Bauen

Josef Poxleitner, Leiter der Obersten Baubehörde. (Foto: OBB)

31.08.2012

"Funktionale und technische Qualität dank innovativer Technologien"

OBB-Kolumne von Josef Poxleitner

Wir haben uns allzu sehr daran gewöhnt, Erfolg an ständig wachsenden Zahlen zu messen. Verkaufsrekorde, Einschaltquoten und Börsenkurse bestimmen unsere Wahrnehmung und nicht selten auch unser Handeln. Langsam verbreitet sich jedoch die Einsicht, dass wir „qualitatives Wachstum“ brauchen. Nicht nur die demographische Entwicklung, die Energiewende und der Klimawandel, auch die Konsolidierung der staatlichen Haushalte verlangen eine Überprüfung und Weiterentwicklung bestehender Strukturen und Standards.
Die Bayerische Staatsregierung erarbeitet deshalb unter Federführung des Umweltministeriums eine Nachhaltigkeitsstrategie. Diese soll dazu beitragen, die hohe Lebensqualität im Freistaat dauerhaft zu erhalten. Der Deutsche Bundestag hat im Dezember 2010 eine Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt“ eingesetzt, die in die gleiche Richtung denkt.
Welche zentrale Rolle dem Bausektor und der Bauverwaltung in diesem auf Qualität gerichteten Veränderungsprozess zukommt, will ich unter fünf Aspekten anhand praktischer Beispiele zeigen.
Um angesichts des knappen Finanzrahmens im Straßenbau die größtmögliche Breitenwirkung zu erzielen, müssen wir beim Ausbau bestehender Straßen den jeweils passenden Standard finden. Die vor kurzem von einer Arbeitsgruppe vorgelegte Broschüre „Kostenbewusstes Planen und Bauen“ unterstützt die Planer dabei, wirtschaftliche und situationsgerechte Lösungen zu entwickeln mit dem Ziel einer deutlichen Verbesserung der Verkehrsverhältnisse an möglichst vielen Strecken. Dies können auch Lösungen unterhalb des von den technischen Richtlinien vorgegebenen Ausbaustandards sein, wenn dabei die Verkehrssicherheit gewährleistet und eine ausreichende Verkehrsqualität erzielt werden.
Bei der Aufstellung des 7. Ausbauplans für die Staatsstraßen haben wir alle erwogenen Projekte nach bayernweit einheitlichen und objektiven Kriterien bewertet. Wir haben den Projektnutzen, zum Beispiel durch Verbesserung des Verkehrsflusses, in Form von Geldbeträgen ermittelt und den Investitionskosten gegenübergestellt. Das Bewertungsverfahren umfasste als weitere, nicht monetäre Komponenten eine Umweltrisikoeinschätzung und eine Raumwirksamkeitsanalyse. Aufgrund der Ergebnisse aller drei Analysen ergab sich eine schlüssige Reihung der Prioritäten. Da nicht für alles, was wünschenswert wäre, Geld da ist, packen wir zuerst die Projekte an, mit denen wir in der Summe den größten Nutzen erzielen.
Die Bayerische Staatsregierung hat mit ihrem Beschluss vom Juli 2011 ehrgeizige Energiestandards bei staatlichen Gebäuden festgelegt: Für Neubauten von Verwaltungsgebäuden, in geeigneten Fällen auch für andere Neubauten, gilt künftig grundsätzlich Passivhausstandard. Bei allen übrigen Maßnahmen im Neubau und Bestand sollen die Anforderungen der Energieeinsparverordnung 2009 an die durchschnittliche Qualität der Gebäudehülle um 3 Prozent unterschritten werden. Wir betrachten für unsere Planungsentscheidungen den gesamten Lebenszyklus und streben robuste und dauerhaft nutzbare, dabei aber auch intelligente Lösungen an. Immer dickere Dämmpakete allein sind nicht der richtige Weg.
Bautechnische Neuentwicklungen, die nicht nach Technischen Baubestimmungen oder allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen beurteilt werden können, bedürfen einer Zustimmung im Einzelfall durch die Oberste Baubehörde. Ein aktuelles Beispiel sind die von einer Baufirma aus der Oberpfalz entwickelten so genannten Hybridtürme für Windenergieanlagen. Ein modulares Baukastensystem ermöglicht Nabenhöhen über Gelände von 100 bis 150 Meter bei einer Gesamtanlagenhöhe einschließlich Rotor von bis zu 200 Metern.
Stahlbetonringe, die beim Aufbau zunächst noch unverbunden sind, werden mit externen Spannbetongliedern über die volle Höhe des Betonturms miteinander und mit dem Fundament verspannt. Für die Herstellung der Stahlbetonringe wird selbstverdichtender Beton der beiden höchsten Druckfestigkeitsklassen verwendet. Die externen Spannbetonglieder bestehen aus einem hochfesten, noch nicht bauaufsichtlich zugelassenen Spannstahl. Für beide innovativen Ausführungen haben wir den Weg frei gemacht mit unseren Zustimmungen im Einzelfall.
Welche Rolle werden die Innenstädte und Ortszentren in den bayerischen Regionen zukünftig spielen? Wo kaufen wir ein? Wo treffen sich Jung und Alt? Wo wohnen Familien, Senioren und Singles? Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen angesichts des demographischen Wandels die Zentren im ländlichen Raum? Mit diesen Fragen setzt sich die Initiative „Leben findet Innenstadt – öffentlich-private Kooperationen zur Standortentwicklung“ der Obersten Baubehörde auseinander. Gestartet 2006 als zweijähriges Modellvorhaben, hat sich die öffentlich-private Kooperation mittlerweile zu einem wirkungsvollen Instrument der Innenstadterneuerung entwickelt.

