Bauen

Eine Offshore Windenergieanlage. (Foto: Boley)

10.04.2015

Innovative Lösungen für Zukunftstechnologien

Geotechnik – ein Kerngebiet der Ingenieurwissenschaften

In einem sind sich Politiker aller Fraktionen einig: Es gibt jetzt und in naher Zukunft viele Aufgaben zu lösen, die das Leben der Menschen und die Entwicklung unserer Umwelt betreffen. Die Energiewende muss realisiert, die Folgen des Klimawandels müssen beherrscht werden und unsere Infrastruktur in einer vernetzen Welt wird in Zukunft völlig anders aussehen als dies jetzt der Fall ist. Während in der Politik viel über diese Themen gesprochen wird, geben sich Ingenieure damit nicht zufrieden: Sie handeln, entwickeln und erfinden, real und konkret. Ingenieure der Geotechnik, einer Fachdisziplin des Bauingenieurwesens und der Umweltwissenschaften, sind hierbei ganz besonders gefragt.
Windenergieanlagen müssen standsicher sein, Ingenieure entwickeln hierfür komplexe Gründungen wie zum Beispiel Monopiles mit mehreren Metern Durchmesser, auf denen die Windplattformen in der Nordsee stehen. Eine besondere Herausforderung dabei ist, im Meer, also inmitten der Natur, so zu bauen, dass die Meerestiere in ihrem Lebensraum nicht mehr gestört werden als nötig.
Aber auch aus der Tiefe holen Geotechnik-Ingenieure die Energie: Neue Bohr- und Explorationsverfahren bis über 2000 Metern Tiefe werden entwickelt, um die Erdwärme nutzen zu können. Die Geothermie ist auf dem Vormarsch, so bereits jetzt schon in den Gemeinden südlich von München wie Unterhaching oder Grünwald. Gemeinsam mit Verfahrenstechnikern, Physikern und Elektrotechnikern arbeiten die Bauingenieure daran, wie man die nutzbar gemachte Energie speichern und transportieren kann: eine der großen Fragen unserer Zeit, nicht nur bei uns in Deutschland.
Aber was tun mit den Relikten der auslaufenden Energieformen, allen voran die Kernenergie? Intensiv suchen die Geotechnik-Ingenieure nach sicheren Endlagern für radioaktive Rückstände, Salz- oder Granitformationen in mehreren hundert Metern Tiefe werden untersucht, komplexe Berechnungen helfen, die Wechselwirkung von Abfall und Gebirge über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende vorauszusagen.
Die Folgen des Klimawandels im Einklang von Mensch und Natur zu beherrschen, ist eine weitere Herausforderung für die Geotechnik-Ingenieure. Infolge der Erderwärmung kommt es zu Rutschungen, wo vorher Ruhe herrschte. Die riesigen Erdmassen kann man nicht beherrschen, aber man kann ihnen rechtzeitig ausweichen. Frühwarnsysteme werden in Kombination mit modernsten Methoden der Satellitennavigation entwickelt, um die Menschen rechtzeitig schützen zu können. Deutsche Ingenieure sind hierbei rund um die Welt gefragt, um ihr Wissen auch außerhalb des Landes zur Verfügung zu stellen.

CO2 unterirdisch speichern

Auch Hochwässer sind eine der großen Naturgefahren unserer Zeit, zum Teil ist es der Klimawandel, der für immer stärkere Fluten sorgt. Hier kommt man mit Prognosen und Berechnungen allein nicht weiter. Sichere Hochwasserschutzbauwerke zu entwerfen und zu bauen, ist die wesentliche Aufgabe. Dabei ist heute mehr denn je „soft rock“ statt „heavy metal“ gefragt: Spundwände aus Stahl sind schwer und sie müssen weit transportiert werden: Ein hoher Energiebedarf und damit verbundener unvorteilhafter Carbon Footprint sind die Folge. Und so werden neue Baustoffe wie Geokunststoffe entwickelt, um Deiche sicher und wirtschaftlich zu machen und dabei nicht mehr CO2 zu erzeugen als notwendig.
Apropos: CO2 unterirdisch im Gebirge zu speichern und später wieder nutzbar zu machen, auch das sind Ideen der Geotechniker, die ihren Weg von Universitäten in die Praxis finden. Überhaupt ist es wichtig, sich die Natur zunutze zu machen und nicht gegen sie zu arbeiten. In München-Moosach entstand auf dem Gelände des ehemaligen Gaswerks ein so genanntes Funnel-and-Gate-System, um den schadstoffbelasteten Boden zu reinigen. Die Ingenieure bauten unterirdische Barrieren in den Boden und nutzen die natürliche Grundwasserströmung, um das Wasser unterirdischen Reinigungsanlagen mit reaktivem Eisen zuzuleiten. Keine Energie für Pumpen, die Natur hat selbst genug Energie.
Unsere Infrastruktur ist für uns ein beinahe selbstverständlicher Teil des Lebens geworden. Straßen, Brücken, Flughäfen und neue Tunnel, die den Lärm unter die Erde verbannen. Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecken, auf denen wir Menschen schnell und leise unterwegs sind. Sicher zu bauen, intelligente Lösungen mit geringem Verbrauch an Beton und Energie zu finden, das ist das Feld der konstruktiven Ingenieure, unter ihnen die Geotechniker.
Wir bauen auf Böden, um die wir früher einen weiten Bogen gemacht hätten. Innovative Pfahlgründungen, Bodenverbesserung oder Bodenvereisung: High-tech-Lösungen kommen zum Einsatz. Und die Menschen wollen davon gar nicht so viel wissen: Je besser die Geotechnik-Ingenieure ihre Arbeit gemacht haben, desto weniger merkt man oft von der komplizierten Gründung. Oder, wie es ein bekannter Hochschullehrer unlängst formulierte: „Das ist unser Schicksal, wir beerdigen unsere Erfolge, nicht unsere Misserfolge!“
Unterirdische Bahnhöfe zu bauen, den Mittleren Ring in München unter die Erde zu verlegen oder Bahntrassen zu schaffen, die uns in einer Stunde von München nach Nürnberg bringen: All das kostet Geld und wird in heutiger Zeit in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Und so arbeiten Geotechnik-Ingenieure heute nicht nur an tollen technischen Lösungen, sondern auch daran, den Menschen zu erklären, was da passiert. Informieren und Vertrauen schaffen, das haben sich die Ingenieure auf die Fahnen geschrieben. Und sie werben dafür, dass man auf sie hört, wenn sie erläutern, was man alles braucht, und was es kostet, wenn man große Infrastrukturprojekte plant und umsetzt.
Lösungen für Umwelt und Infrastruktur für die Zukunft zu finden, bedeutet für Geotechnik-Ingenieure Aufgaben, die sie in einer zunehmend vernetzten und zusammenwachsenden Welt im internationalen Kontext angehen. „Think global, act local“, gilt in der Geotechnik mehr denn je. (Conrad Boley) Der Autor ist Mitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.

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