Bauen

Blick über den Landwehrkanal auf das Berliner Bauhaus-Archiv. (Foto: Wiegand)

20.04.2018

Ein tolles Gebäude, das aus allen Nähten platzt

In Berlin wird das bestehende Bauhaus-Archiv saniert und erweitert, weil das alte zu klein ist

Das Bauhaus wird 100 und das wird im kommenden Jahr international gefeiert. Zu verdanken ist dieses Jubiläum Walter Gropius, der 1919 in Weimar das Staatliche Bauhaus gründete, eine Kunstschule, konzipiert für die Verbindung von Architektur, Handwerk und Formgebung (Design).
Als das Bauhaus 1925 nach Dessau umzog, wurde auch dort sogleich gebaut. Schon am 4. Dezember 1926 konnte das von Gropius entworfene Bauhaus eingeweiht werden. Das geometrische, zur Straße völlig verglaste Gebäude wurde bald weltbekannt und zum Wegbereiter moderner Architektur in Europa und Übersee. Die momentanen posthumen Geburtstagsgaben für Gropius können sich sehen lassen. Bauhausgebäude werden denkmalgerecht saniert und durch Erweiterungs- oder Neubauten ergänzt, um die inzwischen stark angewachsenen Sammlungen adäquat zu lagern und in heutzutage üblicher Art und Weise zu präsentieren. Im Thüringischen Weimar hat man das Bauhaus Museum – untergebracht in einer ehemaligen Kunsthalle am Theaterplatz – bereits abgerissen. Dort wird ein neuer, höchst moderner Museumsbau errichtet. In Sachsen-Anhalt entsteht das „Bauhaus Museum Dessau“ für all’ die Schätze, die im bisherigen Bauhaus nur umschichtig gezeigt werden konnten. In Berlin macht man beides, hinkt aber berlintypisch hinterher. „Das Projekt wurde viel zu spät ausgeschrieben“, sagt Volker Staab, Chef des Architekturbüros Staab-Architekten, das 100 Mitarbeiter beschäftigt und sich auch in Bayern einen Namen gemacht hat. Staab erhielt bereits den BDA-Preis Bayern und hat mit seinem Team das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt sowie das Neue Museum Nürnberg geplant. Für die Erweiterung des Bayerischen Landtags bekam er den Preis für Stadtbildpflege der Stadt München. Das Berliner Bauhaus-Vorhaben konnte er wegen der späten Ausschreibung erst Ende 2016 in Angriff nehmen.

Am Landwehrkanal gebaut

Hinzugefügt sei, dass schon das jetzige Bauhaus-Archiv Berlin ein „Zuspätkommer“ war. Walter Gropius (1883 bis 1969) wurde hier nicht mehr selbst tätig. Außerdem galt sein Entwurf von 1964 einem Vorhaben auf der Darmstädter Rosenhöhe, konnte dort aber politisch nicht durchgesetzt werden. Der Berliner Senat nutzte die Chance und stellte Gropius das von ihm selbst ausgewählte Grundstück am Landwehrkanal zur Verfügung. 1971, nach seinem Tod, wurde der Sitz des Bauhaus-Archivs nach Berlin verlegt und 1976 mit dem Bauen begonnen. Die Leitung übernahmen der frühere Gropius-Mitarbeiter Alex Cvijanovic und der Berliner Architekt Hans Bandel. Da das Gelände – anders als das in Darmstadt – flach war, haben beide den Gropius-Entwurf den neuen Gegebenheiten angepasst und außerdem eine geschwungene Zugangsrampe angefügt. Überdies wurde aus „städtebaulichen Gründen“ das Gebäude gedreht. Die Eingriffe in das Konzept von Walter Gropius entschuldigt das nicht. Wie bei Museumsbauten üblich hatte Gropius die Ausstellungsfläche wegen des gleichmäßigen Lichteinfalls gen Norden ausgerichtet. Beim Berliner Bauhaus-Archiv zeigt die markante Fensterfront jedoch gen Süden mit der Folge, dass diese abgeklebt werden musste, um die Exponate nicht durch Licht zu beschädigen. Weitgehend original blieben jedoch der Baukörper und vor allem die charakteristischen, von Gropius entworfenen Türme mit den Sheddächern. Die sind so zu sagen das Wahrzeichen des Berliner Bauhaus-Archivs. Bevor die jetzigen Baumaßnahmen beginnen und das Gebäude für einige Jahre geschlossen ist, wird der Abschied gefeiert. Noch bis zum 29. April ist (außer Dienstag) „Open House“ mit täglichen Führungen und zahlreichen Veranstaltungen angesagt. Alles kostenlos. Das alles wird gerne angenommen, doch einige Blicke vorab über den Landwehrkanal hinweg auf das weiße Gebäude sollte niemand verpassen. Auf dem schmalen Spazierweg am Wasser entlang kommen alle direkt an der bemerkenswerten Fensterfront vorbei. Wer früher schon im Gebäude gewesen ist, schaut nun drinnen überrascht und begeistert in die leer geräumten Ausstellungsräume. Die Fenster sind freigelegt, die Frühlingssonne scheint hinein. Der Gropius Genius erwacht hier zu neuem Leben. Das soll laut Volker Staab auch so bleiben. Die Bibliothek und das Archiv werden hier Platz finden. An Veranstaltungen ist ebenfalls gedacht. Die lichtempfindlichen Objekte kommen dagegen in den abgedunkelten, halb unterirdischen Erweiterungsbau auf einem tiefer gelegten Sockelgeschoss beziehungsweise abgesenkten Hof. Nach Stabs Worten schafft das eine Verbindung zwischen dem neuen und dem alten Museumsfoyer, ohne den Blick auf den Gropius-Bau zu beeinträchtigen. Dass man so nahe am Landwehrkanal dabei auf den Grundwasserspiegel achtgeben muss, ist für Staab selbstverständlich. „Vielleicht müssen wir für diese Gebäudeteile eine Wanne bauen.“

