Bauen

Das herzstück des Hochbehälters sind die beiden Edelstahl-Tanks. (Foto: Wasserversorgung Bayerischer Wald)

17.05.2013

Versorgungssicherheit rechts der Donau

Der neue Trinkwasser-Hochbehälter in Reißing

Wasser ist nicht gleich Wasser. Ein Zweckverband in Niederbayern hat das Trinkwasser zur Marke gemacht. Dort fließt „waldwasser“ aus der Leitung. Der Zweckverband Wasserversorgung Bayerischer Wald stellt sich modern auf in Zeiten von Privatisierungstendenzen in der Wasserversorgung und feilt weiter an der Versorgungssicherheit. „Wasser ist ein hohes Gut, kein Spekulationsobjekt“, betont auch der Vorsitzende des Zweckverbands, der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU).
Mit dem Zweckverband als starke Gemeinschaft könne man „Tendenzen der EU-Kommission, die Trinkwasserversorgung mit privaten Investoren zu regulieren“ entgegenwirken, betont der Deggendorfer Landkreis-Chef. Ständig investiert der Verband in seine Anlagen. Mit dem neuen Hochbehälter in Reißing sichert „waldwasser“ die Trinkwasserversorgung des Versorgungsgebiets rechts der Donau. Es ist ein Zufall, dass die Inbetriebnahme des Hochbehälters von Reißing ins „Europäische Jahr des Wassers“ fällt und 2013 auch das 50. Jubiläumsjahr des Zweckverbands ist. Landrat Bernreiter erklärt: „Einen passenderen Zeitpunkt für diese Investition in die Zukunft mit dem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit kann ich mir nicht vorstellen.“
Im Zweckverband mit Sitz in Deggendorf haben sich die sieben Landkreise, Cham, Deggendorf, Passau, Freyung-Grafenau, Regen, Dingolfing-Landau, Straubing-Bogen und die Große Kreisstadt Deggendorf zusammengeschlossen. Das Verbandsgebiet ist mit einer Fläche von 8400 Quadratkilometern fast so groß wie Niederbayern (10 330 Quadratkilometer).

Sechs Millionen
Euro investiert


Neben der reinen Lieferung von Trinkwasser nutzen mittlerweile rund 150 Wasserversorger der Region – von Zweckverbänden, Gemeinden bis zu kleinsten Wasserbeschaffungsverbänden – das Dienstleistungsangebot von „waldwasser“. In der so genannten „waldwasser“-Gemeinschaft können eine Meldestelle sowie Software-Module rund um das Thema Trinkwasser ganz im Sinne einer kommunalen Zusammenarbeit genutzt werden.
Das Versorgungsgebiet von „waldwasser“ teilt sich in zwei Gebiete – rechts und links der Donau – auf. Den Bedarf links der Donau deckt die Talsperre Frauenau, tief im Bayerischen Wald am Fuße des Rachel gelegen, mit der Trinkwasseranlage Max Binder. Rechts der Donau, draußen im „Gäu“, sichert das Grundwasserpumpwerk Moos die Trinkwasserversorgung. Aus vier quartären Brunnen eines etwa 1200 Hektar großen Wasserschutzgebiets im Landkreis Deggendorf wird Trinkwasser ins Versorgungsnetz gespeist. Der neue Hochbehälter liegt am Rande des Versorgungsgebiets, bei Reißing (Gemeinde Oberschneiding, Kreis Straubing-Bogen). Zum einen verbessert er die Versorgungssicherheit rechts der Donau. Zum anderen schuf der Verband mit diesem „Außenstützpunkt“ eine Verbindungsmöglichkeit zu anderen Trinkwasserverbünden wie Landau oder Mallersdorf.
Über sechs Millionen Euro netto flossen in das gesamte Projekt – in die zehn Kilometer lange Zuleitung, ins Pumpwerk bei Wolfersdorf und in den Hochbehälter. Baubeginn war im Sommer 2011, ein halbes Jahr später, im Februar 2012, wurde Richtfest gefeiert; die technische Inbetriebnahme erfolgte im Herbst 2012.
Bei der Daseinsfürsorge im Bereich Trinkwasser kann es nicht um Gewinnmaximierung gehen, vielmehr geht es auch um emotionale Werte wie Qualität, Regionalität und Identität, führt Werkleiter Hermann Gruber aus.
Was aus den Hähnen fließt, ist nicht einfach Wasser – es ist heimisches „waldwasser“ und es ist als Marke beim europäischen Markenamt in Alicante geschützt. Damit schlägt der Zweckverband einen Bogen von regional zu global. Drei Gründe waren für den Zweckverbandsvorsitzenden, Landrat Bernreiter, für die Markenbildung ausschlaggebend: „Dieses Wasser kommt aus einem Naturraum von europäischem Rang, es ist von höchster Qualität und dahinter steht eine starke Gemeinschaft, nämlich Landkreise, Städte, Märkte und Gemeinden.“
Der neue Trinkwasser-Hochbehälter spiegelt die „waldwasser“-Philosophie wider: Ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen, vorausschauende Planung sowie das Credo, eine Identität mit heimischen Produkten zu schaffen, aber auch regionale Unternehmen mit zu integrieren. Mit 413 Meter Höhe steht der Hochbehälter genauso hoch über der Landschaft wie sein „Gegenstück“ in Forsthart (420 Meter) im Landkreis Deggendorf. Die beiden Wasserbehälter sind durch das Prinzip der „kommunizierenden Röhren“ miteinander verbunden.
Von außen betrachtet, gliedert sich das schlichte Gebäude aus Lärchenholz gut in das Gelände ein, findet Ingenieur Dionys Stelzenberger. 30,80 auf 16,80 Meter und fast zehn Meter hoch ist der Komplex. Mit dem Bauwerk verbinden sich Natur und Technik „detailverliebt und auf ästhetische Weise“, formuliert es Werkleiter Hermann Gruber. Herzstück im Innern sind zwei Edelstahl-Tanks, die jeweils eine Million Liter Trinkwasser fassen. Bei ihrem Bau setzten die Planer auf modernste Technik. Durch das computergestützte Verschweißen von Stahlbändern, so genannten Coils, haben sich die beiden Tanks mit je zwölf Metern Durchmesser innerhalb eines Monats langsam an Ort und Stelle auf ihre endgültige Höhe von neun Metern geschraubt.

