Bauen

Der Wärmetauscher. (Foto: Industriefotografie/Werbefotografie – Manfred Bernhard)

27.05.2011

Heizen mit Abwasser

Energetische Gebäudesanierung eines Wohnkomplexes in Straubing

KfW-60, KfW-40, Passiv- und Niedrigenergiehäuser – unsere Gebäude benötigen immer weniger Primärenergie und sind wahre Energiesparwunder durch Wärmedämmung, Mehrfachverglasung, künstlicher Be- und Entlüftung. Dabei wird der verbleibende Energiebedarf vorzugsweise noch mit Solarkollektoren oder Holzhackschnitzel- Heizungsanlagen abgedeckt. All’ dies ist im Sinne des Klima- und Ressourcenschutzes oft sehr sinnvoll und vorbildlich.
Doch was passiert eigentlich mit dem warmen Wasser, das zur kurzzeitigen Nutzung in Duschen, Wannen, Wasch- und Geschirrspülmaschinen mit Temperaturen zwischen 35 und 65 Grad Celsius anfällt und damit einen Energiegehalt zwischen 1,5 und 3,0 kWh je Einwohner und Tag aufweist? Dieses warme Wasser wird verschwenderisch in den Abwasserkanal geleitet.
Dass das nicht so bleiben muss, hat die Stadt Straubing erstmals in Bayern vorgemacht, indem seit Oktober 2010 etwas mehr als 100 Wohnungen in einem Komplex der stadteigenen Wohnungsgesellschaft in der Sudetendeutschen Straße mit der Wärme aus dem Abwasser beheizt werden.
Über eine Pumpe wird das Abwasser dem Kanal entnommen und über einen neuartigen, speziell für Rohabwasser entwickelten Wärmetauscher geführt. In Abhängigkeit von den jeweiligen Randbedingungen können die Wärmetauscherflächen auch direkt im Kanal verlegt werden. Der durch die Wärmetauscher vorerwärmte Wasserstrom wird über eine Elektrowärmepumpe auf die erforderliche Vorlauftemperatur der installierten Fußbodenheizung angehoben, so dass die Wohnungen angenehm temperiert sind.
Auf diese Weise gelingt es, rund 65 Prozent der erforderlichen Heizenergie aus dem Abwasser zu gewinnen. 25 Prozent der Energie müssen in Form von preiswertem Wärmepumpenstrom eingesetzt werden.

Potenzial von fünf Prozent


Lediglich zehn Prozent der Heizwärme sind zur Spitzenlastabdeckung für besonders kalte Tage konventionell über Erdgas abzudecken. Da der Wärmepumpenstrom in Straubing zudem klimaneutral über die Biogasanlage auf der Kläranlage bezogen wird, reduzieren sich die CO2-Emissionen gegenüber einer konventionellen Heizung um rund 90 Prozent.
Die relativ hohen Investitionen in diese Technik amortisieren sich bei konstant bleibenden Gaspreisen innerhalb von rund 15 Jahren. In Abhängigkeit von der Gaspreissteigerungsrate natürlich früher. Somit ist die Abwasserwärmenutzung nicht nur ressourcen- und klimaschonend, sondern auch wirtschaftlich äußerst interessant.
Als technische Randbedingungen für eine wirtschaftliche Abwasserwärmenutzung ist im Wesentlichen ein minimaler Trockenwetterabfluss im Kanal von rund 15 l/s zu nennen sowie ein Heizwärmebedarf von mindestens 150 kW. Somit kommen viele der öffentlichen Gebäude wie Schulen, Rathäuser oder Sportstätten aber auch größere Wohnkomplexe in innerstädtischen Lagen für diese ökoeffiziente Art der Wärmeerzeugung in Frage. Für Bayern ergibt sich damit ein Potenzial von etwa fünf Prozent aller Liegenschaften, die durch Abwasser beheizt werden können.
Den Anfang in Bayern zur Nutzung der Abwasserwärme hat die Stadt Straubing mit dem Projekt in der Sudetendeutschen Straße gemacht, welches dafür als Leuchtturmprojekt ausgezeichnet wurde. Damit die Technik eine größere Verbreitung findet, wurde der Arbeitskreis „Abwasserwärmenutzung“ durch den Umweltcluster Bayern gegründet. Der Arbeitskreis setzt sich aus Vertretern von Planungsbüros, Maschinen- und Anlagenbauern, Betreibern und Wissenschaftlern zusammen. Ziel des Arbeitskreises ist es, der Fachöffentlichkeit – beispielsweise Bauämtern, Architekten, Heizungsplanern – die Technik der Abwasserwärmenutzung zugänglich und vertraut zu machen sowie ins Bewusstsein zu rufen, dass Abwasser kein lästiges Übel, sondern eine nutzbare Quelle zur nachhaltigen Erzeugung von Wärme ist.
Die städtische Wohnungsbau GmbH Straubing ist als kommunales Wohnungsunternehmen seit über 50 Jahren in Straubing zuständig für die Vermietung von mehr als 2000 Wohnungen. Mit der Modernisierung von 94 Wohnungen, dem Neubau von 8 Penthouse-Wohnungen und dem damit verbundenen Anschluss an das Abwasserwärmenetz, hat die Wohnungsbau einen entscheidenden Beitrag zu einer optimalen energetischen Versorgung dieser Liegenschaften geleistet. Die Baukosten belaufen sich hierbei auf rund 7,4 Millionen Euro bei einer Wohnfläche von insgesamt 7207 Quadratmetern.
Der Wohnungsmix mit Größen zwischen 47 und 112 Quadratmetern Wohnfläche sowie die hochwertige Ausstattung aller Wohnungen, zum Beispiel mit Fußbodenheizung oder kontrollierter Wohnraumlüftung, hat letztlich dazu geführt, dass binnen kurzer Zeit sämtliche Wohnungen vermietet werden konnten.
Die Fertigstellung der Außenanlagen mit dem Bau zusätzlicher neuer Garagen wird das ohnehin hervorragende Erscheinungsbild der gesamten Anlage beispielhaft abrunden. Wohnen an der Sudetendeutschen Straße wird somit in Zukunft auch zu einem Markenzeichen für hochwertige energetische Sanierung verbunden mit richtungsweisender Architektur. (Oliver Christ - Der Autor ist Professor an der Fakultät Umweltingenieurwesen der Fachhochschule Weihenstephan-Triesdorf)

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