Bauen

Die restaurierten Fachwerkhäuser stehen unter Denkmalschutz. (Foto: Sabine Neumann)

15.12.2016

Ein Ort unter Denkmalschutz

64 Fachwerkhäuser gehören zur „Alten Freiheit Westerholt“

Mitten im Ruhrgebiet umgeben von Feldern, Wäldern und Wiesen liegt idyllisch zwischen Recklinghausen und Gelsenkirchen-Buer das kleine Dorf „Alte Freiheit Westerholt“. Mit seinen 64 Fachwerkbauten, einer Kirche und einem Schloss steht dieser kleine Ort komplett unter Denkmalschutz.
Der Name Westerholt ist zusammengesetzt aus den Begriffen Holt und Westen = Holzwald im Westen von Recklinghausen und tauchte erstmals namentlich um 799 als „Holta“ Bauernhof der Abtei Werden in der Geschichte der „Alten Freiheit“ auf. 1421 lebten in den bereits entstandenen 45 Fachwerkhäusern 300 Einwohner, die besondere Privilegien genossen: persönliche Freiheit der einzelnen Bewohner, Vererbung des Eigentums, regelmäßiges Markttreiben, Ortsbefestigung und eine eigene Verwaltung.
Im 16. Jahrhundert stoppten die Kriegsgeschehnisse und Pest die wirtschaftliche Weiterentwicklung der „Alten Freiheit Westerholt“. Doch die Bewohner kämpften um ihr Dorf: So bauten sie zum Beispiel unter Verwendung der alten Holzbalken und Steine ihr zerstörtes Dorf nach und nach wieder auf. Ferner entstanden Armenhaus und Schule für die Kinder; die Freiheitspforte wurde restauriert. Das Geld stammte aus dem Verkauf von Westerholter Tuchen: Viele Familien waren als Tuchmacher, Weber oder Flachsbauern tätig und lebten von der Herstellung und dem Vertrieb von Woll- und Tuchprodukten. Zahlreiche Männer des Dorfs zogen als Kiepenkerle durch das Münsterland und die benachbarte Niederlande. Auf ihrem Rücken trugen sie eine große Kiepe (meist ein Weidenkorb) in dem sich die Tuchware für den Kunden befand.

Sehr aufwendig gestaltete Fassade an der Ostseite


Mittelpunkt des historischen Ortskerns der „Alten Freiheit“ sind das Schloss Westerholt und die Kirche St. Martinus, die aus dem 14. Jahrhundert stammt. 1047 wurden die Grafen von Westerholt erstmals namentlich genannt. Ihre Wasserburg hatte einen Wall, eine Doppelgräfte und zwei Tore. Leider fiel dieses Gemäuer einem Brand zum Opfer, sodass 1830 an gleicher Stelle Schloss Westerholt im klassizistischen Stil erbaut wurde. Von der alten Burg blieben nur noch die Wassergräben übrig.
Schloss Westerholt besteht aus drei von Osten nach Westen hintereinanderliegenden Schlossinseln, die von einem typischen englischen Landschaftsgarten umschlossen werden. Die westliche Insel ist mit Rasen begrünt; dort befand sich früher der schlosseigene Nutzgarten. Über eine gemauerte Bogenbrücke gelangt man auf die mittlere Schlossinsel, auf deren Südseite sich das Vogelhaus befindet – ein zweigeschossiger nackter Ziegelbau mit Satteldach. Hier wohnt die gräfliche Familie seit 1955. Ursprünglich diente dieser Bau als Ersatzquartier für die ornithologische Sammlung von Wilhelm Ludwig von Westerholt, der dieses Vogelhaus von dem Essener Architekten Carl Wilhelm Theodor Freyse bauen ließ.
Am Eingang des Gebäudes befindet sich ein Wappenstein mit der Zahl 1717, der noch zu dem nicht mehr bestehenden Orangeriegebäude gehörte. Die dort symmetrisch angelegten Wege erinnern noch an den ursprünglichen Barockgarten. Die Vorburg stand früher auf der Ostseite der drei Schlossinseln; heute befindet sich hier das Schloss als zweigeschossiger Putzbau mit einem Walmdach aus Ziegeln. Die Fassade an der Ostseite ist sehr aufwendig gestaltet worden: dreiachsiger Mittelrisalit mit vier Pilastern korinthischer Ordnung und Kapitelle aus Naturstein. Das Portal, zu dem eine Freitreppe führt, hat drei Türen.
 Um 1904 nahm der damalige Schlossherr einige bauliche Veränderungen an seinem Anwesen vor; die Ostseite des Schlosses erhielt zum Beispiel einen Giebel. Von 1867 bis 1870 wurden die an der Nordseite der Vorburginsel stehenden Nebengebäude durch entsprechende Neubauten ersetzt. Erhalten blieb allerdings der Bau an der Nordost-Ecke, das sogenannte Bureau des Landrathes. In dem 1833 errichteten Herrenhaus befindet sich heute ein Hotel; die dazugehörigen Nebengebäude beherbergen Restaurant und Café.
In unmittelbarer Nähe befindet sich auch die ehemalige Pfarrkirche St. Martinus, die 1310 erbaut wurde. Der spätgotische Backsteinsaal stammt aus dem 15. Jahrhundert. Im Laufe von vielen Jahren wurden einige Umbauten an dem Gotteshaus vorgenommen: So wurde 1658 ein neues Kirchenschiff gebaut, das wiederum 1907 bis auf eine Achse abgebrochen und dann als Empore umgebaut wurde. Der Kirchturm wurde 1696 erneuert.
In unmittelbarer Nähe dieser kleinen Siedlung mit seinem Schloss und der Kirche hat auch der im Ruhrgebiet angesiedelte Bergbau seine Spuren hinterlassen: 1907 entstanden außerhalb der „Alten Freiheit“ die Zeche Westerholt mit ihren Verwaltungsgebäuden, Bahnanlagen und Bergmannssiedlungen, die man auch als Kolonie bezeichnet.
Die Zeche war das letzte fördernde Steinkohlebergwerk in Gelsenkirchen-Hassel und ist bis heute noch erhalten geblieben. Regelmäßig finden hier Führungen statt. (Sabine Neumann) (Die ehemalige St. Martinuskirche ist eine Bauruine und Schloss Westerholt - Fotos: Sabine Neumann)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.