Bauen

Das neue Pfarrzentrum. (Foto: Florian Holzherr)

28.07.2016

Ein Stahlbeton-Massivbau

Neubau des Pfarrheims Herz Jesu in Ingolstadt

Und die Wände sollen wirklich so bleiben...?“ fragte eine zweifelnde Stimme aus der Gruppe der Interessierten, die sich für eine Führung durch den Rohbau des Sichtbetonbaus eingefunden hatten.
Das Projekt, Neubau Pfarrheim Herz Jesu in Ingolstadt, ging aus einem Wettbewerb als Mehrfachbeauftragung hervor, den das Diözesanbauamt Eichstätt initiiert hatte. Auch wenn die Arbeit von bodensteiner fest architekten stadtplaner einstimmig für den ersten Platz ausgewählt wurde, war es in der weiteren Abstimmung stellenweise nicht ganz leicht, die Kirchengemeinde für ein so modernes, minimalistisches Konzept zu begeistern. Die eingangs zitierte Frage mag eine Vorstellung der anfänglichen Vorbehalte geben. Nach der Überarbeitung der Betonflächen und in Kombination mit den Holzeinbauten sowie dem Holzboden erhielt der Sichtbeton ungeteilte Zustimmung.
Die städtebauliche Komposition des Neubaus stellt der unter Denkmalschutz stehenden Kirche mit Glockenturm einen klaren, minimalistischen Baukörper zur Seite und fügt sich als neuer Teil in das bestehende Ensemble ein. Gegenüber den umgebenden Einfamilienhäusern setzt sich der kirchliche Komplex in Materialität, Farbe, Erscheinungsbild und Dachform deutlich ab. Der als offenes Haus konzipierte Neubau ersetzt den in der Nachkriegszeit als Notkirche gebauten und später als Pfarrheim genutzten Vorgängerbau. Geprägt wird das klar strukturierte Gebäude durch ein minimalistisches Materialkonzept von Glas, Holz und Beton, außer dem Schwarzstahl der Beschläge findet man in dem Gebäude kaum weitere Materialien. Im Wettbewerb war das Pfarrheim noch näher an den Bestand herangesetzt und damit stärker in den bestehenden Umgang eingefügt. Es war vorgesehen, gleichzeitig den Innenhof zur Straße hin zu öffnen und einen neuen überdachten Vorbereich gemeinsam für die Kirche und das Pfarrheim zu schaffen. Aufgrund des Einspruchs des Amts für Denkmalpflege war es notwendig, die Gebäudeposition und die Erschließung umzuplanen. Um die Unterhaltskosten angesichts schrumpfender Kirchenmitgliederzahlen zu reduzieren, wurde vereinbart, lieber kleiner und dafür hochwertiger zu bauen. Das im Wettbewerb bereits angelegte Konzept von Funktionsüberlagerungen und Mehrfachnutzungen zur Reduzierung des Flächenbedarfs wurde in der Bearbeitung weiter ausgefeilt. Im Zuge der Einsparungsbemühungen entstand dann auch die Idee, anstatt eines eigenen Garderobenraums das Foyer als Garderobe mit zu nutzen. Hierfür haben die Architekten gemeinsam mit dem Münchner Metallgestalter Sebastian Hepp Garderobenklapphaken aus Schwarzstahl entwickelt, die eingeklappt flächenbündig in der Betonwand des Foyers verschwinden. Sowohl die städtebauliche Setzung des Neubaus entlang der Straße als auch die Öffnung des Saals zum öffentlichen Raum signalisieren ein offenes, einladendes Haus. Während der Saalkubus im Obergeschoss komplett geschlossen bleibt, ermöglichen wandartige Träger großzügige stützenfreie Ausblicke im Erdgeschoss. Gestaltungsprinzip sind die an den Außenecken – zum Teil übereck – angeordneten Öffnungen, die die Fassade nach dem Figur-Grund-Prinzip gliedern. Im kleinen Saal im Obergeschoss wiederholt sich die Übereckverglasung vertikal in Form einer Überkopfverglasung. „Wir öffnen den Blick zum Himmel“, kommentiert Pfarrer Klaus Meyer dieses Detail. Aktivitäten im Inneren werden im Straßenraum sichtbar, ein Sichtschutz wird je nach Bedarf durch Vorhänge oder Sonnenschutzlamellen ermöglicht. In Anlehnung an die denkmalgeschützte Kirche des Ingolstädter Architekten Hans Zitzelsberger von 1963 ist Beton der Baustoff, der den Charakter des Gebäudes bestimmt. Im Inneren wird der helle Sichtbeton der Wände, der Decken und der Treppe mit dem silberfarbenen Eichenholz der Türen, Wandverkleidungen, Einbaumöbel und dem Eichenparkett kombiniert. Verbunden mit einem zurückhaltenden, fein abgestimmten Farbkonzept verleiht es den Räumen eine ruhige und warme Ausstrahlung.

Gebäude ohne Unterkellerung


Das Gebäude ist als Stahlbeton- Massivbau ohne Unterkellerung konzipiert. Es bietet im Erdgeschoss neben einem Foyer, Sanitär- und Nebenräumen einen Saal mit Küche und Veranstaltungstechnik, im Obergeschoss einen kleinen Saal, zwei Gruppenräume und die Technikzentrale. Über den Seiteneingang, der an den überdachten Umgang angebunden ist, ist das Erdgeschoss barrierefrei erschlossen. Der Saal im Erdgeschoss ist teilbar, für die seltenen Großveranstaltungen kann der kleine Saal im Obergeschoss über eine mobile Trennwand als Galerie zugeschaltet werden. Die im Erdgeschoss auf ganzer Länge vorgelagerte Terrasse erweitert den Saal in einem fließenden Übergang nach außen und kann für Veranstaltungen und Feste zusätzlich aktiviert werden.
Um Sichtbetonoberflächen realisieren zu können, sind neben Elektroinstallation und Einbauleuchten auch die Lüftungsleitungen in die Geschossdecken integriert. Für die Planung bedeutete dies, zu einem frühen Zeitpunkt sehr exakt Positionen und Einbauteile festzulegen – wie zum Beispiel die in die Decke flächenbündig eingelassenen Schienen für mobile Trennwände. Das Gebäude wird über einen Gas- Brennwertkessel mit Wärmerückgewinnung beheizt und ist mit einer Fußbodenheizung ausgestattet. Die Zuluft wird im Saal über Weitwurfdüsen, in den Gruppenräumen über Deckenauslässe eingeblasen, die Absaugung im Saal erfolgt über eine Fuge an der Wand-Holzverkleidung beziehungsweise wird in den Gruppenräumen über Bodenkanäle abgeführt. Das Flachdach ist für die Installation von Photovoltaik-Elementen vorgerüstet.
Nach 16 Monaten Bauzeit konnte das neue Pfarrheim der Kirchengemeinde übergeben werden.
(Annette Fest) (Das Foyer, der Saal und der Gruppenraum - Fotos: Florian Holzherr)

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