Bauen

Das Theater vom Gärtnerplatz her gesehen. (Foto: Christian Pogo Zach)

17.05.2018

Lange und aufreibende Bauphase

Sanierung und Instandsetzung des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München

Das Staatstheater am Gärtnerplatz gilt als kultureller Mittelpunkt der Ludwigsvorstadt. Es wurde im Zuge der im 19. Jahrhundert erfolgten Stadterweiterung Münchens als Volkstheater geplant. Der über eine private Aktiengesellschaft finanzierte Bau erfolgte in den Jahren 1864 bis 1865 nach dem Entwurf des Baumeisters Franz Michael Reiffen-stuel im Stil des Spätklassizismus. Konzipiert wurde das Theater als Rangtheater mit Balkon und drei Rängen für annähernd 850 Besucher. Fünf Jahre nach der Eröffnung und nachdem das Theater in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, erwarb König Ludwig II. das Gebäude und erhob es zum dritten Hoftheater.

Von Anfang an war das Theater am Gärtnerplatz ein Haus der „leichten Muse“ und setzte sich somit vom Programm der Hofoper ab. Besonders in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen kamen überwiegend Operetten zur Aufführung. Trotz Bombenschäden beim letzten Luftangriff auf München, dem der Foyerbereich zum Opfer fiel und der den Bühnenturm ausbrennen ließ, konnte das Theater bereits 1948 als erstes Theater in München wieder einen Spielbetrieb aufnehmen. Ende der 1960er Jahre erfolgte eine umfangreiche Sanierung, unter anderem auch mit dem Ziel, Nachkriegsumbauten zu bereinigen und das ursprüngliche Erscheinungsbild wiederherzustellen. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zeigte sich schließlich, dass nach 40 Jahren Spielbetrieb eine grundlegende Sanierung unumgänglich geworden war.

Im Vordergrund standen neben der vollständigen Erneuerung der gebäudetechnischen Anlagen mit Maßnahmen zur Energieeinsparung die Optimierung der innerbetrieblichen Raumorganisation, die Herstellung der Barrierefreiheit für Theaterbesucher und Mitarbeiter, Maßnahmen zur Verbesserung des Brandschutzes sowie zur Verbesserung der Arbeits- und Betriebssicherheit und dies alles unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Belange.

Ein besonderes Anliegen des Theaters an die Planer war der Wunsch, eine Probebühne unterzubringen, deren Fläche den Abmessungen der Hauptbühne entsprechen sollte. Eine Probebühne dieser Größe stand bisher nur in sechs Kilometer Entfernung im Stadtteil Harlaching zu Verfügung.
Bereits mit den ersten Planungsüberlegungen des Büros Atelier Achatz Architekten, München, zeigte sich, dass wesentliche Ziele nur durch Abbruch der nicht denkmalgeschützten Bauteile und einen Ersatzneubau zu realisieren waren. Da das Grundstück zu 100 Prozent überbaut war, konnten zusätzliche Flächen nur im Untergrund geschaffen werden.

Behutsame Restaurierung

Die denkmalpflegerischen Ziele waren rasch definiert: Erhalt der historischen Fassaden in ihrem Erscheinungsbild, behutsame Restaurierung der Oberflächen des Zuschauerraumes, Bewahrung der Gestaltung aus den 1960er Jahren im oberen Foyer und denkmalverträgliche Umbauten für die barrierefreie Erschließung.

Eine Herausforderung an Architekten und Fachplaner war die räumliche Organisation des Ersatzneubaus mit bis zu elf Geschossen. Dieser umschließt den Bühnenturm an drei Seiten, bindet zur Klenze- beziehungsweise Reichenbachstraße die historischen Wandscheiben ein und schafft ebenengleiche Übergänge zum Zuschauerhaus.

Alle Arbeitsbereiche, die zum Betrieb dieses Dreispartentheaters (Oper/Operette, Ballett, Schauspiel) benötigt werden, mussten funktional angeordnet werden, einschließlich der jeweils dafür erforderlichen Technik: Probebühnen und Probensäle für Orchester, Ballett und Chor sowie Einspielräume für die einzelnen Musiker. Das Theater verfügt über Werkstätten für Schreiner, Schlosser, Bühnenmaler Plastiker Tapezierer, Schneider, Schuster und Maskenbildner. Es gibt eine Kantine und eine mit Pkw-Aufzug erschlossene Tiefgarage.

