Bauen

Dieter Räsch, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingeneiurekammer-Bau. (Foto: B. Gleixner)

21.02.2018

„Frühzeitige und geschickte Planung“

Kammer-Kolumne: Dieter Räsch, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingeneiurekammer-Bau, über „Barrierefreies Wohnen: Investition in die Zukunft?“

Die demographische Entwicklung in Deutschland weist eine deutliche Alterung der Gesellschaft aus. Nach aktuellen Statistiken werden im Jahr 2060 etwa 13 Millionen Deutsche zwischen 65 und 80 Jahre und weitere neun Millionen über 80 Jahre alt sein, was zukünftig insgesamt rund 33 Prozent der Bevölkerung ausmachen wird. Es ist somit erforderlich, bereits heute auf die Anforderungen an das Wohnen für eine immer älter werdende Gesellschaft zu reagieren. Wird es also ausreichen, in Neubauten mit mehr als zwei Wohnungen als Mindestanforderung nur die Wohnungen eines einzigen Geschosses barrierefrei erreichbar auszuführen, wie es seit 2007 im Artikel 48 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) gefordert wird? Nehmen wir als Beispiel ein vierstöckiges Wohngebäude mit drei Wohnungen pro Geschoss und einer Wohnung im Dachgeschoss: Genügt es dann wirklich, wie bauordnungsrechtlich gefordert, lediglich eine Wohnung und damit nur ein Fünftel der Wohnungen barrierefrei auszuführen? Dies erscheint in Anbetracht der oben genannten Zahlen nicht ausreichend.

Ausreichend große Bewegungsflächen

Mit der Einführung der DIN 18040 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 2: Wohnungen“ werden seit 2013 Möglichkeiten für die Umsetzung des barrierefreie Wohnens aufgezeigt. Das Ziel der Norm ist in erster Linie die Herstellung barrierefreier baulicher Anlagen für Menschen mit Behinderung. Sie berücksichtigt unter anderem die Bedürfnisse von Personen, die Mobilitätshilfen und Rollstühle benutzen. Daraus ergeben sich aber auch Nutzungserleichterungen für ältere Menschen, Kinder und Personen mit Kinderwagen oder Gepäck. Innerhalb und außerhalb des Gebäudes müssen beispielsweise ausreichend große Bewegungsflächen geschaffen werden, um das Gebäude ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auch für mobilitätseingeschränkte Menschen zugänglich und nutzbar zu machen. Die schwellenlose Erreichbarkeit des Gebäudes von der öffentlichen Verkehrsfläche bis zu den barrierefreien Wohnungen ist darin eingeschlossen. Innerhalb der Wohnungen sind ebenfalls Bewegungsflächen vorgesehen, die ein Drehen und Wenden mit Gehhilfen oder Rollstühlen ermöglichen. Die Türen innerhalb der Wohnung sind schwellenlos auszuführen. Von den in der DIN 18040-2 aufgezeigten Maßnahmen zur Herstellung barrierefreier Wohngebäude profitieren letztendlich nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern beispielsweise auch Menschen mit altersbedingten Mobilitätseinschränkungen.

Bauordnungsrechtlich
nicht zwingend

Bauordnungsrechtliche Forderungen an die Barrierefreiheit beziehen sich aber nicht auf alle Bereiche einer Wohnung oder eines Wohngebäudes. Man kann demnach ein bauordnungskonformes, barrierefreies Wohngebäude herstellen, ohne die barrierefreie Zugänglichkeit zu anderen Geschossen, zum Keller, zur Tiefgarage und zum Freisitz zu gewährleisten. Möglichkeiten, wie eine Barrierefreiheit auch in diesen Bereichen hergestellt werden kann, werden in der DIN 18040-2 zwar aufgezeigt, die entsprechenden Abschnitte sind von der Einführung als technische Baubestimmung aber ausgeschlossen und somit bauordnungsrechtlich nicht zwingend umzusetzen. Aber: Sollte es bei dem heutigen Wissen um die demographische Entwicklung nicht eher das Planungsziel sein, sich weniger an den Minimalanforderungen der BayBO als vielmehr an den zukünftigen Bedürfnissen der Menschen zu orientieren? Bauordnungsrechtlich nicht zwingend vorgeschriebene Anforderungen sollten durch privatrechtlich vereinbarte Ziele und eine frühzeitige, geschickte Planung den benötigten Mehraufwand fördern und wertschätzen. In der EU ist das Umdenken zum barrierefreien Bauen bereits angekommen. Im bisherigen Entwurf der neuen EU-Norm DIN EN 17210 zum barrierefreien Bauen sind jedoch keine konkreten Regelungen zum barrierefreien Wohnen beschrieben. Für die Weiterentwicklung des mit der DIN 18040-2 gelegten Grundsteins zum barrierefreien Wohnen in Deutschland wäre es jedoch wichtig, dass auch hier ähnlich detaillierte Anforderungen gestellt werden.

Kommentare (1)

  1. Barrierefreies Bauen am 05.03.2018
    Sehr geehrter Herr Dieter Räsch,
    ihr Artikel trifft den Nagel auf den Kopf.
    Der Bedarf an wirklich barrierefrei und rollstuhlgerecht gebauter Wohnungen ist heute schon sehr gross. Leider werden potentielle Käufer von Wohnungen, die absolut schwellenfrei bauen möchten, wenn überhaupt, dann nur dem Mindeststandard versucht zufrieden zu stellen. Mit Mindeststandard meine ich das Einhalten der Liste der technischen Baubestimmungen (LTB). Auch bei uns in Baden-Württemberg ist es, bislang immer noch so, dass Freisitz, Keller, Fahrradraum, Wasch-/Trockenplatz, Müllentsorgun, nicht in Paragraf 35 LBO Anlage 7/3 mit aufgenommen wurde. Alle Käufer dieser Wohnungen bezahlen dies Flächen im Kauf/Mietpreis mit.
    Ein schwellenfrei nutzbarer Balkon ist gerade für ältere Menschen, Rollatornutzer u. Rollstuhlfahrer ein deutsches Plus an Lebensqualität. Ich selbst konnte dank meines Architekten, vor 10 Jahren, einen schwellenfreien Balkonübergang mit einer Magnetdoppeldichtung von Fa. Alumat einbauen. Die Tür wurde fachmännisch eingebaut und ist dicht.
    Mit feundlichen Grüßen
    Reiner Schneck
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