Bauen

Gesamtansicht von "Gardens by the Bay". (Foto: Chris Dalzell)

15.06.2012

Unter Superbäumen

In Singapur entsteht ein riesiger neuer Botanischer Garten

Der boomende Handelsplatz Singapur ist schon jetzt die grünste Metropole Asiens. Im angesagten Stadtviertel South Bay haben die Singapurer dem Meer Neuland abge- rungen – und „Gardens by the Bay“ hochgezogen. Der erste Teil des 100 Hektar großen Freizeitparks und Natur- lehrpfads öffnet Ende Juni.
In Singapur wird groß gedacht: The Marina Bay Sands, Singapurs spektakuläres Resort, ragt auf drei 55-stöckigen Türmen hoch in den Himmel und dominiert seit 2010 die Skyline der Fünf-Millionen-Metropole. „Surfbrett“ und „Bügeleisen“ nennen es die Einheimischen spöttisch. Das meistfotografierte Motiv der Stadt ist eines der spektakulärsten Hotels der Welt. Der neue Botanische Garten der Stadt, der Ende Juni eröffnet, bleibt zwar auf dem Boden, ist aber nicht weniger gigantisch in seinem Konzept.
„Gardens by the Bay“, so nennen die Einheimischen die neue Gartenanlage im angesagten Stadtviertel South Bay – das Areal wurde in den vergangenen Jahren durch Neulandgewinnung mühsam dem Meer abgerungen. Es gibt der Stadt ein ganz neues Gesicht. „Wo wir jetzt stehen“, sagt Christopher Dalzell, „war vor 2007 noch Ozean. Die Gartenanlage liegt mitten in der neuen Downtown von Singapur und ich bin mir sicher, es wird bald ‚the place to be’, für jeden, der in die Stadt kommt und hier lebt.“
Gut, Chris, wie ihn alle beim Vornamen nennen, ist etwas befangen. Der Südafrikaner hat für das neue Stadtareal vor eineinhalb Jahren seine Heimatstadt Durban verlassen und rührt als „Gardens Operator“ die Werbetrommel in eigener Sache. Wer aber vor Eröffnung die Möglichkeit hat, den Park abzuschreiten, ahnt: Chris hat gar nicht so unrecht. Hinter jeder Kurve eröffnen sich im Park neue spektakuläre Blicke, zeigen sich exotische Pflanzen und architektonische Extravaganzen. Hier hatten einige kreative Köpfe fünf Jahre Zeit und einiges an Geld übrig.
Dabei hat der Stadtstaat vor der Südspitze Malaysias längst einen Botanischen Garten, der Weltruhm genießt und gerade erst erweitert wurde. Nun aber kommt ein zweiter Garten hinzu, gebaut auf Land, das Singapur dem Meer abgerungen hat. Und weil die Regierung des Finanzzentrums am Äquator erstens reich und zweitens clever ist, lässt sie sich den neuen Garten rund eine Milliarde Singapur-Dollar kosten. „Singapur hat sich in den letzten 40 Jahren um zwölf Prozent seiner Gesamtfläche erweitert“, erzählt Chris. Flächenmäßig ist die Stadt inzwischen fast genauso groß wie Hamburg.
150 Gärtner werden künftig im neuen Botanischen Garten gut beschäftigt sein: mit pflanzen, bewässern, umtopfen und jäten. Chris leitet eines der beiden riesigen Gewächshäuser, die im neuen Botanischen Garten gebaut werden. Überall suchte er nach passenden Bäumen, in Amerika und Spanien, im Senegal und auf Bali, auf den Kanarischen Inseln und in Australien. „Wir haben über 226 000 Pflanzen von jedem Kontinent – mit Ausnahme der Antarktis – gesammelt“, sagt Chris. „Viele davon sind vom Klimawandel und Landschaftsveränderungen bedroht.“
Im 1,2 Hektar großen Flower Dome wachsen unter futuristischen Glaskuppeln und bei trockenen Klimabedingungen Pflanzen mediterraner Regionen und der Wüste. Oleander- und Orchideenblüten schlagen im Boden neben knorrigen Olivenbäumen, Dattelpalmen, Drachenbäumen, Korkeichen und Kakteen ihre Wurzeln in den Boden. Auch Kalifornien, Australien und Südafrika sind mit Affenbrotbäumen, Flaschenbäumen oder Aloen im Flower Dome zu Hause.
Gleich nebenan befindet sich das zweite Gewächshaus: Cloud Forest. Hier herrscht auf 0,8 Hektar das feucht-tropisches Klima der Bergregionen zwischen 1000 und 3000 Metern über dem Meer. Mit einem Lift gelangt der Besucher hinauf zum Cloud Mountain. Von oben kann er über einen Bergpfad hinunterwandern, vorbei an einem 35 Meter hohen Wasserfall. Die Luft ist angenehm kühl, statt Fußbodenheizung gibt’s hier Fußbodenkühlung. „Fünf Mal im Jahr werden die Gewächshäuser umgepflanzt“, erläutert Chris. „Wer im Frühjahr hier ist, bekommt anderes geboten als im Sommer.“
Die Glashäuser werden heruntergekühlt auf 20 Grad, Blüteperioden sollen künstlich durch Temperaturschwankungen eingeleitet werden und die Tropenluft wird entfeuchtet. So können die Gäste die Pflanzen unter Glas bestaunen – und die Jahreszeiten kennenlernen, die es am Äquator nicht gibt.
Herzstück der neuen 101 Hektar großen Gärten sind 18 „Superbäume“, exzentrische Baumriesen aus Metall und Beton, mit Höhen von 25 bis 50 Metern. Die Supertrees schauen weniger nach Wald und eher nach Science-Fiction aus. Die Stahlkolosse sollen mit der Zeit mit über 160 000 Pflanzen aus aller Welt begrünt werden, eine Art „vertikaler Garten“, so das Konzept des britischen Landschaftsarchitekten Andrew Grant, der das komplette Areal designed hat.

