Bauen

Schallabsorbierende Farbspiele: die Rotunde in der neuen Empfangshalle leuchtet in immer neuen Farben. (Foto: Massimo Fiorito)

30.09.2011

Filigrane Fassade

Neubau der Müller-BBM Gruppe in Planegg

Südwestlich von München, in Planeggs Gewerbegebiet Steinkirchen, steht der lang gestreckte Neubau der Müller-BBM Holding AG, die damit ihren Hauptsitz erweitert hat. In der Unternehmensgruppe Müller-BBM sind Ingenieurgesellschaften für Dienstleistungen in den Bereichen Bau, Umwelt und Technik, für die Entwicklung von akustischen Messsystemen mit Schwerpunkt Automobilindustrie sowie Luft- und Raumfahrttechnik und für das Engineering von Schallschutzsystemen insbesondere für den industriellen Anlagenbau zusammengeschlossen.
Der stattliche Bau in Naturstein-, Glas- und Metalloptik bietet Platz für 150 zusätzliche Büros, das Betriebsrestaurant, Hörsäle, Besprechungszimmer und eine großzügige Lobby. Das Besondere: Die Experten der Ingenieurgesellschaft Müller-BBM GmbH waren an der Objektplanung selbst beteiligt. Anhand ihres eigenen Baus zeigen sie, wie sie thermische Behaglichkeit schaffen, Hörsäle flexibel nutzbar machen und die Akustik durch Kunst verbessern.
Im neuen, ebenerdigen Betriebsrestaurant fällt das Licht durch bodentiefe Glasfronten, während sich die ersten Mitarbeiter beim kleinen Frühstück am Stehtisch kurz austauschen. „Mit einem größeren und schöneren Betriebsrestaurant wollten wir die Arbeitsatmosphäre für unsere Mitarbeiter attraktiver gestalten“, sagt Rolf Michelsen, Vorstand der Müller-BBM Holding AG. Ausschlaggebend für den neuen Baukomplex war jedoch das deutliche Wachstum der Müller-BBM Gruppe in Planegg. Dadurch mangelte es nicht nur an Büros. „Der alte Hörsaal war zu eng, die Besprechungszimmer zu klein“, zählt Michelsen auf. Der Entwurf der Münchner Architekten Brechensbauer Weinhart + Partner lieferte die Idee für einen Neubau, der sich harmonisch in den bestehenden Gebäudekomplex einfügt.