Der trapezförmige Grundriss und die nach wie vor beengte Grundstückssituation stellten auch bei den technisch geringer ausgestatteten Räumen für Garderoben, Verwaltung und Fundus hohe Anforderungen an das planerische Vermögen der Architekten.

Nach Genehmigung der Baumaßnahme durch den Landtag im Dezember 2010 konnte die Ausführungsplanung begonnen werden und nach Umzug der Werkstätten sowie Verwaltung des Theaters in ein Ausweichquartier erfolgte der Baubeginn im April 2012. Der Rückbau mit Schadstoffentsorgung im historischen Bauteil sowie der Abbruch der rückwärtigen Gebäude erwiesen sich weitaus schwieriger und zeitaufwendiger, als durch die Voruntersuchungen zu erwarten war.
Eine weitere Herausforderung war anschließend die Herstellung der bis zu 13 Meter tiefen Baugrube, die Unterfangung des Bühnenturms und das Setzen und Rückverankern der Bohrpfahlwand entlang der Grundstücksgrenze und den Nachbargebäuden. In Folge aller Erschwernisse konnten die Baumeisterarbeiten für den Neubau erst ein Jahr später als ursprünglich geplant beginnen.
Auch der Rohbau verzögerte sich. Zum einen aufgrund der schwierigen und beengten Baustellensituation, zum anderen aufgrund von Maßnahmen zur Ertüchtigung der historischen Bausubstanz, die im Vorhinein nicht zu erkennen waren. Darüber hinaus erforderten die vielfältigen Nutzungen des Theaters eine Vielzahl von technischen Einrichtungen und Zentralen.

Aufgrund der komplizierten Gebäudestruktur, der durch den Altbau vorgegebenen niedrigen Geschosshöhen sowie des bis auf den letzten Quadratmeter ausgenutzten Grundrisses blieb wenig Raum für die Installationen und gebäudetechnischen Anlagen, sodass auch diese Gewerke nicht im vorgesehenen Zeitraum fertiggestellt werden konnten. In Folge dessen musste die geplante Wiedereröffnung zum 150. Jubiläum im November 2015 bereits in einer frühen Phase der Bauausführung verschoben werden. Es wurde schließlich der 14. Oktober 2017. Das Gärtnerplatztheater teilt somit bei den Themen Bauzeitverlängerung und Kostenentwicklung das Schicksal mit anderen großen Theatersanierungen, zum Beispiel dem Deutschen Theater in München oder der Staatsoper Unter den Linden in Berlin.

Mehr Platz fürs Orchester

Betreten die Besucher heute das Theater, so werden sie im Eingangsbereich die Kasse und in den Umgängen die Garderoben als neue Elemente erkennen. Im Zuschauerraum hat sich die Optik trotz der erheblichen Eingriffe kaum verändert. Langjährigen Abonnenten fallen vielleicht die verschmälerten Schabraken am Bühnenportal und der neue Wagnervorhang auf – beides Maßnahmen zur Aufwertung der Akustik.

Weniger bemerkt man die Veränderungen im Orchestergraben, der geringfügig vergrößert und akustisch verbessert wurde. Unbemerkt dürfte jedoch die vollständige Erneuerung der Bodenkonstruktion unter dem Parkett bleiben. Da die Luftauslässe unter den Stühlen aus statischen Gründen nicht an die erhöhte Luftwechselrate zur Verbesserung der Raumluftverhältnisse angepasst werden konnten, musste die darunterliegende Decke durch eine neue Ortbetondecke ersetzt werden.
Trotz fünf Jahren Aufführungen in Ausweichspielstätten ist es dem Intendanten Josef E. Köpplinger mit dem Ensemble des Theaters gelungen, die Zuschauer über diesen langen Zeitraum zu begeistern und die Abonnementbuchungen erheblich zu steigern. Das Staatliche Bauamt München 1 ist dankbar für das große Verständnis, das ihm während der langen aufreibenden Bauphase entgegengebracht wurde. Es bleibt zu wünschen, dass sich der Erfolg im neu sanierten Haus fortsetzt. (Kurt Bachmann)

(Der Orchesterprobensaal von innen und von außen; das Pausenfoyer - Fotos: Christian Pogo Zach)

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