Bauen

Die Stadt Rottenburg an der Laaber hat das Kasernenareal erworben und mithilfe des Städtebauförderprogramms Stadtumbau West in eigener Verantwortung entwickelt. (Foto: OBB)

05.04.2012

"Kaufen Sie eine Kaserne, Sie werden glücklich"

Fachtagung „Neue Konversionsstandorte – wie weiter? Chancen, Herausforderungen und Steuerungsmöglichkeiten“

Die Bundeswehrstrukturreform rückt das Thema Konversion wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Ende 2011 gab der Bundesminister der Verteidigung die 31 Standorte bekannt, die in den nächsten Jahren geschlossen werden. Dies stellt die betroffenen Regionen, Städte und Gemeinden vor neue Herausforderungen. Vor dem Hintergrund finanzieller Restriktionen und vielerorts übergroßem Flächenangebot bei stagnierender oder rückläufiger Immobiliennachfrage sind kurzfristige Lösungen immer schwieriger zu finden. Es stellt sich also die Frage, wie eine für die unterschiedlichen Beteiligten tragbare Folgenutzung gefunden und wie der Konversionsprozess angestoßen beziehungsweise gesteuert werden kann.
Die Fachtung „Neue Konversionsstandorte – wie weiter? Chancen, Herausforderungen und Steuerungsmöglichkeiten“ des isw (Institut für Städtebau und Wohnungswesen München) versuchte Antworten auf drängende Fragen zu geben.
Die Entscheidungsprinzipien für das Stationierungskonzept 2011 wurden laut Christian Jacoby, Professor für Bauprojektmanagement und Raumplanung an der Universität der Bundeswehr in München, ausgerichtet an der Funktionalität, den Kosten, der Attraktivität und Präsenz in der Fläche. Indikatoren für die Standortbewertung waren unter anderem die Eignung der Liegenschaft für die Auftragserfüllung, die Verkehrsanbindung des Standorts, die Liegenschaftsbetriebskosten (Bauunterhaltung, Bewirtschaftung, Bewachung), bisherige mittel- und langfristig erforderliche Infrastrukturinvestitionen sowie die Verfügbarkeit und Vielfalt von Bildungseinrichtungen, öffentlichen Betreuungs-, Freizeit- und Fürsorgeeinrichtungen.
Die Aufgabe von Militärstandorten oder signifikante Reduzierung der Dienstposten in Standorten führt natürlich je nach regionaler Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur zu erheblichen negativen strukturellen Effekten. Unter anderem nannte Jacoby den Wegfall von militärischen wie auch zivilen Arbeitsplätzen, einhergehend mit einer Erhöhung der regionalen Arbeitslosenquote. Strukturpolitische Bedeutung haben natürlich auch der Kaufkraftverlust für die örtlichen Betriebe in den Bereichen Nahrungsmittel und Gaststätten, Handel und Dienstleistungen. Gestört wird darüber hinaus auch der örtliche/regionale Immobilienmarkt.
Eine Herausforderung stellen laut Jacoby aber auch die wirtschaftliche Stagnation sowie der erhebliche Überschuss an Bruttoverkaufsflächen sowie leer stehende Büro- und Gewerbebauten dar. Interessenskonflikte zwischen dem Grundeigentümer (hohe Veräußerungserlöse) und Kommune (sozial gerechte, umweltverträgliche und wirtschaftlich tragfähige örtliche Entwicklung) nehmen bei schwieriger gewordenen Immobilienmärkten weiter zu. Der Überschuss an Brachflächen, insbesondere großflächigen freigegebenen militärischen Liegenschaften und Bahnflächen erfordert laut Jacoby bei begrenzter Aufnahmefähigkeit des regionalen Immobilienmarkts ein regional abgestimmtes Konversionsflächenmanagement.
Selbstverständlich versucht der Bund nicht mehr benötigte Liegenschaften über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zur Haushaltskonsolidierung möglichst hochpreisig zu verwerten. Im Gegenzug wollen die Gemeinden, die im Zuge von Konversionsprozessen erzielbaren planungsbedingten Bodenwertsteigerungen für ansonsten immer schwieriger finanzierbare soziale und technische Infrastruktur verwenden.
Eine weitere Herausforderung sieht Jacoby in der zunehmenden Regelungsdichte durch Überlagerung von Richtlinien/Verordnungen der EU und nationaler Gesetzgebung. So überlagern EU-Umweltvorschriften das ausdifferenzierte deutsche Umweltrecht oder bestimmen Wettbewerbsvorschriften der EU deutsches Vergaberecht mit der Folge hoher Unsicherheit beziehungsweise hoher Aufwendungen bei Vergabeverfahren. Ferner müssen EU-Fördeprogramme mit deutschen Förderinstrumenten abgestimmt/kombiniert werden, die Folge: hoher Antrags- und Abstimmungsaufwand. Allerdings, so Jacoby, werde bei aller Betroffenheit oft nicht die Chance gesehen, die neue Konversionsstandorte bieten.
Chancen sieht der Hochschullehrer in neuen planungsrechtlichen Instrumenten wie den Neuregelungen des Bau-Gesetzbuchs (BauGB). Besonders hob er die gezielte Nutzung der Möglichkeit zur Verleihung temporärer Baurechte zur Senkung von Stillstandskosten für den Eigentümer nach sorgfältigen rechtlichen und finanziellen Erwägungen hervor. Denn eine Zwischennutzung kann oftmals ganz sinnvoll sein. Allerdings sollte man auf der Hut sein, damit eine zukunftsfähige Nachnutzung der Konversionsfläche durch eine Zwischennutzung nicht behindert wird.

