständig mit dem Audioguide ohne Zeitdruck und Stress der Geschichte nachspüren. Das Museum ist neben den zwei Schlösser durchaus zu einer prominenten Adresse avanciert. (Nikolaus Sieber) (Blick aus dem Museum auf den Alpsee; das Foyer im ehemaligen Speisesaal des Grandhotels Alpenrose und das Spiegelbild des Museums im Alpsee - Fotos: Sieber)

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