Bauen

So wird die "Medienbrücke München" aussehen, wenn sie fertiggestellt ist. (Foto: IVG Immobilien AG München)

13.08.2010

Quer unter den Wolken

Richtfest der "Medienbrücke München"

Wenn man dem Liedermacher Reinhard Mey glauben möchte, muss die Freiheit über den Wolken grenzenlos sein. In München ist sie das nicht: Schon bei hundert Metern ist Schluss mit lustig. Das sieht zumindest eine städtische Bauverordnung vor, wonach Hochhäuser nicht höher als diese Marke sein dürfen. Deswegen hat das renommierte Münchner Büro Steidle Architekten im Auftrag von IVG Immobilien ein Hochhaus entworfen, das nicht in die Höhe, sondern in die Breite strebt. „Medienbrücke“ nennt sich der Clou.
„Das ist eine kreative Interpretation der Münchner Hochhausverordnung“, schwärmte Christian Ude. „Ich fand die Idee von Anfang an pfiffig“, bekannte der Münchner Oberbürgermeister beim Richtfest auf dem Gelände an der Rosenheimer Straße. „Wenn es nur ein gewöhnliches Gewerbegebäude wäre, wäre ich nicht gekommen. Das hier ist schon etwas Besonderes.“

Eine Vision, die
Wirklichkeit geworden ist

Tatsächlich ist das Nutzungskonzept vielfältig. Einerseits nämlich sollen rund hundert mittlere und kleinere Unternehmen aus der Medien-, Mode- und Dienstleistungsbranche einziehen. Andererseits soll der gemeinsame Hof mit den umliegenden Nachbarn genutzt werden. Deswegen spricht Ude nicht nur von einem „Signal für die Medienstadt München“, sondern von einem „Medien- und Kreativzentrum“ – zumindest hofft er, dass sich das Areal zu einem solchen entwickelt.
Denn: „Mit der Kultfabrik und dem Optimolgelände ist man hier in prominenter Nachbarschaft“, erklärte das Stadtoberhaupt. Deshalb könnten im Erdgeschoss und Hofbereich unterschiedliche Angebote ineinander fließen. „Es soll ein Park entstehen mit gemeinsamer Nutzung aller Nachbarn. Das schreit danach. Dadurch erfährt der Medienstandort München eine Erweiterung.“ Auch deswegen spricht Architekt Johannes Ernst, einer der geschäftsführenden Gesellschafter von Steidle, von einer „Vision, die Wirklichkeit geworden“ sei.
„Die unteren Stockwerke wurden weggelassen. Wir stellen uns quer – das braucht München.“ Über zehn Jahre wurde an dieser Vision getüftelt, vor zwei Jahren habe es einen ganz neuen Anlauf gegeben. Herausgekommen ist die jetzige Horizontale, ohne Bau des Untergeschosses.
Zwei Stahlbetonstelen tragen das 90 Meter lange und fast 50 Meter hohe Gebäude. „Es ist eine Stahlkonstruktion mit zweigeschossigem Fachwerkträger“, erklärt Ernst. Rund 30 Millionen Euro hat diese Vision insgesamt gekostet. Zwei Jahre wurde gebaut, die Fassadenarbeit ist bereits beendet.
Warum „Medienbrücke“? „Es ist keine Brücke im eigentlichen Sinn“, räumt Ernst ein, „sondern zwischen Idee und Wirklichkeit.“ Und die originäre Idee zu einem Hochhaus, das sich quer stellt, ist freilich keine Münchner Erfindung: Auch dies räumt Ernst ein. Tatsächlich wurde dieses Konzept von dem russischen Architekten, Maler, Grafikdesigner und Fotografen Eliezer „El“ Lissitzky (1890 bis 1941) ausgeklügelt.


Stolz auf die
Energieeffizienz


Lissitzky, der unter Stalin als Avantgardist und Jude misstrauisch beäugt wurde (obwohl er zugleich Propagandaarbeit leistete), entwarf seinen „Wolkenbügel“ Mitte der 1920er Jahre in Moskau. Ziel war eine Neudefinition des Bürohauses. Zwar faszinierten ihn die amerikanischen Wolkenkratzer als Ingenieurleistung, doch lehnte er ihre historisierende Gestaltung und den Kapitalismus, für den sie stehen, ab. In der Betonung der Horizontalen wollte sich Lissitzky abgrenzen.
Die Pfeiler – die einzigen vertikalen Elemente – sollten Treppenhäuser und Aufzüge beherbergen, für die eigentliche Nutzung ist die Horizontale vorgesehen. Genau dies passiert jetzt in München, denn: Lissitzky hatte seine Wolkenbügel seinerzeit für den Moskauer Boulevardring vorgesehen, sie wurden aber nie verwirklicht und blieben Theorie. „Hier wird diese Idee wohl zum ersten Mal realisiert“, betont Ernst umso stolzer. Und stolz ist Ernst auch auf die Energieeffizienz.

Spektakulärer Blick
über ganz München


„Wir liegen 40 Prozent unter den deutschen Anforderungen an Energieeinsparung.“ Dafür sorgen auch die doppelschichtigen Kompaktfensterwände mit Sonnenschutz, die individuell geöffnet werden können. Rund 80 Prozent der etwa 7000 Quadratmeter Bürofläche seien bereits vermietet. Die Mieter können sich auch auf einen Loftcharakter mit großer Terrasse und einen spektakulären Blick über ganz München bis zu den Alpen freuen – wenn der weiß-blaue Himmel nicht gerade ergraut.
„Das Stadtbild und die Stadtsilhouette werden nicht beeinträchtigt, der Ausblick ist einzigartig“, schwärmte Ude. „Von hier oben kann man sehen, dass München brummt.“ Ob er sich manchmal als Oberbürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt auch einen derartigen Überblick wünsche? „Die Rathauslage am Marienplatz mitten im Herzen der Stadt gefällt mir noch besser.“ (Marco Frei)

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