Der Mensch
steht im Mittelpunkt


In diesen Kooperationen arbeiten Kommunen, Einzelhändler, Handwerksbetriebe, Gastronomen, lokale Unternehmen, Immobilieneigentümer, Kulturschaffende und Bürger an einer gemeinsamen Strategie, um Defizite in den Zentren zu beseitigen. Seit 2008 steht mit dem Bund-Länder-Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ in der Städtebauförderung ein eigenes Programm für Stadt-, Orts- und Stadtteilzentren zur Verfügung. Über 80 bayerische Gemeinden haben die Fördermöglichkeit bereits genutzt.
Wir bauen für die Bürgerinnen und Bürger. Weil breite Akzeptanz unverzichtbar ist, informieren und beteiligen wir die Öffentlichkeit frühzeitig und umfassend. Neue Formen der Bürgerbeteiligung, zum Beispiel das Lenkungsverfahren für den Ausbau der A 3 im Bereich Würzburg und den Planungsdialog für den Ausbau der A 8 Rosenheim-Salzburg, haben ihre ersten Bewährungsproben bestanden. Wir sind offen, in geeigneten Fällen auch andere bisher noch nicht in der Straßenbauverwaltung angewandte Beteiligungsformen wie „Bürgergutachten“ einzusetzen und das Internet verstärkt für aktuelle Planungsinformationen und zur Kontaktaufnahme mit Ansprechpartnern der Straßenbaubehörde zu nutzen.
Zusammen mit neun Kooperationspartnern aus allen Bereichen des Bauwesens haben wir 2005 die Vortragsreihe „Qualität zählt“ gestartet. Architekten und Ingenieure stellen vielbeachtete, aktuelle und innovative Projekte aus ihrer Arbeit vor. Die Qualität der Themen und der Referentinnen und Referenten zieht sich wie ein roter Faden durch alle Veranstaltungen. In den ersten sechs Jahren fanden die Veranstaltungen in der Obersten Baubehörde statt. Seit 2011 ist unsere Vortragsreihe an verschiedenen bayerischen Hochschulen zu Gast. Damit sprechen wir die Architekten und Ingenieure in der Region sowie ein junges akademisches Publikum an.
Mit qualitativ hochwertigem und nachhaltigem Planen und Bauen werden wir den von der Politik vorgegebenen Anforderungen an eine moderne Bauverwaltung gerecht. Für neue Herausforderungen, die sich aus der bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie und den Vorschlägen der Enquetekommission des Deutschen Bundestags ergeben können, sind wir gut gerüstet.  (Der Erweiterungsbau des Bayerischen Landtags im Nordhof wurde im Passivhausstandard errichtet - Foto: Michael Heinrich)

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