Teil der städtebaulichen Qualitätssicherung


In Bayern ist die Konversion militärischer Konversionsflächen Teil der nachhaltigen Siedlungsentwicklung und der städtebaulichen Qualitätssicherung. Ferner sollen dadurch auch Anreize für private Investitionen geschaffen werden, erklärte Christine Schweiger von der Obersten Baubehörde. Drei Standorte werden im Rahmen der Bundesreform 2011 im Freistaat geschlossen: Fürstenfeldbruck, Kaufbeuren und Penzing. Darüber hinaus gibt es am Standort Kempten nur noch sechs Dienstposten, was laut Schweiger faktisch einer Schließung gleich kommt.
Für Schweiger müssen Konversionsmaßnahmen auch ins städtebauliche Flächenmanagement eingebunden werden, als da unter anderem wären:
– Umsetzung städtebaulicher Gesamtmaßnahmen;
– fachliche, wirtschaftliche und rechtliche Vorbereitung und Steuerung;
– integrierte Handlungskonzepte für Städtebau, Wirtschaft, Ökologie, Kultur und Soziales;
– flexible Kombination mit Instrumenten des allgemeinen Städtebaurechts;
– Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung sowie
– Bündelung öffentlicher und privater Finanzmittel.
In Bayern ist der Erwerb des Konversionsareals ein relativ weit verbreitetes Instrument. Als Beispiel nannte Schweiger die militärische Liegenschaft in Rottenburg (Bund-Länder-Programm Stadtumbau West). Eine weitere Konversionsstrategie ist die Bündelung von Städtebau- und Wohnraumförderung auf der Grundlage integrierter städtebaulicher Konzepte wie zum Beispiel in Neu-Ulm bei der Siedlung Vorfeld, der ehemaligen US-Housing Area (Bund-Länder-Programm Soziale Stadt sowie Bayerisches Modernisierungsprogramm). Eine Möglichkeit ist ebenfalls die Umnutzung des Bestands und Nachverdichtung mit der Städtebau- und Wohnraumförderung. So geschehen mit der Pas-schendele-Kaserne in Dörfles-Esbach (Experimenteller Wohnungsbau, Modellvorhaben Ökologische Modernisierung sowie Städtebauförderungsprogramm).
Die OBB empfiehlt eine Kombination der Instrumente, um eine sinnvolle Aufgabenverteilung zwischen Kommune, Grundstückseigentümer (Bund) und privaten Investoren herbeizuführen. Die Initiativen des Freistaats richten sich laut Schweiger an dem aus, was erforderlich war beziehungsweise ist. Dabei nannte sie:
– Unterstützung der Kommunen und Förderung städtebaulicher Konversionsprozesse im Rahmen der Städtebauförderung;
– Verknüpfung von Planungs-, Förder- und Verfahrensinstrumenten;
– Initiativen der Wohnraumförderung;
– Ansiedlung staatlicher Infrastrukturprojekte auf Konversionsflächen;
– Förderung modellhafter Planungen mit staatlichen Planungszuschüssen;
– Bündelung von Förderprogrammen sowie
– Öffentlichkeitsarbeit sowie Organisation von Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch.
„Kaufen Sie eine Kaserne, Sie werden glücklich.“ Mit diesen Worten begann Egbert Dransfeld vom Institut für Bodenmanagement in Dortmund seinen Vortrag über die Bewertung von Konversionsflächen. Bei privaten Investoren sowie in den Kommunen steht die Finanzierung städtebaulicher Vorhaben – auch auf Konversionsflächen – im Mittelpunkt aller Überlegungen, so Dransfeld. Es sei insofern nicht verwunderlich, dass es häufig Ziel ist, einen möglichst großen Bodenwertzuwachs mit der Konversion zu erzielen. Die potenziellen Nachnutzungen auf den ehemals militärisch genutzten Liegenschaften sind für den Wert der noch nicht entwickelten Flächen (zum Zeitpunkt des Ankaufs) entscheidend.
Die Mobilisierung von Konversionsflächen wird laut Dransfeld in der Praxis vielfach durch unterschiedliche Vorstellungen über den „wahren“ Wert dieser besonderen Immobilie verzögert. In der Regel sind am Preis der Flächen nicht nur der Eigentümer und/oder das Land und der Investor, der auf den Flächen etwas bauen will, interessiert, sondern auch die Gemeinde, die oft auch selbst als potenzieller Zwischenerwerber auftritt. Wie die Länder oder Kommunen, ist der Bund verpflichtet, Vermögensgegenstände nur zu ihrem vollen Wert zu veräußern.
In der Praxis bestehen nach Dransfelds Erfahrungen nicht selten unterschiedliche Auffassungen bezüglich des methodisch richtigen Vorgehens bei der Wertermittlung. Er empfiehlt daher, frühzeitig ein konsensuales Vorgehen bei der Wertermittlung zwischen den Stellen der BImA, den Kommunen, den Investoren und den Bewertungssachverständigen zu wählen. Darüber hinaus schlägt Dransfeld vor, zur Vermeidung des Charakters von „Parteigutachten“ sich gemeinsam auf einen Gutachter festzulegen.
Die Wertermittlung von Konversionsflächen bedeutet zum einen die Wertermittlung des Grund und Bodens und zum anderen – falls vorhanden und nutzbar – die Bewertung der baulichen Anlagen. Der Grundstückszustand beziehungsweise die Grundstücksqualität werden bestimmt durch die Summe aller physischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Eigenschaften eines Grundstücks; insbesondere durch die Lage, die planungsrechtlichen Nutzungsmöglichkeiten (Art und Maß der baulichen und sonstigen Nutzung) sowie durch die Beschaffenheit.

