Bauen

15,65 Millionen Euro wurden in den Schulhausneubau investiert. (Foto: Obel und Partner freie Architekten)

28.08.2015

Lernen in offener Atmosphäre

Die neue Grund- und Mittelschule Oettingen

Oettingen – dieser Ort ist überregional vor allem wegen seines im nördlichen Bayerisch-Schwaben verzweigten Fürstengeschlechts als auch, in jüngerer Zeit, wegen eines großen deutschen Bierherstellers bekannt. Gerade nach dem Zweiten Weltkrieg aber war das etwas fernab der größeren Metropolen gelegene Residenzstädtchen etwas in den Dornröschenschlaf gefallen. Ein neues Schulhaus (Fertigstellung: 1971) entsprach als Betonbau in Material und Baugestalt dem Zeitgeist der 1960er Jahre. Es gab dem Unterricht der Volksschule doch immerhin für Jahrzehnte einen festen Ort.
Vieles hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten verändert. Die vermeintliche Randlage ist kaum mehr ein Nachteil, im Gegenteil: Der Landkreis Donau-Ries, in dem Oettingen liegt, nimmt seit Jahren einen Spitzenplatz im nationalen Ranking ein; ein immer höheres Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Natur führt zu strengeren Richtlinien im Umgang mit Ressourcen; die Bildungslandschaft reagiert zunehmend sowohl auf Veränderungen in der Gesellschaft als auch auf Erkenntnisse der modernen Bildungsforschung.

Der Altbau war nicht zu retten

Und die alte Schule war in die Jahre gekommen, nicht nur äußerlich: Eine energetische und brandschutztechnische Sanierung wäre nur mit großen Aufwand realisierbar gewesen. Eine unabhängige Studie ließ jedoch mangelnde Effizienz erkennen, so etwa bei den geringen Deckenhöhen von nur 2,30 Metern. Die verwinkelte Anlage des Altbaus wäre in jedem Fall erhalten geblieben, was die Orientierung in den schlecht belichteten, engen und insgesamt unübersichtlichen Räumlichkeiten gerade den jüngeren Kindern sicher nicht leicht gemacht hätte.
Nach umfangreichen Vorüberlegungen einigte man sich auf einen Neubau. Dieses mit 15,65 Millionen Euro nahezu exakt vorausberechnete Objekt, zugleich eine der größten lokal realisierten öffentlichen Baumaßnahmen, ist Teil eines Konzepts, mit dem der Schulverband Oettingen einen weiteren Ort für seine betreuerischen und pädagogischen Angebote neben Gymnasium und Kindertagesstätten schaffen will. Was ist das Besondere an dieser Schule?
Mit einer Fläche von 7000 Quadratmetern beziehungsweise 28 000 Kubikmetern Rauminhalt, das ist die benötigte Kapazität für 25 Klassen mit rund 500 Schülern, besitzt die Schule eine eher mittlere Größe. Dennoch musste auch diese Kubatur bewältigt werden. Allerdings sollte auf die Möglichkeit verzichtet werden, einen Großbaukörper zu errichten, bei dem es weniger um Schüler als um die Grandezza des äußeren Anspruchs geht.
Die gesamte Schule ist in einem Riegel mit den Außenmaßen 90 x 25 Metern untergebracht. Unter Nutzung des nach Süden abfallenden Grundstücks sind von den drei Stockwerken teils nur zwei zu sehen. So ragt der an sich stattliche Bau unter dem flachen Dach erstaunlich wenig in die Höhe. Die dafür verwendete Fläche nimmt immerhin nur rund die Hälfte der Grundfläche des Altbaus ein, der abgerissen wird.
Maßstab für die Dimension der Schule ist die Größe des einzelnen Schülers, vornehmlich des jüngeren – es werden hier die Klassenstufen eins bis zehn unterrichtet. Dem entspricht die eher kleinteilige Auflösung der Holz-/Alu-Pfosten-/Riegelfassaden, die durch die integrierten Öffnungsflügel rhythmisiert werden. Die Gliederung der gesamten Außenhülle erfolgt durch die umlaufenden Fluchtbalkone sowie durch eine unprendentiöse Farbgebung: Ein tiefes, angenehmes Blau kontrastiert mit dem Gelb des außen liegenden Sonnenschutzes.
Die hervorragende Erreichbarkeit zu Fuß, mit dem Rad oder auch für den Kfz-Verkehr war durch die unmittelbare Einbindung in die Nachbarschaft zur Altstadt, am Rand des Hofgartens, bereits zuvor gegeben und konnte erhalten werden. Insbesondere die Nähe zur weiter nutzbaren Sporthalle, zu den Außenflächen und Parkplätzen gehört zum positiven Erbe des Altbestands. In der Zukunft sollen gerade auch die schuleigenen Freiflächen noch intensiver in die pädagogischen Möglichkeiten einbezogen werden – mit der Planung und Ausführung wurde ebenfalls das die Gesamtplanung durchführende Architekturbüro, Obel und Partner Freie Architekten, Donauwörth, Regensburg, beauftragt.
Jedes Bundesland unterzieht Bildungsbauten einem strengen Maßstab – dennoch dürfen oder besser, sollten auch rigide einzuhaltende Vorschriften (etwa im Brandschutz) individuell betrachtet werden – bei jedem einzelnen Projekt, und das vor allem aus zweierlei Gründen: Zum einen ist Schule heute nicht mehr vorwiegend der Ort einer vordergründigen Beschulung, sondern immer mehr Teil der auch den Nachmittag erfassenden Lebenswelt des Schülers. Zum anderen gewinnen seit einiger Zeit vielfältige Erkenntnisse Einfluss auf den Unterricht, die sich nicht nur an alternativen (meist „offen“ genannten) und differenzierten Unterrichtsformen orientieren, sondern die Inklusion, den Ganztagsunterrichts, die Nutzung neuer Medien oder die Folgen einer zunehmenden Differenzierung der Gesellschaft zu integrieren suchen.

