Bauen

Venezianische Villa im Palladiostil. (Foto: Eva-Maria Mayring)

07.04.2017

Schöne Bauernhäuser und venizianische Villen

Der Architektur des Unter- und Oberengadins auf der Spur

Wenn es um Wintersport geht, dann steht natürlich St. Moritz an erster Stelle. Die legendäre, Schweizer Wintersportregion zwischen Corviglia, Corvatsch und Diavolezza hat eine Menge zu bieten. Außerdem sagt man, dass im Engadin die Wintersonne Überstunden macht und die schönsten Bauernhäuser und sogar venezianische Villen im Unterengadin stünden. Nach einem bittersauren Schluck Heilwasser aus der Quelle von Bad Moritz, die 1815 entdeckt und nach dem Namenspatron Hl. Mauritius benannt wurde, bekommt man genug sprudelnde Energie, um in St. Moritz auf Entdeckungsreise zu gehen. Seine eigentliche Entstehung verdankt der legendäre Wintersportort dem Hotelier Johannes Badrutt, der seinen englischen Sommergästen 1864 Sonne von Weihnachten bis Ostern versprach, ansonsten wolle er ihre Reisekosten übernehmen. Braungebrannt und bestens erholt kehrten die Gäste wieder nach Hause. Das Experiment war geglückt und damit fiel der Startschuss für den boomenden Wintersport. Bei einem Bummel durch die viel besuchte Alpenstadt, mit ihren renommierten Hotels, chicen Boutiquen und Restaurants fällt jedoch auf, dass ein einheitlicher Architekturstil im Nobelort kaum vorkommt. In der „City“ von St. Moritz ballt sich der Verkehr und statt einer beruhigten Einkaufstraße, gibt es nur schmale Passantenwege, die zu den first class Boutiquen führen. Steht man auf der gegenüberliegenden Seite des Moritz Sees, so erkennt man sofort, dass die Gebäude keineswegs dem Charme des Orts entsprechen. Unzählige Ferienwohnungen blockartig, in Linie an- und übereinander platziert sind keine Zierde. Lediglich das Palace Hotel in seiner prägnanten Schlossarchitektur im historistischen Stil des 19. Jahrhunderts mit dem mächtigen Giebelturm, der mit den umliegenden Gipfeln des grandiosen Bergpanoramas unbedingt konkurrieren kann, ist hier eine Ausnahme, die wiederum nur in St. Moritz zur Geltung kommt. Das Kulmhotel, das heutige Kempinski Grand Hotel des Bains, und auch das Hotel Waldhaus am See haben allesamt den markanten Gründerzeitstil übernommen, repräsentativ und großräumig definieren sie noch heute die Skyline und den Charakter von St. Moritz. Mit der Chantarella Standseilbahn geht es auf das Sonnenplateau der Corviglia (2486 Meter), wo neben den zahlreichen, leichten, mittel und schweren Abfahrten sich unübersehbar die Quattro Bar präsentiert, die auf 100 Quadratmetern 90 Gästen Platz bietet. Die leichte Bauweise der Bergbar besitzt eine raffinierte Glasfassade, was auf 2486 Metern Höhe ungewohnt erscheint, wenn man an die massive Hüttenbauweise denkt, die sonst in diesen Höhen gebaut wird. Erbaut vom Architektenteam Steiner Sarnen und 2013 im Designerstil ausgestattet mit Naturstein, Holz und offnenen Kaminen von Schmidhuber, erfreut sich die Bar großer Beliebtheit.

Reichverzierte Fassaden
mit Erkern und Balkonen


Statt Höchstgeschwindigkeiten und Pistenrausch bietet die knapp zweistündige Fahrt mit dem Bernina-Express Entschleunigung pur. Steigt man in dem kleinen Ort Poschiavo aus der „Kleinen Roten“, wie die Rhätische Bahn genannt wird, aus, überrascht die untypische Architektur aus dem 19. Jahrhundert. Im sogenannten Spaniolenviertel reihen sich stattliche Villen und Palazzi aneinander, die so in Graubünden einzigartig sind. Kaspar Howald, Kunsthistoriker, führt durch die engen Gassen. „Aus wirtschaftlichen Gründen mussten viele Puschlaver im 19. Jahrhundert nach Australien, Russland oder Amerika auswandern“, erzählt Howald. „Vorwiegend als Zuckerbäcker verdienten sie sehr gut im Ausland und kehrten nach etwa zwanzig Jahren wieder nach Poschiavo zurück. Da sie ihren erworbenen Reichtum nicht verbergen wollten, engagierten sie den venezianische Architekten Giovanno Sottovia. Er erbaute ihre schmucken Palazzi im neoklassizistischen Stil.“ Reichverzierte Fassaden mit Erkern und Balkonen schmücken noch heute die Gebäude, zu denen meist auch ein Gemüse- und ein Blumengarten gehören. Die spätgotische Stiftskirche San Vittore mit einem mächtigen, romanischen Turm und das alte Frauenkloster harmonieren keineswegs mit den prächtigen Villen. Sie gehören zum gewachsenen Dorfzentrum, dem sogenannten Borgo des imposanten Orts.
Im Gegensatz zum attraktiven, sportlich ambitionierten Oberengadin mit Orten wie St. Moritz, bietet das Unterengadin im Südosten des Landes ein eher beschauliches Bild. Urige Bergdörfer liegen vereinzelt hoch oben auf den Hängen und sind nur über enge Serpentinenstraßen erreichbar. Einer der Vorzeigeorte ist das rätoromanische Guarda, das majestätisch auf 1653 Metern Höhe thront. Geht man durch die engen Gassen, links und rechts typische Engadiner Häuser, so wird man nicht müde, die reichen Verzierungen der Fassaden mit fantasievollen Sgraffittiornamenten mal floral mal mit Tierfiguren zu bewundern. Bunt bemalte Bauernhäuser mit breiten, geschnitzten Holztoren, verzierten, tiefliegenden Fensternischen und Erkern entführen den Besucher ins 19. Jahrhundert, als voll bepackte Heuwagen über das holprige Kopfsteinpflaster polterten und in den Ställen Kühe und Schafe standen.
Selbst ein Besuch in der „Ostaria Crusch Alba“, wo in der alten zirbenholzgetäfelten Stube munter das Kaminfeuer lodert, sich Einheimische ihre dampfende Gerstensuppe schmecken lassen und dabei auf Rätoromanisch unterhalten, glaubt man noch immer, die Zeit wäre stehengeblieben.
(Eva-Maria Mayring) (Bauernhaus mit Scraffiornamenten verziert aus dem 19. Jahrhundert; Da Badrutt Palace Hotel und die Quattro Bar - Fotos: Eva-Mara Mayring)

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