Entscheiden wird der
freie Grundstücksmarkt


Die Bewertung einer Konversionsfläche muss laut Dransfeld zwischen Baurecht und Entwicklungszustand differenzieren. Bei Flächen ohne Baurecht können die Zustandsstufen Bauerwartungsland oder Rohbauland zugrunde liegen. So kann er sich durchaus vorstellen, dass militärische Funktionsbauten wirtschaftlich sinnvoll umgenutzt werden könnten, ohne dass aber für diese Flächen Baurecht besteht und ohne dass die Umnutzung zulässig wäre. Es besteht dann für diese Flächen kein Umnutzungsanspruch, wohl aber eine Umnutzungsanwartschaft. Die Wertermittlung hat in solchen Fällen insbesondere zu beurteilen, ob „von der so genannten Natur der Sache“ her zum Beispiel eine Bauerwartung abgeleitet werden kann, ohne dass beispielsweise eine entsprechende planungsrechtliche Darstellung in vorhandenen Plänen gegeben wäre. ImPrinzip stellt sich laut Dransfeld die Frage: „Wie entscheidet der freie Grundstücksmarkt? Wie wird zum Beispiel die Lage von Investoren tatsächlich eingeschätzt?“
Dransfelds abschließendes Fazit lautet: „Kluges Konversionsmanagement legt Wert auf sorgfältige Wertermittlung.“
Für Bayreuth wurde in den letzten Jahren ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept (ISEK) erarbeitet, das sowohl städtebauliche, ökonomische als auch soziale und kulturelle Aspekte umfasst. Ein wichtiges Ergebnis der Konzeption bildete die Formulierung von so genannten Impulsprojekten, so Stefan Leuninger, GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH. Eines der wichtigsten Impulsprojekte stellte die Umnutzung der Markgrafenkaserne in ein regionales Logistikzentrum dar.
Die im Rahmen des ISEK durchgeführte Ressourcen- und Potenzialanalyse hatte ergeben, dass die Entwicklung Bayreuths zu einem Logistikzentrum einen realistischen Ansatz darstellt. Mit der Markgrafenkaserne stand für eine gezielte Standortentwicklung ein rund 260 000 Quadratmeter umfassendes, ebenerdiges Areal zur Verfügung, in direkter Autobahnlage (A 9). Die BImA als Eigentümerin der Immobilie war eng in die Planungsprozesse eingebunden.
(Friedrich H. Hettler)
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