Mittelpunkt der Schule ist die Aula

Die Aufgabe an die Architektur bezieht diese Konditionierung in den klassischen Entwurf im Sinne der vitruv´schen utilitas mit ein, realisiert gleichzeitig aber noch andere gestiegene Erwartungen an die Qualität des Raums. Wie kann das bewältigt werden?
Mittelpunkt der Oettinger Schule ist die über zwei Stockwerke reichende Aula. Hell durch die verwendeten Oberflächen (Holz, helle Farben) und natürliches Tageslicht, ist sie soziales Zentrum der Anlage, nicht nur Verzehr- und Verteilzentrum. Mit ihrer umlaufenden Galerie, ihrer Verbindung zur daran anschließenden Mensa, zum Musik- und Bühnenbereich gleicht sie einer Markthalle oder auch dem Begegnungsort für alle Mitglieder der Schulfamilie. Sie ist integrativer Ort für Schülerinnen und Schüler, die Lehrerschaft und alle Beschäftigten.
Zur besseren Orientierung liegen nahezu alle Räume, seien es die der Grund- als auch die der Mittelschule, im jeweils selben Stockwerk. Im belebten Erdgeschoss befinden sich neben den Klassenzimmern der Grundschule das Sekretariat, die Büros für die Schulleitung, das Lehrerzimmer und die Bibliothek. Die Fachräume für die Naturwissenschaften, einer der IT-Räume oder das Büro der selbstverwaltenden Schülerfirma integrieren sich in den Bereich der Mittelschule im oberen Stockwerk.
Immer wichtiger werden die „softskills“ des modernen Bauens, das versteht sich hier auf die Qualität von Licht, Luft und Schall. Untersuchungen beweisen, dass von Schülern als positiv erlebte Farbgestaltungen ermutigende Auswirkungen auf deren Lernverhalten, ja sogar auf den respektvollen Umgang miteinander und sogar mit dem Schulmobiliar haben. Deswegen wurden angenehme Farbtöne gewählt, die Oberflächen auch zum haptischen Erlebnis hochwertig aus Holz gestaltet.
Lernlandschaften mit flexiblen Wandtafeln und eine ebensolche Möblierung sowie die in Lernboxen zugeordneten Lernmittelbehälter bieten ebenso erweiterte Möglichkeiten für die Gestaltung des schulischen Alltags, wie auch die zahlreichen unterschiedlichen Perspektiven und Blickwinkel der einzelnen Ebenen auf die Wahrnehmungsfähigkeiten der Nutzer einen sicher positiven Einfluss haben. Die Großzügigkeit der inneren Aufteilung (Flure nutzbar als Lernlandschaften und Erlebniszonen) konnte durch die Verlagerung der notwendigen Fluchtwege vor die Fassade erreicht werden.
Die Belichtung wird durch zahlreiche Durchbrüche bis auf die unterste Ebene geführt, ins Hanggeschoss, in dem sich auch die Werkstatt, die Fachräume, die Mehrzweckräume und der Bereich des Hausmeisters ihren Platz fanden.
Eine besondere Anforderung war der durch die offenen Lernlandschaften bedingte Schallschutz, der durch fein abgestimmte, schallabsorbierende Wand- und Deckenbekleidungen ermöglicht wird. Der Begriff „barrierefrei“ bezieht sich ja nicht nur auf die Erreichbarkeit aller Bereiche, sondern auch auf eine raumtechnisch gelöste geringe Nachhallzeit des gesprochenen Worts. Die verwendeten Grundrisselemente stellen bauseitig wahlweise offene wie geschlossene Unterrichtsformen zur Verfügung, lassen dabei aber auch künftigen Veränderungen der Pädagogik ausreichend Raum.
Die zentrale Lüftungsanlage und auch die Möglichkeit, Fenster manuell öffnen zu können haben das Ziel, eine gute Qualität der Raumluft zu gewährleisten.
Mit der neuen Grund- und Mittelschule bietet der Schulverband Oettingen seinen Kindern und Jugendlichen eine freundliche und lernorientierte Atmosphäre – Schüler und Schulleitung haben das Gebäude bereits begeistert übernommen.
Das Büro Obel und Partner plant auch nach rund 40 Jahren Schulbauerfahrung immer noch für jeden Schulbau nach individuellen Anforderungen und sucht die Symbiose vielfältiger Erfahrung mit den aktuellen pädagogischen Erkenntnissen – das wird an der Grund- und Mittelschule Oettingen erkennbar. (Markus Würmseher)

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