Weiße Rotunde


Bei der Umsetzung kam es dann zu einer besonders intensiven Zusammenarbeit zwischen dem Bauherrn und seinem Architekten. „Wir wollten unsere eigenen Ingenieure beteiligen“, sagt Michelsen. „Die Leistungen, die wir unseren Kunden im Baubereich anbieten, sollen auch hier zur Geltung kommen. Dazu gehören die Bereiche Thermische Bauphysik, Schallschutz, Bauklimatik, Fassadentechnik, Brandschutz, Bau- und Raumakustik sowie die Medientechnik für die Hörsäle und die Besprechungsräume“. Dass sich nun zwei Personen im vollbesetzten Betriebsrestaurant ohne störende Halleffekte unterhalten können, auch dafür haben die zum Unternehmen gehörenden Ingenieure und Akustiker selbst gesorgt. So wurde beispielsweise die Decke vollflächig abgehängt mit schallabsorbierendem Material.
Doch die Akustiker des Unternehmens, das 1962 als „Schalltechnisches Beratungsbüro“ in München begonnen hat, gaben sich mit der Konstruktion schallschluckender Decken nicht zufrieden. So prägt ein ungewöhnliches Lichtobjekt die elegante Erscheinung der Empfangshalle, das die manchmal unterschiedlichen Anforderungen von Architektur und Akustik ideal verbindet. Während Architekten, wie Müller-BBM Akustiker Elmar Schröder es scherzhaft zuspitzt, weiße, glatte und fugenlose Wände lieben, haben Akustiker im Extremfall von Löchern und Schlitzen geprägte Absorber im Sinn. Müller-BBM hatte jedoch, gemeinsam mit einem Kunden, bereits vor zehn Jahren ein lichtdurchlässiges Gewebe entwickelt, das auch Schall absorbieren kann. Durch die fortgeschrittene LED-Technik wurde es inzwischen auch möglich, das Material gefahrlos zu hinterleuchten. So entstand neben dem Empfangstresen eine auffallende Rotunde aus weißem Gewebe mit einem Farbspiel aus langsam wechselnden Regenbogentönen.
Auch bei anderen Räumlichkeiten fanden die Ingenieure Lösungen, mit denen sich Anforderungen aus zwei Bereichen geschickt verbinden ließen. So sind zum Beispiel die massiven Betondecken thermoaktiv und übernehmen damit zu einem maßgeblichen Teil die Beheizung und Kühlung des Gebäudes. Die Wärme- und Kälteerzeugung erfolgt ressourcenschonend über eine Grundwasser-Wärmepumpe. Zusammen mit der gut wärmegedämmten Gebäudehülle ein sehr energieeffizientes Konzept. Für die Raumakustik wiederum sorgen in den Räumen mit thermoaktiver Decken spezielle abgependelte Deckensegel, die Schall absorbieren und gleichzeitig auch die Beleuchtung aufnehmen.
Dass auch die elegante Fassade ressourcenschonend geplant wurde, für Sonnenschutz ebenso wie für Wärmeschutz gesorgt ist, auch das ist den Kompetenzen der Bauphysiker von Müller-BBM zu verdanken. Die Ingenieure des Unternehmens konnten hier, wie auch bei der Planung des Brandschutzes, der Länge von Rettungswegen, Treppenbreiten, Lage von Notausgängen ihren Architekten Claus Weinhart bestens unterstützen. „Das ist nicht außergewöhnlich“, sagt Stefan Schierer, Geschäftsführer des Bereichs Bau. „Wir haben das organisiert, wie bei unseren großen Kundenprojekten und mit Mitarbeitern aus den verschiedenen Fachgebieten ein interdisziplinäres Team gebildet.“

Viele kleine Mikrofone


Besonders knifflig wurde es bei der Fassadenkonstruktion. Der Architekt habe einen besonders filigranen Entwurf vorgelegt, was wenig Raum für Befestigungen und Schallschutz gelassen habe, erinnert sich Prokurist Bernd Grözinger, der das Projekt maßgeblich betreut hat. „Eine Fassade über zwei Geschosse mit ganz schlanken Profilen – das war schon eine Herausforderung.“ Zumal die Fassade Betriebsrestaurant und Hörsaal verbindet, sich jedoch keine Geräusche von einem in den andern Raum übertragen sollten.
Beim Hörsaal handelt es sich um einen großen oder drei kleine Räume, je nach Einsatz der mobilen Trennwände. Die Medientechnik lässt sich den Anforderungen der Nutzer anpassen. Von hier aus werden zum Beispiel zentral die internen Informationsveranstaltungen in die elf bundesweiten Niederlassungen des Unternehmens übertragen. Außerdem ist in den Wänden bereits das in der Firmengruppe selbst entwickelte elektronische Akustiksystem „Vivace“ versteckt. Eine Vielzahl unsichtbar verbauter kleiner Mikrofone und Lautsprecher kann hier den Schall beeinflussen. Damit kann sowohl ein gesprochenes Wort verständlicher werden als auch, für musikalische Darbietungen, der akustische Eindruck eines Konzertsaals erzeugt werden.
Der Weg zum Hörsaal führt über eine zweiläufige Treppe. Blickfang im offen gestalteten Aufgang ist ein etwa zehn Quadratmeter großes Bild in roten und dunklen Tönen. Es stammt vom bayerischen Künstler Peter Lang. Der für seine großformatigen Landschaftsbilder bekannte Maler überlagert seine ursprünglichen Motive durch Spritzeffekte mit einer farbgetränkten Schnur, so dass sich für den Betrachter ein Bild hinter dem Bild verbirgt. Müller-BBM hat in Zusammenarbeit mit dem Künstler sozusagen noch eine Ebene hinzugefügt und das Kunstwerk „akustisch aktiviert“. Ausgestattet mit Polyesterfaservlies wirkt es wie ein Folienresonator. (BSZ)

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