Bauen

Tintern Abbey. (Foto: Wiegand)

21.10.2016

Schlösser, Kirchen, Klöster

Irlands alter Osten – Bauten von der Moderne bis in die Jungsteinzeit

Irlands alter Osten führt vom Heute weit in die Vergangenheit und dementsprechend variieren die Baustile der Schlösser, Kirchen und Klöster bis zu denen der geheimnisvollen, 5000-jährigen Kultstätten. Moderne, Mittelalter und Mystik gespiegelt in der Architektur. Bei der Ankunft auf dem Dublin Airport im Terminal 2, entworfen von Pascall+Watson Architects, herrscht Neuzeit. Als dieser Anbau 2010 in der Finanz- und Immobilienkrise fertig wurde, sorgte man sich um die Auslastung. Nun aber brummt er in jeder Hinsicht. Im Wikingerstädtchen Wexford, rund 100 Kilometer südwärts, brummen die Bässe im National Opera House von 2008. Den Planern von Keith Williams Architects ist es gelungen, das neue Haus in ein Sträßchen einzufügen. Mit Ausnahme des dunklen, schrägen Turms haben sie sich dem Straßenbild angepasst. An anderen Stellen wurden Reste der alten Stadtmauer ins neuere Umfeld integriert. Zur Achtung der Historie fordert schon Wexfords „Nachbarschaft“ heraus: das 800 Jahre alte Hook Lighthouse auf der Hook-Halbinsel, einer der ältesten Leuchttürme weltweit, und die Tintern Abbey, ein früheres Zisterzienserkloster. Beide gehören zum geschützten Erbe, auf Englisch heritage. 115 Stufen führen hinauf zur Aussichtsplattform des Leuchtturms. Mönche haben ihn einst errichtet, sorgten auch fünf Jahrhunderte für das Leuchtfeuer. Danach taten es Leuchtturmwärter und bewohnten den Turm mit ihren Familien, bis unten Hütten gebaut wurden. Seit 1996 wird sein Licht ferngesteuert.
Vielleicht kamen die Turmbauer sogar aus Tintern Abbey, gegründet um 1200 von William Marshal, Earl of Pembroke. Er, ein Waliser, geriet vor der Küste in Seenot und gelobte, beim Überleben ein Kloster zu gründen. Das geschah und bald war es eines der reichsten in Irland. Sein Turm sowie die Ruinen von Kirche, Kapelle und Kreuzgang künden noch von einstiger Pracht. Genau wie andere Klöster wurde Tintern Abbey unter König Heinrich VIII. um 1541 aufgelöst, dann aber bis etwa 1960 von der Familie Colclough bewohnt. Letztendlich hat der Staat die Abtei-Ruine in Stand gesetzt.
Den historischen Garten der Colcloughs haben Freiwillige in mehrjähriger Arbeit originalgetreu wieder angelegt. Wie vor 200 Jahren blüht es vor den alten Mauern. Anders als in der verstummten Tintern Abbey ist Leben in Kilkenny (gegründet im 6. Jahrhundert) und seinem Schloss. Beides ist ebenfalls dem Baumenschen William Marshal zu verdanken, der den Ort ab 1207 in ein Mittelalter-Städtchen verwandelte und eine Trutzburg hoch über dem Fluss Nore errichten ließ. Die machtvolle Butler-Familie erwarb die Burg 1391, baute sie zum Schloss um und wohnte dort fast 600 Jahre. Arthur, der letzte Nachfahre, übergab es für symbolische 50 Pfund der Stadt.
Das für Besucher geöffnete Schloss und der schöne Schlossgarten locken viele ebenso an wie die muntere Mittelaltermeile mit ihren oft farbstarken Häusern und Läden. Die intensiv blaue Lanigan’s Bar zählt sogar zu Irlands ältesten Pubs. Dort ist wirklich was los. Anders in Trim Castle nordwestlich von Dublin, Europas größtem Normannenschloss am Fluss Boyne, ein leerer Riesenbau, begonnen 1173 durch Hugh de Lacy. Bauzeit insgesamt 30 Jahre. Auch dort gilt, wo heritage dransteht, ist auch heritage drin. Die Sicherung dieses Erbes wurde 2003 mit dem Europäischen Preis für Restauration gewürdigt. 