Bauen

Der preisgekrönte Kuhstall aus Holz. (Foto: Florian Nagler)

20.07.2012

Selig schlummern im Zirbelstüberl

Holz hat das Potenzial zum Baustoff der Zukunft zu werden

Sie gilt als „Königin der Alpen“, ist eine Kiefernart und stärkt die Gesundheit: die Zirbe (oder Arve, lat. pinus cemba). Von der wohltuenden Wirkung des Zirbenholzes sind erfahrene Schreiner und Baubiologen schon lange überzeugt. So wurden Kinderwiegen und Betten häufig aus dieser Holzart gefertigt. Empirische Studien belegen, dass die menschliche Herzfrequenz in Zirbenholzzimmern gesenkt wird, was für gesunden Schlaf sorgt. Darüber hinaus wehrt das Holz der Zirbe Insekten ab und wirkt bakterienhemmend.
Holz generell reguliert als hygroskopischer Baustoff die Raumfeuchtigkeit. Rasch nimmt es diese auf und langsam gibt es diese wieder ab. Dadurch herrscht eine ausgeglichene Luftfeuchtigkeit. Zusammen mit den thermischen Qualitäten des Holzes, wie etwa seiner Wärmeleitfähigkeit und -speicherfähigkeit wird die Raumtemperatur in einem Holzhaus stets als behaglich empfunden.
Gute Gründe, weshalb der alt eingesessene Tafernwirt Andreas Hörger in Hohenbercha bei Kranzberg (Landkreis Freising) sich bei seinem Neubau eines Gästehauses für diese Holzart entschieden hat. Seine Idee eines neuen Hotels, eingebettet im Dorfkern und gebaut nach ökologischen Grundsätzen im Einklang mit der Natur, wurde vom Freisinger Büro Deppisch Architekten im Sommer 2006 nach nur fünf Monaten Bauzeit realisiert.
Der langgezogene, zweigeschossige Bau folgt der Hangneigung des historischen Apfelgartens. Die 22 Zimmer des Hotels wurden jeweils als hölzerne Boxen gestaltet mit Wänden aus Zirbe und Böden aus heimischer Eiche. Sie sind direkt zum Garten hin orientiert und werden über einen ebenfalls geneigten Laubengang erschlossen. Eine vertikale Lattung schließt den Laubengang ab, wobei diese sich kontinuierlich aufdreht und am Ende den Blick in die Weite freigibt.
Mit praxisbezogenen Werkberichten dieser Art vertiefte das Symposium „Bauen mit Holz – Wege in die Zukunft“ die Themen der gleichnamigen aktuellen Ausstellung im Architekturmuseum der TU München.

Ein positives Image


Im ersten Teil thematisierten die Referenten die ökologischen und ökonomischen Aspekte von Holz. Das positive Image hölzerner Baustoffe ist verknüpft mit dem aus der Forstwirtschaft stammenden Begriff der Nachhaltigkeit und Schlagwörtern wie aktiver Klimaschutz, Zukunftsfähigkeit, Ressourceneffizienz. Dass Ökobilanz, Zertifizierung, Lebenszyklusanalyse auch in der Architektur und dem Bauwesen eine Rolle spielen, erklärte Sabine Djahanschah von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
Holz als innovativer Baustoff besitze eine lange Tradition in Deutschland, so die Referentin. Dieser Baustoff, der dem Rohstoffkreislauf komplett wieder zurückgegeben wird, habe das Potenzial zum Baustoff der Zukunft zu werden. Die Tatsache, dass 55 Prozent des Abfalls in Deutschland aus dem Bauwesen stammen, müsse jeden wachrütteln, der die Welt retten und die Menschen glücklich machen, respektive den CO2-Verbrauch sowie seinen ökologischen Fußabdruck verringern will.
Aber weil auch ein CO2-neutrales Gebäude bekanntlich aus mehreren Produkten besteht, stellt es ein gewisses Problem dar, diese über einen langen Betrachtungszeitraum zu verfolgen, so der Münchner Architekt Holger König. Um genaue Aussagen über die Performance eines Hauses in energetischer wie stofflicher Hinsicht machen zu können, stünden dem Architekten deshalb heute speziell entwickelte Softwareprogramme zur Verfügung.
Ebenso präzise in der Planung und sensibel eingegriffen in die Landschaft wie im bereits erwähnten Hohenbercha wurde in Thankirchen bei Dietramszell. Gemeinsame Überlegungen von Bauherr, Architekt und Tragwerksplaner führten zu einem Gebäude, das in seiner Art ein Novum darstellt. Ob der Name des Orts die Idee einer dreischiffigen Basilika für einen Kuhstall beflügelte? Jedenfalls sind die Kühe, wenn sie denn nicht auf der Wiese grasen, in einem Holzstadel untergebracht, das auch als Architekturjuwel glänzt.

Sägeraues Vollholz


Für die so simpel anmutende Konstruktion aus sägerauem Vollholz wurden gleich drei Architekturpreise vergeben. Denn im Inneren der jeweils den unterschiedlichen Funktionsbereichen (Fressen, Liegen, Durchfahrt mit Fresstisch) zugeordneten Schiffe entfalten sich überraschende Qualitäten und Wirkungen. Umso überraschender erscheint es, wenn der verantwortliche Architekt des landwirtschaftlichen Zweckbaus, Florian Nagler, die zum Titel seines Vortrags gemachte Frage: „Aus Prinzip Holz?“, mit einem klaren „Nein“ beantwortet. Aber dann erläutert er doch, dass es natürlich viele Projekte gibt, bei denen man Holz als Baustoff sowohl in konstruktiver, ökonomischer und ästhetischer Sicht verwenden kann.
Die Bandbreite seiner Projekte spiegelt die unterschiedlichen Anwendungsbereiche des Baumaterials Holz – von der reinen Holzkonstruktion über Holz/Stahlhybridtragwerk bis zum Holz/Stahlbetonhybridtragwerk. Bereits 1997 begeisterte Nagler die Jury mit seinem Wettbewerbsbeitrag zum Deutschen Pavillon für die Expo 2000 in Hannover. Er erhielt den 1. Preis. Sein Projekt wurde aber nicht realisiert. Es folgte „ökumenisches Bauen“ auf dem ehemaligen Flugfeld München-Riem. Parallel zum Kirchenbau entstand in Freising unter seiner Regie der beachtenswerte Neubau der Fachhochschule Weihenstephan an der Pappelallee, ein 140 Meter langer, zweistöckiger, der Hanglage folgender Holzbau sowie in Gleißenberg das Wohnhaus und Atelier Lang-Kröll, ein „Plastikhaus“ mit hölzernem Kern, das Materialien kombiniert und traditionelle Bauformen transformiert.
Eine Kombination aus grauen Holzstützen und sandgestrahltem Sichtbeton für Boden und Decke ist sein 2009 fertiggestelltes Besuchergebäude der KZ-Gedenkstätte Dachau. Hier wurde die Idee der Glasfassade hinter teils schräg stehenden Stützen aus sägerauer Douglasie realisiert. Das Wäldchen, das dem Gebäude weichen musste, diente als Materiallieferant. Die Gesamtanlage bildet ein Karree, in dem sich ein deformiertes Hakenkreuz zu erkennen gibt.
(Angelika Irgens-Defregger)

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