Bauen

Die Essener Synagoge steht mittlerweile unter Denkmalschutz. (Foto: Neumann)

01.07.2016

Stahlbetonbauweise verhinderte den Abriss

Die Essener Synagoge ist architektonisch besonders reizvoll

Mitten im Herzen des Ruhrgebiets: Die Alte Synagoge in Essen gilt in Europa als größtes freistehendes Gebäude der jüdischen Kultur zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie wurde durch den bekannten Stadtbaumeister Edmund Körner 1911 errichtet. Gleich daneben ließ die jüdische Gemeinde für ihre Gelehrten ein Rabbinerhaus erbauen. Mit dem Bau dieses mächtigen Gebäudes, das auch oft als wilhelminisch geprägter Monumentalbau bezeichnet wird, sollte die Integration und Anerkennung der Juden im Deutschen Reich ausgedrückt werden. Die Gestaltungsform der Baustile war von Architekt Körner gut durchdacht worden. Sie reichte von einer reichen Ornamentik aus der jüdischen Kultur bis hin zur christlichen Kirchenarchitektur.

Erinnerung an
christliche Kirchen


Mit dem byzantinischen Baustil wählte die jüdische Gemeinde bewusst einen in beiden Kulturkreisen angesiedelten Zentralgrundriss eines Kuppelbaus. Die sechs seitlich liegenden gotischen Rundbogenfenster sollen – ebenso wie die Orgelempore – an christliche Kirchen erinnern.
Die Fensterrosette der Synagoge schmückt ein siebenarmiger Leuchter, der für beide Religionen große Bedeutung hat: Ursprünglich aus dem Judentum stammend, befindet er sich schon seit vielen Jahrhunderten im Essener Münster, das nur wenige Minuten von der Alten Synagoge entfernt liegt.
Die Fensterrosette ist mit Psalmen umrandet worden. In deutscher und hebräischer Sprache sind hier zwei Zitate aus dem Alten Testament zu finden: „Wahrlich mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für alle Völker“ (Jesaja 56,7) und „Du sollst lieben deinen Nächsten wie dich selbst - ich der Herr“ (3.Buch Moses 19,18). Bei der Innenraumgestaltung der Alten Synagoge wurde der ornamentale Schmuck, insbesondere Mosaiken und Glasmalereien, mit einbezogen.
Besonders prachtvoll waren die drei großen Eingangstüren, die 18 Medaillons mit jüdischen Motiven schmückten. Die sechs großen Fenster in der Synagoge geben die bildlichen Darstellungen bestimmter jüdischer Feiertage wieder: Sabbat, Pessach, Rosch ha-schana, Jom Kippur, Schawuot und Sukkot.
Der imposante Kuppelbau weist Jugendstilelemente auf; die massive Verblendung besteht aus Muschelkalk, die an den Tempel Salomons in Jerusalems erinnern soll. Die freischwebende Kuppel ist 37 Meter hoch und bildet mit der benachbarten altkatholischen Kirche ein architektonisches Ensemble; die Länge des Baus beträgt 70 Meter. Aufgrund ihres Raumvolumens ist dieses Gebäude sogar größer als die neue Synagoge in Berlin.

Wechselvolle
Geschichte


Am 25. September 1913 wurde die Neue Synagoge in Essen im Beisein der jüdischen Gemeindemitglieder feierlich eingeweiht. Das neue Gebäude umfasste einen für über 1500 Personen großen Hauptraum; daran schlossen sich rechts und links mehrere Emporen, zum Beispiel für die Orgel und auch ein großer Bima-Bereich an. Von dort aus wurde während des Gottesdienstes aus der Tora vorgelesen. Hier fanden häufig auch Konzerte statt. Ferner gab es in diesem neuen Gebäudekomplex eine Wochentagssynagoge, Lehrräumlichkeiten, einen Gemeindesaal, ein Sekretariat, eine Bibliothek und einen Garten, der zum Verweilen einlud. Im angeschlossenen Rabbinerhaus befanden sich Kantor-und Rabbinerwohnungen.
Die Synagoge kann – bevor sie 2015 zum Haus der jüdischen Kultur wurde – auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken: 1938 wurden die Innenräume der Synagoge durch Brandstiftung schwer beschädigt; die Mauern blieben dabei aber erhalten. Immer wieder sollte diese Synagoge während des 2. Weltkriegs abgerissen werden. Die Verantwortlichen scheiterten aber an der massiven Bauweise aus Stahlbeton. Wegen der umliegenden Häuser kam auch eine Sprengung nicht in Frage. Somit überstand die Essener Synagoge den Zweiten Weltkrieg fast unbeschadet.

Vielfältige
Nutzung


Erst in den 1960er Jahren fand man Verwendung für die leerstehenden Räumlichkeiten der Synagoge: Von 1961 bis 1979 präsentierte hier der Verein „Industriereform“ Alltagsgegenstände im modernen Design. Heute befindet sich in diesem Gebäudekomplex – nach einem Umbau in 2010 – das Haus der jüdischen Kultur. Im Rahmen von Ausstellungen und Veranstaltungen kann der Besucher während der Öffnungszeiten alles zur jüdischen, deutsch-jüdischen Geschichte und zur jüdischen Kultur der Gegenwart erfahren. Im Zuge dieser Renovierungsmaßnahmen wurde auch der Vorplatz der Alten Synagoge mit einbezogen und die alte architektonische Verbindung zu der in der Nähe liegenden altkatholischen Kirche wieder hergestellt. Gleichzeitig renovierte man auch den 1907 eingeweihten Jahrhundertbrunnen und das Rabbinerhaus. Hier befindet sich heute das Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte der Universität Duisburg-Essen. (Sabine Neumann)

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