1994 hat man hier den Film Braveheart mit Mel Gibson in der Hauptrolle gedreht. Etwas „brave“ (mutig) müssen auch diejenigen sein, die drei Stockwerke bis zum Balkon emporsteigen, um in die Grafschaft Meath zu blicken. Große Kultur- und Architekturgeschichte wurde dort geschrieben: in Kells, auf dem Hügel von Tara und in Newgrange. In Kells, wo der Missionar Columban der Ältere um 554 ein Kloster gründete, fällt sogleich das keltische Marktkreuz aus dem 9. Jahrhundert auf. Es stammt – ähnlich wie das Columban-Gebetshaus – aus der Zeit, als die Mönche die von den Wikingern zerstörte Abtei neu gründeten. Der Stadtname erinnert an das weltberühmte Book of Kells, ein kunstvoll illustriertes Manuskript mit den vier Evangelien, vermutlich im schottischen Kloster Iona ums Jahr 800 geschrieben. Ob zum Teil auch in Kells, ist ungeklärt. Diesen Schatz von Weltgeltung hütet seit 1661 das Trinity College in Dublin. In Kells zeigt die St. Columban Kirche ein Faksimile. Die noch geheimnisvolleren Orte liegen am Boyne, Irlands Schicksalsfluss. So der „Hill of Tara“, auf den ersten Blick nur ein Grashügel, doch mehr als 4000 Jahre alte Steingräber hat man entdeckt. Hier residierten lange vor Christi Geburt die legendären irischen Hochkönige. Erst Cormac mac Airt im 3. Jahrhundert n. Chr. ist historisch belegt. Auf dem höchsten Punkt des Hügels steht der Schicksalsstein Lia Fáil, an dem die Hochkönige jahrhundertelang gekrönt wurden. Einige von ihnen wandten sich mitsamt ihrem Stamm jedoch dem Christentum zu. Mael Shechlainn, der letzte, gab den Sitz 1022 auf. Dennoch bleibt der „Hill of Tara“ für die Iren ein sehr wichtiger Ort. Noch rätselhafter ist die nordöstlich liegende Kultstätte Brú na Bóinne mit den Jungsteinzeit-Gräbern Newgrange, Knowth und Dowth. Ein UNESCO-Weltkulturerbe. Bauern mit Werkzeugen aus Holz und Stein schufen vor rund 5000 Jahren diese großartigen Grabbauten, dekoriert mit Spiralen, Rauten und Dreiecken. „Über deren Bedeutung gibt es nur Theorien“, betont Guide Paul Kelly. Die Spiralen könnten eine noch nicht entzifferte Schrift sein, womöglich auch eine Darstellung der wandernden Gestirne.
Ein niedriger, fast 19 Meter langer Tunnel führt in eine Kammer mit drei Nischen. In zwei Steinbecken hat man dort Knochen von fünf Personen entdeckt. Eine sensationelle, bis heute wasserdichte Konstruktion ist die sechs Meter hohe Decke in Kragsteintechnik aus schichtweise übereinander gelagerten Felsen mit einem Schlussstein und ganz ohne Bindemittel. Das Gewicht des rund 0,5 Hektar großen Steinhügels über dem Grab wird auf 200 000 Tonnen geschätzt. Das Besondere an Newgrange ist die kleine Fensteröffnung über dem Eingang, die 1963 entdeckt wurde. Bei Tagesanbruch der Wintersonnenwende am 21. Dezember und schon einige Tage zuvor fällt ein Sonnenstrahl in die Kammer und wandert dann den Gang entlang. Paul Kelly imitiert ihn mit der Taschenlampe. Der Lichtstrahl wurde „vielleicht als mächtiges Symbol für den Sieg des Lebens über den Tod gesehen, das auch den Geistern der Toten ein neues Leben versprach“, ist im Besucherführer auf Deutsch zu lesen. (Ursula Wiegand) (Terminal 2 des Dubliner Flughafens; die Kultstätte Newgrange; die neue Oper in Wexford und das Columban-Gebetshaus - Fotos: Wiegand)

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