Bauen

Auf knapp 2,1 Millionen Euro beliefen sich die Gesamtkosten für die Hohe Brücke in Gunzesried. (Foto: Schütz Ingenieure)

14.10.2011

Sicher übers Tal rollen

Ersatzneubau für die Hohe Brücke in Gunzenhausen

Die Hohe Brücke in Gunzesried wurde in den Jahren 2010 bis 2011 erneuert. Sie ersetzt eine im Jahr 1901 erbaute und 1964 verstärkte Bogenbrücke aus Stahlbeton. Diese war eine der ersten Brücken, die in Deutschland aus dem damals neuen Baustoff Stahlbeton unter großen Mühen sowie besonderer Beteiligung und Einsatz der Talbewohner erbaut wurde. So stellten sie neben den Baumaterialien Kies und Holz auch ihre Arbeitskaft zur Verfügung. Der Bogen dieser Brücke diente dem Neubau als Traggerüst und nutzte damit nach 110 Jahren die neue Brücke wirtschaftlich und sicher in der großen Höhe herzustellen.
Die neue Brücke ist nach einer überdachten Holzbrücke aus dem 17. Jahrhundert das dritte Brückenbauwerk, das an dieser Stelle errichtet wurde. Spuren von den beiden Vorgängerbrücken sind heute noch sichtbar. Geplant wurde der Ersatzneubau von Schütz Ingenieure, Kempten.
Die Gemeindeverbindungsstraße zwischen den Ortsteilen Gunzesried und Gunzesried-Säge überquert das Tal der Gunzesrieder Ach in einer Höhe von rund 25 Metern. Es ist die einzige öffentliche Verbindungsstraße zum Ortsteil Gunzesried-Säge. Bei dem bestehenden Bauwerk handelte es sich um ein denkmalgeschütztes Bogentragwerk.
Bei der im Jahr 2007 durchgeführten Hauptuntersuchung wurden erhebliche Schäden, insbesondere am Tragwerk von 1901, festgestellt. Die Standsicherheit, die Dauerhaftigkeit und die Verkehrssicherheit waren beeinträchtigt. Instandsetzungsmaßnahmen oder ein Neubau waren dringend erforderlich.
Die derzeit zulässige Belastung von 16 Tonnen mit Ausnahmegenehmigungen für Einzelfahrzeuge reichte für das vorhandene Verkehrsaufkommen nicht mehr aus. Umfahrungsmöglichkeiten für den Lkw-Verkehr gibt es nicht. Umfahrungen für den Pkw-Verkehr über Forststraßen und einen Wanderweg sind nicht vorgesehen und witterungsbedingt nicht ganzjährig nutzbar.
Für den Neubau wurden im Rahmen der Vorplanung verschiedene Varianten untersucht. Aufgrund der geologischen Situation (Trennflächen im Fels, Klüfte) musste die bestehende Stützweite vergrößert werden, da die Lagerpunkte weiter nach hinten versetzt werden mussten.
Ein Einfeldträger oder ein einfaches Rahmentragwerk erfordern deutlich größere Überbauhöhen. Für ein Bogentragwerk hätte, aufgrund der größeren Stützweite, der Bogenstich deutlich erhöht werden müssen. Im Zuge der Variantenuntersuchung stellte sich der Herstellungsprozess (Montage) als wichtiges wirtschaftliches Kriterium, insbesondere für die Gestaltung im Längsschnitt, heraus.
Hubmontage ist beim Einfeldträger oder einfachen Rahmentragwerk nur bei Teilung des Überbaus in Längsrichtung möglich. Dies erfordert jedoch Traggerüste, da die Mitverwendung des Bestands, aufgrund der notwendigerweise großen Überbauhöhe des neuen Tragwerks, nicht möglich war. Deshalb wäre auch für einen neuen Bogen ein Traggerüst notwendig gewesen.
Entwickelt wurde deshalb eine Variante als aufgelöstes Rahmentragwerk, die den bestehenden Bogen als Traggerüst nutzt und in ihrer Ansicht dem Charakter des bestehenden eleganten Tragwerks gerecht wird.
In Querrichtung wurde eine Variante in Stahlbeton und eine Variante in Verbundbauweise untersucht. Die gewählte Lösung in Verbundbauweise bietet die Möglichkeiten einer hohen Vorfertigung und damit einer Bauzeitverkürzung. Außerdem sind die Belastungen für den Baugrund aus dem Eigengewicht geringer.
Das Bauwerk wurde als integrale Verbundbrücke ausgeführt. Auf Lager- und Dehnfugen wurde bewusst verzichtet, um den Unterhalt zu minimieren. Die Gestaltung des Bauwerks ergab sich somit unter Berücksichtigung der besonderen Randbedingungen und nicht nur aus wirtschaftlichen und konstruktiven Gesichtspunkten. Als vorgezogene Maßnahme musste eine Behelfsbrücke erstellt werden.
Im Bereich der Brücke wird der Untergrund durchwegs von tertiären Schichten der „Unteren Süßwassermolasse“ gebildet. Die tertiären Schichten bestehen im Bereich der vorhandenen Widerlager nahezu vollständig aus Konglomeraten (Nagelfluh). Durch die steil stehenden Schichten sowie die beiden Kluftrichtungen nach SSW und NNE zerfällt der Nagelfluh in rautenförmige grobkantige Blöcke. Unmittelbar vor dem Widerlager Nord befindet sich ein großer Felsblock, der überhängend vor das bestehende Fundament ragt. Da die Sohlfuge auf der Kluftfläche deutlich geöffnet ist, kann als haltende Kräfte nur die Reibung zwischen Block und Fels angenommen werden. Bei der Neigung der Schichtfuge mit etwa 50 Grad liegen keine Restsicherheiten vor. Der gesamte Block ist absturzgefährdet.

