Bauen

28.06.2013

"Schlummernder Riese"

Ingenieurekammer-Bau-Kolumne: Helmut Schütz, 1. Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, zum Zustand und Erhalt der Straßen

Wer entdeckt das tiefste Schlagloch, findet das buckeligste Straßenstück? Von Zeit zu Zeit versuchen politische Parteien – vornehmlich natürlich aus der jeweiligen Opposition heraus – auf Versäumnisse beim Erhalt der Straßeninfrastruktur hinzuweisen. Dabei geht es nicht einmal so sehr um Schlaglöcher und buckelige Straßenbeläge. Sich einen Achsbruch zuzuziehen oder gar in einem Schlagloch zu versinken, gehört in Deutschland mit Sicherheit nicht zu den größten Gefahren im Straßenverkehr. Die Befahrbarkeit unserer Straßen ist im Allgemeinen immer noch recht gut. Um diese (noch) exzellente Infrastruktur wird Deutschland auch weltweit beneidet.

Haushaltsansätze
sind zu niedrig bemessen


Viel größere Sorgen müsste uns eigentlich die Tatsache machen, dass langfristig das immer besser ausgebaute und stärker beanspruchte Straßennetz mit den bisherigen Haushaltsansätzen von Bund, Ländern und Kommunen nicht zu erhalten ist. Hier schlummert ein Riese, der bisher aber nur von Ingenieuren zu erkennen ist. Offenkundig wird er erst dann, wenn die erste Autobahnbrücke wegen aufgebrauchter Tragfähigkeit gesperrt werden muss.
Seit Jahrzehnten bauen wir Jahr für Jahr unser Straßennetz neuzeitlich aus. Dabei steht nicht einmal der Zuwachs an Straßenkilometern im Vordergrund. Autobahnen erhalten zusätzliche Fahrspuren, Ortsumgehungen werden eröffnet und nicht zuletzt leistet man sich neuartige, deutlich leisere Asphaltbeläge, die aber aufgrund ihrer offenporigen Struktur eine wesentlich geringere Haltbarkeit als die früher üblichen Asphalte aufweisen. Selbstverständlich handelt es sich bei alldem um sinnvolle und notwendige Bauvorhaben, um dem stetig wachsenden Verkehrsaufkommen halbwegs gerecht zu werden. Die notwendige Erhaltung dieses ständig anwachsenden Anlagevolumens kommt indes zu kurz.
Bereinigt um den Baupreisindex sind die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die Erhaltung der Straßen- und Brückeninfrastruktur seit Jahrzehnten nahezu gleich geblieben – und dies trotz des immensen Zuwachses an Anlagevolumen. Dies wäre so, als würde ein Privatmann ein Haus besitzen und jährlich für Instandhaltung und Reparaturen 3000 Euro zurücklegen. 20 oder 30 Jahre später würde derselbe Privatmann immer noch dieselben 3000 Euro jährlich zurücklegen, mittlerweile aber fünf oder zehn Häuser besitzen. Er müsste dann feststellen, dass seine Rücklagen für die Instandhaltung all seiner inzwischen gebauten Häuser nicht mehr ausreichen.
Sieht man sich den Bestand an Brückenfläche im Zuge der Autobahnen, Bundesstraßen und Staatsstraßen in Bayern näher an, so stellt man fest, dass nahezu ein Drittel davon in den 1970er Jahren entstanden ist. Damals hatten die Brücken nicht mal ein Fünftel des heutigen Schwerlastverkehrs auszuhalten und auch die zulässigen Achslasten waren noch niedriger. Das heißt nicht, dass die damals gebauten Brücken heute einsturzgefährdet wären. Achslasten und Anzahl der Schwerverkehrs-Übergänge bestimmen jedoch den Alterungsprozess und damit die Lebensdauer einer Brücke. Besonders Schwertransporte tragen überproportional zur Alterung einer Brücke bei. Auch hier gibt es Entwicklungen, die vor Jahrzehnten nicht annähernd abzusehen waren. So hat die Zahl der genehmigungspflichtigen Schwertransporte etwa im Bereich der Autobahndirektion Nordbayern in den vergangenen 30 Jahren von unter 5000 im Jahr auf heute über 90 000 im Jahr zugenommen.

Gewaltiger Berg
an Ersatzinvestitionen


Das alles führt dazu, dass wir in den nächsten zehn bis 20 Jahren mit einem gewaltigen Berg an Ersatzinvestitionen in unserer Straßeninfrastruktur konfrontiert sein werden. Auch die Politik hat dies erkannt und die Haushaltsansätze für den Straßenerhalt zu Lasten von Neubau und Ausbau erheblich hochgefahren. Dies wird aber in Zukunft nicht ausreichen. Wenn wir neben dem Erhalt des bisher Geschaffenen auch noch überlastete Autobahnabschnitte wie etwa die A3 oder A6 in Nordbayern ausbauen und seit Jahrzehnten geplante Projekte wie etwa die unverzichtbare A94 in Südostbayern vollenden wollen, werden wir um neue Finanzierungsformen für die Verkehrsinfrastruktur nicht herumkommen.
Die Politik hat den schlummernden Riesen erkannt und ringt bereits heftig um Finanzierungsmodelle, die auch den Bürgern zu vermitteln sind. Klar ist jedenfalls eines: Ohne zusätzliches Geld wird der Zustand des deutschen Straßennetzes, um den wir überall im Ausland beneidet werden, nicht zu halten sein.

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