Bauen

Die Fassade des Museums Brandhorst. (Foto: Hettler)

02.03.2012

Münchens neue Kleider

Stararchitekten referieren über polychrome Fassaden

Während in der Antike Farben der Veredelung dienten, barocke Sakralbauten ein prächtiges Farbenspiel lieferten und die Profanbauten der Renaissance farblich reich gegliedert waren, geriet Farbigkeit in der Architektur des Klassizismus in Misskredit und veranlasste den deutschen Architekten Gottfried Semper in den 1830er Jahren zu der Warnung, nicht „jede Farbe zu verbannen, und alles, was nicht grau, weiß oder erdfahl ist, kurzweg für bunt zu erklären“.
Mittlerweile hat Farbdesign in der Architektur wieder Konjunktur. Eine besondere Leidenschaft für polychrome Gebäudeoberflächen haben die in Berlin ansässigen Architekten Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton in den rund 20 Jahren ihres Schaffens entwickelt. Das Spiel mit der Bandbreite von Farbe und Materialität gipfelte in zahlreichen spektakulären und preisgekrönten Gebäuden in ganz Europa. Doch nicht Bauten in Venedig, Paris oder London standen im Mittelpunkt eines Vortrags der beiden Architekten, sondern fünf Projekte in München, ihrer „zweiten architektonischen Heimat“, so Sauerbruch, da sie hier die meisten Projekte realisiert haben beziehungsweise gerade eben verwirklichen.
Auch wenn sich die Münchner Projekte hinsichtlich Größe und Nutzung deutlich unterscheiden, kennzeichnet sie doch ein verbindendes Element: der Mut zur Farbe. Die ADAC-Zentrale am Mittleren Ring etwa, die kurz vor der Eröffnung steht, ist der neue bunte Hingucker von Sauerbruch Hutton, ein weithin sichtbares Hochhaus neben einem vergleichsweise niedrigen Sockelgebäude. An den obersten Geschossen des knapp 93 Meter hohen Turms prangt das gelbe Firmenlogo, aus dem die Architekten ein Farbenspiel mit rund 20 verschiedenen Gelb- und Orangetönen aufbauten, die sich in überkreuzenden L-Formationen wie ein Mosaik über die gesamte Glasfassade des Hochhauses verteilen und die geschlossene Fläche optisch auflösen.

Eine Fassade
aus 23 Farben


Auch das Verwaltungsgebäude der MunichRe, ebenfalls am Mittleren Ring, verfolgt einen ästhetischen Ansatz: Das riesige Gebäude, das laut Sauerbruch „im Augenblick schweigt“, soll durch leicht versetzte Fenster und farbig gekennzeichnete Versprünge eine Dynamik erhalten und sein Aussehen je nach Blickwinkel stetig ändern, es soll in den öffentlichen Raum hinein wirken und positiv ausstrahlen. „Die Fassade ist wie ein Kleid und schafft im Stadtraum eine bestimmte Atmosphäre“, sagt Sauerbruch. Dementsprechend wurde auch das 2009 eröffnete Museum Brandhorst farbig „angezogen“: 36 000 vertikal angebrachte Keramikstäbe in insgesamt 23 Farben aus drei Farbfamilien erzeugen ja nach Betrachtungswinkel und Entfernung unterschiedlichste optische Eindrücke, zugleich dienen sie der Energieeffizienz und Lärmabsortion.
Weniger spektakulär, aber nicht minder reizvoll sind die dezente Oberflächengestaltung eines Privathauses in der Königinstraße und die Bienenhäuser nach einer Idee des Künstlers Olaf Nicolai: Bunte Quader in leuchtenden Farben auf Holzgestellen, geben Bienen ein farbenfrohes Zuhause und runden die Palette der fünf Sauerbruch-Hutton-Projekte in München ab.
Die farbige Gebäudeoberfläche ist für Sauerbruch Hutton Medium und Message, Blickfang und Teil des städtischen Raums. So viel Anspruch erfordert sorgfältigste Planung. Der polychromen Außenhülle des Museums Brandhorst etwa ging eine viermonatige Experimentierphase mit Farben, Formen und Materialien voraus, auch im Vorfeld der Erbauung des ADAC-Hochhauses türmte sich ein Sammelsurium an Modellen im Büro der Architekten.
Einen Einblick in diese kreative Phase gibt die Ausstellung „sauerbruch hutton. arbeiten für münchen“. Um Architektur erlebbar zu machen, sind hier die Modelle zu bestaunen, die Louisa Hutton liebevoll die „fünf Kleider für München“ nennt. (Monika Judä)
(Die Ausstellung „sauerbruch hutton. arbeiten für münchen“ geht noch bis 30. März 2012 in der Architekturgalerie München, Türkenstraße 30. Zur Ausstellung erscheint im Distanz Verlag das Buch Sauerbruch Hutton – Colour in Architecture. Weitere Infos unter www.architekturgalerie-muenchen.de)

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