Bauen

Das neue Gästehaus (rechts) auf dem Würzburger Steinberg. (Foto: Bergmann)

23.11.2012

Ein Hotel, das nur von der Ferne betört

Neues Bauen im weltberühmten Würzburger Steinberg

Als Weinlage ist der Steinberg so berühmt wie als Stadtprospekt und neben der Marienfeste und Balthasar Neumanns Käppele ein Wahrzeichen Würzburgs, so schon in den Stichwerken des vorletzten Jahrhunderts. In Erinnerung an eine nur kurz existierende mittelalterliche Burg am Stein entstand 1897 an der Stelle ein Restaurant im Kostüm eines romantisch gedachten Mittelalters, angelehnt an die Burg Lichtenstein, das Wahrzeichen der schwäbischen Romantik, entworfen von Carl Alexander Heideloff nach der Vorlage aus Wilhelm Hauffs gleichnamigen Roman. Nach der Zwangsversteigerung im Jahr 1937 fiel die Steinburg in Teilen dem Umbau zum Hotel zum Opfer und büßte mit der Niederlegung des Turms den Schein der Ritterburg ein.
Trotz der Veränderungen blieb das Ensemble aus zinnenzackigem Alten und auf alt Gemachtem einer stringenten Inszenierung verpflichtet und empfiehlt sich von weitem als weinselige Vedute über schraffierten Rebenspalieren. Dabei ist sie ganz auf Fernwirkung angelegt, denn aus der Nähe erscheint manches Detail zu dick aufgetragen, ganz wie Theaterschminke.
Diesem denkmalgeschützten Bühnenbild aus Geschichte und Kitsch ein neues Gästehaus zur Seite zu stellen, war insofern beileibe kein einfaches Geschäft. Was allerdings das Würzburger Büro „mayarchitekten“ in den Weinberg geplant hat, verdient das Prädikat „minimalistisch“ allein hinsichtlich der gestalterischen Leistung. Die messerscharfkantigen düsteren Schachteln mit ausrasierten dunklen Rechtecköffnungen gingen gut als Residenz von StarWars-Bösewicht Darth Vader durch. Damit wurde an einer der prominentesten Stellen Würzburgs erneut jenes bauliche Leitbild zelebriert, das seit Jahren den Stadtraum umpflügt.
Die Gästezimmer sind gewiss luxuriös und bieten beeindruckende Ausblicke. Aber Gebäude sind auch Teil des öffentlichen Raums, insofern ihrer Umgebung und der Allgemeinheit verpflichtet. Fenster sind die diaphanen Membranen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen. Deshalb widmeten diesen wichtigen Elementen selbst die schlimmsten Mietskasernen der Gründerzeit besondere Gestaltungssorgfalt. An jedem Glaspalast lässt sich wiederum studieren, dass große Glasflächen von außen besehen nicht transparent sind, sondern verschatten und reflektierend schwarz wirken. Aber auch aus der Nähe gibt sich der Hotelbau düster und wenig einladend.
Dieser Neubau ist sich selbst genug. Er rezipiert nichts von dem, was die Architektur dieser Stadt einmal berühmt machte: Nicht schwer und klotzig zu bauen, nicht trist, nicht kalt oder vulgär. Wie sich diese unverhohlene Idiosynkrasie mit dem Denkmalschutz verträgt, bleibt das Geheimnis der Genehmigungsbehörde.
Doch es wird auf dem Steinberg nicht die einzige Bausünde bleiben. Demnächst soll eine Aussichtsplattform in den Hang betoniert werden, um damit einen von zwölf „magischen Orten des fränkischen Weines“ zu vermarkten. Da wundert man sich schon, wie ohne solches neudeutsch „Wine Profiling“ genanntes Marketinggetöse der Würzburger Stein weltberühmt werden konnte. Zudem bietet er überall eine beeindruckende Fernsicht und darüber hinaus schon sechs bebaute Aussichtspunkte, wie den Bismarckturm von 1905. In der Nachbarschaft dieses Monuments soll die Aussichtsplattform wie ein Sporn aus dem Hang ragen. Glaubt man den Modellfotos, dann wird sie gegen den Turm geradezu leichtfüßig und harmlos wirken.
Da allerdings die Halbwertszeiten solcher Marketinggags immer kürzer werden, bleibt absehbar, wann das neue Monument der Spaßgesellschaft seine Anziehungskraft verliert. Was demnächst aus Steuermitteln gebaut wird, lässt sich dann – wieder aus Steuermitteln – immerhin restlos entsorgen. Eine Bereicherung erfährt die Silhouette des Steinbergs mit den mutlosen Neubauten jedenfalls nicht. Denn auch die Idee der Aussichtsplattform ist nicht originell.

Die Stadt hat wichtigere Gestaltungsprobleme


Seit der Eröffnung des „Grand Canyon Skywalk“ im Jahr 2007 träumen Touristiker allenthalben von solchen Bauten. Obwohl die Würzburger Sparvariante bescheiden ausfallen soll, formiert sich Widerstand. Dabei hat die Stadt viele wichtigere Gestaltungsprobleme. Da ist zum Beispiel der geplante Abriss stadtbildprägender Baudenkmäler: Das Hochhaus in der Augustinerstraße aus dem Jahr 1930 soll einem Allerweltsneubau weichen, das bedeutende Fünfziger-Jahre-Ensemble der Mozartschule nahe der Residenz einem Einkaufszentrum oder die Frankenhalle von 1928 nahe dem Kulturspeicher, der es mit gravierenden konstruktiven Mängeln ins aktuelle Schwarzbuch der Steuerzahler schaffte.
Der Machtwechsel im Rathaus hat bisher nicht dazu geführt, dass endlich ein schlüssiges städtebauliches Leitbild kurzlebige Marketingstrategien ablöst.
(Rudolf Maria Bergmann)

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