Bauen

Die neue Eis- und Felslandschaft. (Foto: Tierpark Hellabrunn)

24.12.2010

Schöner plantschen

Die neue Eisbärenanlage im Münchner Tierpark Hellabrunn

Nach 287 Tagen Bauzeit wurde im August 2010 die neue Eisbärenanlage im Münchner Tierpark Hellabrunn eröffnet. Mit der Planung des 5,2 Millionen Euro teuren neuen Anlage beauftragt waren Lanz Architekten + Generalplaner, München. Das Architekturbüro Peter Lanz hatte auch die bisherige Eisbärenanlage erbaut, die ebenfalls für die damalige Zeit Maßstäbe setzte. Die Landschaftsarchitekten Teutsch Ritz Rebmann gestalteten die Tundra- und Taigalandschaft sowie den Besucherbereich (Entdeckerwege/Fußwege/Pflanzungen).
Das Grundgerüst der Fels- und Eislandschaft bildet die bestehende Eisbärenanlage. Beim Bau der künstlich gestalteten Polarlandschaft 1972 war es das Ansinnen der Architekten, durch die Kantigkeit an die kristalline Struktur der Eisberge in der Arktis zu erinnern. Im Gegensatz zu dem seinerzeit eher abstrakten Entwurf hatte die Neugestaltung nun ein möglichst naturnahes Erscheinungsbild zum Ziel. Verwirklicht wurde dies durch die Gestaltung der über 300 Quadratmeter großen Rückwand als Nagelfluh-Felswand.
Nagelfluh ist ein Gestein, das im Isarhang gleich hinter der Anlage natürlich vorkommt und sich somit ideal in den Naturcharakter des Tierparks einfügt. Ergänzt wird diese natürliche Optik durch verschieden große Findlinge im Wasser- und Landteil der Anlage. Die in den 1970er Jahren eingebaute Glasabtrennung bleibt in ihrer Grundform erhalten, so dass die unmittelbare Nähe zwischen Mensch und Tier weiterhin ermöglicht werden kann, was vor 37 Jahren eine sehr innovative Form der Zoo-Architektur darstellte.
Äußerlich scheinbar unverändert, birgt die Glaswand erneut eine bahnbrechende Innovation: Die bestehenden Glasscheiben wurden durch ein neuartiges Vogelschutzglas, so genanntes Ornilux, ersetzt. Ein für das menschliche Auge nahezu unsichtbares Gitternetz im Inneren der Scheiben reflektiert das Licht im ultravioletten Spektrum und macht dadurch die Verglasung für Vögel deutlich sichtbar. Dadurch können diese ausweichen und ein Fliegen gegen die großen Glasflächen kann vermieden werden.
Ein Highlight ist die neue Felsenhöhle, deren Grundidee es ist, den Besuchern das Beobachten der Eisbären beim Schwimmen unter Wasser zu ermöglichen. Dazu wurde ein neues Wasserbecken gebaut, das besucherseitig komplett verglast ist. Durch die schattige Lichtstimmung in der Höhle wird die Einsehbarkeit auch bei Sonneneinstrahlung unterstützt, so dass die Eisbären bei jedem Wetter gut zu sehen sind. Feine Luftblasen, die zeitweise aus dem Boden des Beckens strömen, sollen die Neugier und den Spieltrieb der Eisbären wecken.
Unterhalb des Beckens wurde die neue Technikzentrale errichtet. Damit das Wasservolumen ständig umgewälzt und gereinigt wird, wurde hier eine leistungsstarke Pumpen- und Filtertechnik eingesetzt, so dass auch während der im Sommer natürlich vorkommenden Algenblüte möglichst klare Sicht in allen Becken herrscht. Die Filterung erfolgt dabei rein mechanisch; auf den Einsatz von Chemikalien wird zum Wohle von Umwelt und Tieren prinzipiell verzichtet.
Im Besucherbereich der Felsenhöhle war den Planern besonders wichtig, den etwas abfallenden Weg zur Unterwassereinsicht so zu gestalten, dass dieser spannende Gehegepart für jeden gut zugänglich ist. Daher wurde eine behindertengerechte Rampe eingerichtet, die auch von Familien mit Kinderwagen gut genutzt werden kann. Für den Belag der Fläche wurde ein mit Riesel abgestreuter Gussasphaltbelag gewählt.

