Bauen

11.03.2011

Tausendundein Tourismus

Im schönen Isartal soll ein orientalisches Märchenland entstehen

Der Gast der Zukunft“, weiß Heinz Schletterer aus Erfahrung und etlichen Studien, „möchte das Design eines Hotels nicht nur optisch erleben, sondern fühlen, riechen und manchmal auch hören.“ Der gebürtige Tiroler gilt als Weltmarktführer der „Wellness-Wasser-Industrie“, der jüngsten und wohl zukunftssichersten Ausformung des globalen Tourismus. Deren architektonischer Ausdruck wiederum ist das so genannte Spa-Equipment, das die von Schletterer aufgezählten Sinne aufs Angenehmste anspricht.
„Gesund leben mit Genuss“, wie der modische Begriff vom Deutschen Wellness-Verband definiert wird, ist in den wohlhabenden Ländern längst ein marktbeherrschendes und marktsteuerndes Massenbedürfnis geworden. Und so erblühen überall die Wellness-Oasen. Am dichtesten im alpinen Raum, vorzugsweise an dessen Rändern nahe großer Städte. Das südliche Oberbayern gehört denn auch zum Interessen-Terrain für Planer, Investoren und Spa-Spekulanten, den Kunden von Leuten wie Heinz Schletterer. Sein derzeit größtes Projekt: das „Spaladin“ bei Geretsried.
Zustimmung der Bürger
Gegen die vier Stimmen der Grünen hatte der Stadtrat im Dezember 2009 dieses Projekt abgesegnet, eine Bürgerbefragung brachte 80 Prozent Zustimmung. Der Stadt, von Flüchtlingen auf dem Gelände ehemaliger Rüstungsbetriebe südlich von Wolfratshausen gegründet, versprach die Betreibergesellschaft für das künftige Spaß-Spa 100 neue Dauerarbeitsplätze und viele weitere in einem angeschlossenen Fünf-Sterne-Hotel samt Ferienappartements und 120 Betten. Bei geschätzten 600 000 Besuchern jährlich würde auch die Gewerbesteuer reichlich fließen. Und überhaupt: die kleine Stadt würde auf Weltniveau gehoben. Im Umkreis von 60 Kilometern leben fast drei Millionen Menschen.
Die für das „Sondergebiet“ überplante Fläche ist 12,9 Hektar groß und erstreckt sich überwiegend auf einer ehemaligen Kiesabbaufläche, wie aus den der Regierung von Oberbayern vorliegenden Unterlagen hervorgeht. Es handelt sich demnach um das „größte Day-Spa der Welt“, sagt Schletterer. Er verheißt „eine orientalische Welt, die es in Anspruch, Form und Größe weltweit sonst nirgendwo gibt“. Er möchte ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht verwirklichen und die Besucher „zum Staunen bringen“. Daher der auf die orientalische Märchenfigur Aladin verweisende Name.
In Saudi-Arabien sitzt auch der potenzielle Hauptinvestor Adnan Zainy. Er hat 50 Prozent des nötigen Grundkapitals in Aussicht gestellt. Den Rest will das Betreiberunternehmen Newman Consulting über ein Bankenkonsortium zusammenholen. Mindestens 80 Millionen Euro soll das ganze Märchenreich kosten. Drei Millionen sind bereits in die Planung geflossen. Allerdings hat der Scheich seinen deutschen Partnern seit der weltweiten Finanzkrise erst mal eine Denkpause signalisiert. Doch Schletterer verströmt vorerst ungebrochenen Optimismus.
Auch die Geretsrieder Bürgermeisterin Cornelia Irmer (parteilos) ist nach wie vor überzeugt, dass das Spaladin realisiert wird. Mit allem Pipapo: mit Parkplätzen für 16 Busse und 700 Autos. Mit Teichen, Thermal-Pools und arabischem Hamam samt Sheherazade-Bad. Mit grüner Innenoase und einem Fitnessbereich, der 200 Gästen auch ausgefallene Trainingseinheiten bietet. Um denn auch die Sinne des Riechens und Schmeckens zu reizen, entsteht ein Souk mit Gewürzen aus dem Orient.
Woher schließlich auch verwöhnte Besucher erwartet werden. Für die Bevorzugten ist ein eigenes VIP-Areal eingeplant. Natürlich will man die Umwelt, das immer noch idyllische Isartal, möglichst schonen. Deshalb werden alternative Energieträger versprochen. Von der zeitweilig kolportierten Absicht, Salz aus dem Toten Meer und Geowärme aus der heimischen Molasse zu holen, hört man neuerdings nichts mehr. Ein wenig wurde das märchenhafte Projekt ohnedies schon abgespeckt. (Karl Stankiewitz)

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