Eine Luftbrücke
zwischen den Baumriesen


Zwischen den Bäumen wird in 21,5 Metern Höhe eine 135 Meter lange Luftbrücke gespannt. Dieser „Aerial Walkway“ verbindet zwei der Baumriesen. Der höchste Superbaum misst 50 Meter und beherbergt in seinem Stahlwipfel eine Bar. Einheimische und Besucher haben von oben einen sagenhaften Blick über den Garten, die Meeresbucht der Singapore Straits und die Skyline der Stadt. Grant wollte einen „Wow-Faktor“ schaffen. Das ist ihm gelungen.
Der Park beherbergt zudem vier „Heritage Gardens“, sie illustrieren Singapurs kulturelles Erbe. Im indischen, chinesischen, malaiischen und englischen kolonialen Garten verweisen Bäume, Büsche und Kräuter auf die Nationen, die Singapur bis heute stark beeinflussen.
Die rund 100 Hektar verteilen sich auf drei Landstreifen rund um eine künstlich geschaffene Meeresbucht. Allein Bay South, der eigentliche neue Botanische Garten, misst 54 Hektar. Bay South ist der erste Teil des „Gardens by the Bay“, der fertig wird. Er öffnet für das Publikum am 29. Juni 2012. Bis dahin muss noch einiges fertiggestellt werden. Eine sechsspurige Straße wird in den Garten führen, 2013 folgt ein U-Bahn-Anschluss, eine Freiluftbühne bietet 30 000 Menschen Platz. 13 Restaurants sind geplant.
Doch Singapur hat bei allem Bau-Boom das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verloren. Laut einer Studie ist sie die grünste Großstadt Asiens und verweist nicht ohne Stolz auf 300 Gärten und Parks. In „Garden by the Bays“ produzieren Solarzellen Energie, die zum Beleuchten und Kühlen der Gewächshäuser nötig ist. Das Regenwasser – in Singapur regnet es viel – wird für Springbrunnen und zur Bewässerung der Pflanzen im Dragonfly-See gesammelt.
Der Eintritt in den Garten ist frei, nur die Gewächshäuser und der Skywalk kosten. Singapur rechnet mit 1,8 Millionen zahlenden Besuchern und mit rund vier Millionen Parkspaziergängern pro Jahr. „Wer her kommt, sollte mindestens einen halben Tag, wenn nicht einen Tag Zeit mitbringen. Denn wer Lust drauf hat, kann die ganze Botanik der Welt bei uns kennenlernen,“ sagt Chris.
Singapur träumt schon eine Weile den Traum, eine „premier tropical city“ zu werden. Mit der „Stadt im Garten“ kommt die Metropole ihrer Vision einer „Garden City“ ein gutes Stück näher. (Claudia Schuh) (Blick auf The Marina Bay Sands, Singapurs neues Wahrzeichen - Foto: Schuh; Einige der 18 Superbäume - Foto: Dalzell)

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