Bauen

Die Wohnanlage "Lilienhof" im Münchner Stadtteil Au. (Foto: GWG München)

28.10.2011

Neue Maßstäbe beim energieeffizienten Bauen

Die Wohnanlage „Lilienhof“ der GWG in München

Die GWG München feierte im September 2011 die Fertigstellung des ersten Bauabschnitts ihrer Wohnanlage „Lilienhof“ im Münchner Stadtteil Au mit 53 Mietwohnungen. Die vier Gebäude an der Lilienstraße in München mit insgesamt 149 Wohnungen aus den 1950er Jahren werden im Zuge einer umfassenden Modernisierung als Nullemissionsbilanzwohnanlage ausgeführt und sollen CO2-neutral mit Heiz- und Trinkwarmwasser versorgt werden. Nach Fertigstellung der weiteren drei Bauabschnitte bis Ende 2013 gehören zu dieser Wohnanlage dann insgesamt 140 Mietwohnungen. Mit der Modernisierung beauftragt war das ABS Architekturbüro Stocker, München.
Mit diesem Modellprojekt beschreitet die GWG München mit fachlicher Unterstützung des Fraunhofer Instituts für Bauphysik und dem Competence Center Nachhaltiges Bauen der Ebert Ingenieure neue Wege bei der energieeffizienten Sanierung von Bestandsbauten. Die Wohnungen beziehungsweise die Wohngebäude werden so umgebaut, dass eine in der Gesamtbilanz CO2-neutrale Wohnanlage entsteht.
Abgerundet wird das Projekt mit dem Neubau eines viergeschossigen Gebäudes in Massivholzbauweise am Paulanerplatz. Bei ihrem Modellprojekt will die GWG München einen Primärenergiebedarf erreichen, der mindestens 50 Prozent unter dem zulässigen Wert eines Neubaus liegt. Dafür investiert sie bei dieser Modernisierung insgesamt 26,4 Millionen Euro. Gefördert wird das Projekt unter anderem mit Forschungsmitteln des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) in Höhe von 2,6 Millionen Euro.
Die auf den Bedarf der Nachkriegszeit zugeschnittenen Grundrisse aus den 1950er Jahren genügen schon lange nicht mehr den heutigen Anforderungen an modernen Wohnraum. Kleinwohnungen werden daher zusammengefasst, Grundrisse grundlegend verändert. Es entsteht somit eine völlig neue Struktur in der Zusammensetzung der Wohnungsgrößen. Die Hauseingänge werden mit in den Treppenhäusern liegenden Aufzügen nachgerüstet, so dass nun alle Wohnungen barrierefrei erreichbar sind.
Die Lage der Treppenhäuser wird zum Teil grundlegend verändert. Bisher von der Lilienstraße erfolgende Erschließung einzelner Hauseingänge werden so umorientiert, dass nun die Erschließung insgesamt vom neugestalteten Innenhof der Anlage erfolgt. Die bisherigen Standards der Ausrüstung der Bäder mit Wannen werden neu definiert. Grundausstattung der neuen Bäder ist nun eine bodengleiche Dusche. Beim Bauen im Bestand mit oft geringen Raumhöhen und damit einhergehend geringen Fußbodenaufbauten kein leichtes Unterfangen. Badewannen können jedoch jederzeit problemlos nachgerüstet werden. Die Wohnqualität wird weiter durch die Nachrüstung mit Balkonen gesteigert. Dem Bedarf nach Stellplätzen im Viertel folgend, wird im Innenhof der Anlage eine Tiefgarage realisiert. Angebunden an dieses Tiefbauwerk befindet sich die Energiezentrale.
Für eine energieeffiziente Gebäudekonstruktion ist eine optimale Dämmung der Gebäudehülle entscheidend. Deshalb erhalten die straßenseitigen Fassaden ein innovatives Vakuumdämmsystem, das in dieser Größenordnung bei der Modernisierung noch nicht realisiert wurde. Die übrigen Außenwände erhalten ein Wärmedämmverbundsystem aus Resolhartschaum. Durch die eingeschossige Aufstockung in Holzrahmenbauweise übernehmen die neu geschaffenen Dachflächen die Aufgabe des oberen Gebäudeabschlusses. Zusätzlich werden alle Bauteilanschlüsse so gelöst, dass keine unnötigen Transmissionswärmeverluste in Form von Wärmebrücken entstehen.
Die Fenster werden 3-fach wärmeschutzverglast in hocheffizienten Rahmen ausgeführt. Da die Kellerdecken infolge der geringen Raumhöhen der bestehenden Kellerräume nur unter weiteren Verlusten an Raumhöhe von unten gedämmt werden können, wird in den ohnehin zu erneuernden Fußbodenaufbau über den Kellerdecken ebenfalls eine zwei zentimeter starke Vakuumdämmung eingebaut, die zukünftig die Wärmeisolierung der Gebäudehülle zu den unbeheizten Kellerräumen übernehmen wird.
Intelligente und innovative Anlagentechnik sorgt im Inneren des Gebäudes für einen niedrigen Energieverbrauch. Für die Beheizung und Warmwasserversorgung der Wohnanlage wird oberflächennahe Geothermie in Form einer direkten thermischen Verwertung von Grundwasserwärme genutzt. Dabei wird das Grundwasser über einen Förderbrunnen in die Energiezentrale geleitet. Die eigens für dieses Projekt entwickelte, gasmotorisch betriebene Kompressionswärmepumpe entzieht dem Wasser Wärmeenergie. Das abgekühlte Wasser wird über einen Schluckbrunnen zurück in das Grundwasser geführt.
Die Wärmepumpe soll rund 60 Prozent der benötigten Wärmeenergie zur Verfügung stellen. Unterstützt wird die Energiegewinnung durch thermische Kollektoren auf den Dachflächen. Weitere 30 Prozent der Wärmeenergie soll so direkt aus der Sonnenkraft bereitgestellt werden. Für Spitzenlasten in Höhe von rund zehn Prozent steht ein Gas-Brennwertkessel zur Verfügung. Für den Antrieb des thermodynamischen Kreisprozesses in der Wärmepumpe ist hochwertige mechanische Energie aufzuwenden, die über einen gasbetriebenen Verbrennungsmotor erzeugt wird. Die dabei zwangsläufig anfallende Abwärme wird ebenfalls für Heizzwecke beziehungsweise zur Warmwasserbereitung genutzt.