Mit Raketenpflug
in den Boden eingezogen


Zudem trägt die neue Leitung auch zur Stabilisierung des Wasserdrucks bei. Bislang endete die westliche Wasserleitung in Wallersdorf. Von dort aus wird der Hochbehälter über die neue, zehn Kilometer lange Wasserleitung versorgt. Die dafür erforderlichen Stahlrohre mit 30 Zentimeter Durchmesser wurden mittels eines lasergesteuerten „Raketenpflugs“ in den Boden eingezogen. Die Strecke gliederte sich in über 20 Pflugabschnitte von 150 bis 760 Metern Länge. In der Trassenführung konnte man sich im Dienste der Sache mit 96 Grundstücksbesitzern schnell einigen. Nun fließt „waldwasser“ aus dem Grundwasserpumpwerk Moos bis nach Reißing. Für den nötigen Druck sorgt ein neues Pumpwerk bei Wolfersdorf.
Dass anstelle von erdüberdeckten Betonbehältern Edelstahltanks gewählt wurden, sieht Ingenieur Stelzenberger mit Blick auf die Kosten in der Zukunft als klaren Vorteil. Die gewählte Bauweise ermögliche eine sichere Bedienung und Überwachung der allseits zugänglichen Tanks. Die Aufwendungen für Betrieb und Wartung würden minimiert. Aufwändige Instandhaltungen und Sanierungen würden nicht notwendig werden. Durch die konsequente Trennung von Funktion (Edelstahltanks) und Gebäudehülle seien Reparaturen möglich, ohne das System außer Betrieb zu setzen. Auch dies trage zum Plus an Versorgungssicherheit bei, macht er deutlich.
„Ausführung und Materialwahl sind aus Umwelt- und Hygienegesichtspunkten vorbildlich“, lobt Jörn Helge Möller, Geschäftsführer des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW) die Konstruktion, die den technischen Zielen des DVGW entspricht. „Ich kann die Waldwassergemeinschaft nur beglückwünschen, dass sie in dieser Zeit, die von kurzfristigen und rein ökonomisch getriebenen Entscheidungen geprägt ist, eine zukunftsweisende Umsetzung einer lange gehegten Idee verwirklicht hat.“ „Die Inbetriebnahme des Trinkwasser-Hochbehälters in Reißing ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig die Arbeit von Ingenieuren für eine funktionierende, moderne Infrastruktur ist“, sagt Werner Weigl, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.
Die meisten der 50 Hochbehälter der Wasserversorgung Bayerischer Wald wurden Anfang der 1970er Jahre gebaut, weiß Werkleiter Gruber. Seit er 2005 von der Wasserwirtschaftsverwaltung zum Zweckverband wechselte, entwickelte er die Idee des integrierten Wassermanagements. Zu diesem gehören nicht nur die Pflichtaufgaben, wie die Versorgungssicherheit oder auch notwendige Sanierungsmaßnahmen, für die im Zeitraum von 2007 bis 2017 rund 50 Millionen Euro verplant wurden.
Das Erfolgsprinzip „waldwasser“ – der Verband wurde als einer der ersten regionalen Wasserversorger in Bayern vom DVGW zertifiziert – kann auch Modell über die Grenzen hinaus sein. „waldwasser“ stellt sich den Anforderungen des 21. Jahrhunderts und will wieder mehr Wertschätzung für das Produkt Trinkwasser erreichen. Deshalb trinken im Verbandsgebiet die Kinder in den Schulen aus „waldwasser“-Brunnen und stehen „waldwasser“-Karaffen auf den Tischen in den Gasthäusern – eben Trinkwasser als regionale Marke. (BSZ) (Über sechs Millionen Euro flossen in das Gesamtprojekt - Fotos: Wasserversorgung Bayerischer Wald)

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