Fläche wird verdreifacht

Generell betrachtet ist diese Erweiterung dringend nötig, besitzt doch das Berliner Museum die weltweit größte Bauhaus-Sammlung. Für die war auf den rund 700 Quadratmetern im Gropius-Archiv viel zu wenig Raum. Der 2300 Quadratmeter große Erweiterungsbau bietet das Dreifache an Fläche. Eine Besonderheit ist der fünfstöckige gläserne Turm, der als Haupteingang dient. Nahebei finden sich dann auch das ausgelagerte Bauhaus-Café und der Shop. „Einige Kritiker sehen in diesem Glasturm eine Abkehr von der weißen geradlinigen Bauhaus-Architektur. Das ist nicht der Fall“, sagt Staab. „Bauhaus bedeutet Licht und überdies Lehre, Experiment und Diskutieren“. Der Glasturm, der leicht schräg steht, wird von einem ganz feinen, computerberechneten Stahlskelett gehalten. „Damit sind wir – eigentlich ganz gropiusgemäß – im digitalen Zeitalter angekommen“, sagt lächelnd Staab. Überdies werden in dem Turm Räume für Museumspädagogik, ein digitales Studio und eine Lounge, passend für Diskussionsveranstaltungen mit bis zu 100 Teilnehmern, Platz finden. Das alles verwirkliche, was Bauhaus eigentlich bedeutet, meint Staab. Aus der Lounge betrachtet, liegt dann der Bau von 1979 den Besuchern fast zu Füßen – eine ganz neue Perspektive. Auch das passt zum Bauhaus-Vermächtnis. Bis aber alles Realität wird, fließt noch viel Wasser durch den Landwehrkanal. Nur Weimar wird 2019 sein neues Bauhaus-Museum einweihen können, Dessau wohl nicht. 2021/2022 lautet Stabs Schätzung für das Berliner Vorhaben. Immerhin – Vorfreude ist bekanntlich die größte Freude.
(Ursula Wiegand) (Die Türme mit den Shedddächern; die charakteristische Fensterfront und der künftige Glasturm - Fotos (2) Wiegand/Staab Architekten)

Kommentare (1)

  1. ArchiFan am 08.05.2018
    Eine Korrektur möchte ich anfügen. Das ehemalige Bauhausmuseum in Weimar ist nicht abgerissen worden. Das 1823 von Clemens Wenzeslaus Coudray als Wagenremise für das Wittumspalais errichtete Gebäude steht unter Denkmalschutz. Es prägt den Weimarer Theaterplatz und diente dem Nationaltheater auch schon als Kulissenhaus. Nun bekommt es eine neue Nutzung als Museum für die Weimarer Republik, die im Theater gegenüber begründet wurde. Der Neubau des Bauhausmuseums Weimar nimmt hingegen eine Position am Gauforum ein und positioniert sich mit dem neuen Standort zu dieser späteren Zeitschicht der Moderne in der Stadt.
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