Belüftung erfolgt ausschließlich über Fenster


Die Wärmeübergabe in den Räumen erfolgt über Heizkörper oder Fußbodenheizungen. Mit ausreichend groß dimensionierten Heizflächen kann die Vorlauftemperatur niedrig gehalten werden. Somit ist die bisher übliche Legionellen-Prophylaxe durch einmal tägliches Aufheizen der Warmwasserkreisläufe auf etwa 70 Grad Celsius vom energetischen Standpunkt nicht mehr wirtschaftlich haltbar. Die Bekämpfung der Legionellen wird daher durch das neuartige System der anodischen Oxidation erfolgen.
Die Wohnungen sollen ausschließlich natürlich über die Fenster belüftet werden. Zur Vermeidung von Dauerlüften durch die Bewohner werden Fensterkontakte eingesetzt, die bei geöffnetem Fenster den Heizwasserdurchfluss durch die Heizkörper stoppen. Aufgrund der hohen regelungstechnischen und hydraulischen Anforderung ist der Einsatz von dezentralen Heizungspumpen vorgesehen. Diese extrem kleine Pumpe wird am Heizkörper angebracht und dadurch jeder Radiator im Haus einzeln entsprechend des jeweiligen Bedarfs mit Wärme versorgt. Somit findet ein Wechsel von einer „Angebotsheizung“ mit zentraler Heizungspumpe hin zu einer „Bedarfsheizung“ statt. Die Raumtemperatur kann für jeden Raum getrennt über elektronische Steuerungen geregelt werden. Dies bedeutet auch einen hohen Komfort für die Bewohner.
Zum Betrieb der Anlage muss Energie in Form von Gas und elektrischem Strom für den Pumpenbetrieb zugeführt werden. Diese Energie soll in gleicher Größenordnung durch auf den Dachflächen angeordnete Fotovoltaikelemente aus Sonnenenergie gewonnen und in das Netz der Stadtwerke München eingespeist werden, so dass sich letztendlich die Bilanz einer ausgeglichenen CO2-Emission ergibt. Selbstverständlich ist bei der Erreichung dieses Ziels die aktive Mitwirkung der zukünftigen Bewohner unbedingt erforderlich.
Insgesamt führen diese Maßnahmen zu einer hohen Nutzung an erneuerbaren Energie und damit zu einer Reduzierung der Heizkosten. Neben der Umwelt profitieren also in erster Linie die Mieter von den energetischen Optimierungen. Natürlich ist auch das Verhalten der Bewohner entscheidend für das Gelingen des Projekts. Alle Mieter erhalten eine intensive Einweisung in die Systematik des Gebäudes und können dann mit ihrem Nutzerverhalten aktiv Einfluss nehmen.
Neben energieeffizientem Wohnen erwarten die künftigen Mieter eine hohe Wohnqualität und eine zeitgemäße Ausstattung ihrer Wohnungen. Die 41 geförderten und 12 freifinanzierten Mietwohnungen des ersten Bauabschnitts umfassen ein breites Wohnungsspektrum hinsichtlich der Wohnungsgrößen. Dieses differenzierte Angebot schafft Raum für Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen. Singles, allein Erziehende und Paare werden hier ebenso ein Zuhause finden wie Familien mit Kindern. Darüber hinaus schafft die GWG München im traditionellen Stadtteil mehr Wohnraum ohne den Charakter und die Identität des Quartiers zu stören. (BSZ)

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