Zerrüttungszone
bis zur Bachsohle


Am südlichen Widerlager liegt im Fundament bereits eine Abtreppung vor. Auf der SW-Seite ist die Schichtung maßgebend. Entlang der Schichtung ist der anstehende Nagelfluh und Sandstein vollkommen entfestigt und bildet eine Zerrüttungszone die von der Unterkante des bestehenden Fundaments bis zur Bachsohle reicht. Das gesamte Schichtpaket westlich der Zerrüttungszone kann als nicht standsicher betrachtet werden. Augrund der vorgenannten Randbedingungen und Schwierigkeiten wurden die Widerlager der Brücke nach hinten versetzt und mittels Großbohrpfähle gegründet. Der Überbau wurde als Stahlverbundkonstruktion mit zwei dichtgeschweißten Hohlkästen und eine Fahrbahnplatte mit einer variablen Dicke von 32 Zentimetern am Kragarm, 36 Zentimetern am Kragarmanschnitt und 40,5 Zentimetern in Feldmitte ausgeführt.
Die Stahlkonstruktion wurde in sechs Schüssen vorgefertigt und auf der Baustelle in Endlage verschweißt. Die Verbundsicherung erfolgt über Kopfbolzen im Bereich der Öffnungen in den Fertigteilen. Die Stützweite beträgt rund 42,00 Meter. Der Neubau wurde als integrales Bauwerk ausgeführt. Das bedeutet, dass auf Lager und Dehnfugen verzichtet wurde.
Im Oktober 2009 wurde zunächst mit dem Bau der Behelfsbrücke begonnen. Die Arbeiten an der neuen Brücke begannen dann unmittelbar nach der Verkehrsumlegung im Mai 2010 und wurden im August 2011 abgeschlossen.
Folgender Bauablauf wurde durchgefuhrt:
– Herstellen der Behelfsbrucke;
– Herstellen der Ortbetonpfähle;
– Herstellen der Verpresspfähle auf der Seite Gunzesried-Säge;
– Abbruch Belag, Gelander, Kappen und Abdichtung;
– Abbruch der Fahrbahnplatte, Längsträger, Stützen und Pfeilerscheiben;
– Abbruch Widerlager und Stützwände (teilweise);
– Betonieren der Pfahlkopfplatte;
– Montage der Stahlkonstruktion;
– Betonieren der Widerlager und Flügelwände, Hinterfüllung mit Magerbeton;
– Verlegen der Fertigteilelementplatten;
– Abschnittsweises Betonieren der Ortbetonplatte;
– Abbruch der Bogen, Entfernen des Abbruchguts mit Schreitbagger;
– Herstellung von Abdichtung, Kappen und Belag;
– Freigabe Verkehr auf neuem Bauwerk mit Verkehrseinschränkung (temporäre Absicherung statt Geländer);
– Umbau der Geländer von der Behelfsbrücke auf die neue Brücke;
– Rückbau der Behelfsbrücke sowie
– Herstellen der Spritzbetonschale auf den Abbruchkanten der Bogenkämpfer

Der Abbruch erfolgte erschütterungsarm


Der Abbruch der Fahrbahnplatte, der Längsträger, der Stützen und Pfeilerscheiben erfolgte von oben durch Schneiden und Herausheben der Konstruktionsteile. Der Abbruch der Bogen musste ebenfalls erschütterungsarm erfolgen. Vorgesehen war eine Sicherung des alten Bogens an der neuen Brücke. Nach dem Sägen des Bogens in mehrere Einzelteile wurden die Bogensegmente mit einem Seilzugsystem herabgelassen. Aufgrund des Felsblocks auf der Seite Gunzesried (absturzgefährdet) musste dieser Kämpferabschnitt vor dem Ablassen in Längsrichtung verschoben werden. Das Abbruchgut wurde dann mit einem Schreitbagger aus dem Bachbett entfernt.
Die Gesamtkosten für die Baumaßnahme belaufen sich auf insgesamt 2,089 Millionen Euro brutto. Die Kosten teilen sich wie folgt auf: Ersatzneubau einschließlich Abbruch: 1,546 Millionen Euro brutto; Behelfsbrücke: 543 000 Euro brutto.
Der Kostenträger ist die Gemeinde Blaichach. Die Baumaßnahme wurde vom Freistaat Bayern über die Regierung von Schwaben gefördert.
(Gerhard Pahl)

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