Schallisolierte Wände


Südwestlich an die Unterwassereinsicht angrenzend beginnt der Übergangsbereich zwischen dem bisherigen Eisbärengehege und der neuen Tundra- und Taigalandschaft. An dieser Stelle befanden sich bisher ein Nebengehege sowie der Stall der Moschusochsen. Hier wurde das neue Mutter-Kind-Haus mit zwei Wurfboxen gebaut, die natürlichen Geburtshöhlen nachempfunden sind. Sowohl in der Natur als auch in Zoos ist es für Eisbärenmutter und -kind sehr wichtig, die Wochen unmittelbar vor und nach der Geburt absolut ungestört verbringen zu können.
Diesem Aspekt wird architektonisch dadurch Rechnung getragen, dass die Wände des Gebäudes schallisoliert sind und die Wurfboxen komplett abgedunkelt werden können. Ein schmaler Gang zu den Boxen sowie eingebaute Kameratechnik ermöglicht es den Pflegern, das Wohl von Mutter und Kind im Auge zu behalten. Von den Wurfboxen gelangen die Eisbären zunächst in einen „Spielflur“ innerhalb des Mutter-Kind-Hauses.
Vor dem Gebäude liegt ein kleiner Freibereich, der durch Schiebetore von der restlichen Anlage abgetrennt werden kann. Für die Besucher sehr gut einsehbar, entsteht so eine Fläche von rund 30 Quadratmetern, auf der Mutter und Kind von anderen Eisbären erst einmal ungestört sind. Der Boden dieses Bereichs ist mit Naturboden aus Hackschnitzel ausgelegt, was für Eisbärentatzen sehr angenehm ist. Dieser Bereich ist nicht nur Verbindungsstelle, sondern auch der schmalste Bereich der Eisbärenanlage, was Besucher besonders nahe an die Eisbären heranführt und deshalb als Entdeckerweg gekennzeichnet ist.
Da die Glaswand auch im neuen Gehegeteil kontinuierlich fortgesetzt wird, trennen nur 3,2 Zentimeter Panzerglas die Besucher von den Bären. Weitere Entdeckerwege, also Bereiche intensiver Tuchfühlung, entstehen entlang des Wassergrabens der neuen Tundra- und Taigalandschaft. Durch die Verwendung von Findlingen und Baumstämmen sowie durch gleichartige Bepflanzung wie in den Gehegeflächen, entsteht der Eindruck eines nahtlosen Übergangs vom Gehege zum Besucherbereich. Für eine behinderten- und rollstuhlgerechte Nutzung sorgt ein 2,5 Meter breiter Wegstreifen aus „Olympiamastix“, der parallel zu einem Weg aus Natur-Pflastersteinen läuft.
Das 1700 Quadratmeter große Gehege, in dem fast 30 Jahre lang Moschusochsen gehalten und gezüchtet wurden, wurde ebenfalls den Eisbären zugänglich gemacht. Die Grundform einschließlich des Wassergrabens blieb erhalten, wurde jedoch komplett auf die Bedürfnisse der Eisbären zugeschnitten. Im Gegensatz zur Fels- und Eislandschaft orientiert sich dieser Gehegeteil am natürlichen Aufenthaltsgebiet der Eisbären im Sommer, der klassischen Tundra- und Taigalandschaft. Ganz wie in der Tundra sind im vorderen Bereich des Geheges großzügige Wiesenflächen mit Natursteinfindlingen entstanden, die in der Nähe des Wassergrabens in ein natürliches Kiesufer münden. Der Wassergraben mit seiner geschwungenen Form ist einem Seeufer nachgebildet.

Bachlauf mit Kaskaden


In der längs gestreckten Wasserfläche können die Eisbären auf einer Länge von rund 60 Metern durchgängig schwimmen und tauchen. Vom Wassergraben aus steigt das Gelände an und erstreckt sich komplett über einen Hügel. Für Besucher verbessert dies einerseits die Einsicht in das Gehege, andererseits bleibt die rückwärtige Gehegeabgrenzung unsichtbar. Bepflanzt sind die hinteren, höher gelegenen Bereiche mit Birken und säulenförmigen Fichten. Abwechselnd dazu findet man Wiesenflächen sowie Strauchbepflanzung mit niedrigen Gehölzen, wie zum Beispiel der Zwergpurpurweide. Ein kleiner Bachlauf ergießt sich über Kaskaden bis zum Wassergraben. Er belebt nicht nur das Landschaftsbild und lädt die Eisbären zum Plantschen ein, sondern sorgt zudem für einen zusätzlichen Sauerstoffeintrag in den Wassergraben. (BSZ)

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