Bauen

Heiligendamm vom Meer aus gesehen. (Foto: Neumann)

05.12.2014

Vom Klassizismus zur Bäderarchitektur

In Heiligendamm trifft man auf die unterschiedlichsten Baustile

Heiligendamm, die „weiße Stadt am Meer“, trägt zu Recht ihren Namen und begeisterte als schönstes Seebad Deutschlands schon im 19. und 20.Jahrhundert den europäischen Hochadel. Der Ort ist – von der Ostsee-Seite aus gesehen – als eine weiße Häuserreihe in Strandnähe gut sichtbar, gilt als Deutschlands und Kontinaleuropas ältester Seebadeort. Der Name ist durch ein Naturereignis entstanden: Beim Ostseesturmhochwasser 1872 hatte das Wasser die Meeresbucht durch einen gewaltigen Steinwall verschlossen. Es entstand ein „heiliger“ Damm – der Ortsname war „geboren“. Durch den G8-Gipfel im Juni 2007 erlangte Heiligendamm dann auch internationale Berühmtheit.
Das hübsche Seebad an der Ostseeküste wurde 1793 durch den mecklenburgischen Herzog Friedrich Franz I gegründet; sein Leibarzt hatte ihm geraten, eine Sommerresidenz am Meer zu errichten, um die „außer Zweifel gesetzte heilsame Wirkung des Badens im Seewasser in sehr vielen Schwachheiten und Kränklichkeiten des Körpers“ zu nutzen.

Strenge Formen

Die mecklenburgischen Baumeister Johann Christoph Heinrich von Seydewitz, Carl Theodor Severin, Georg Adolph Demmler bekamen den Auftrag und schufen von 1793 bis 1870 ein imposantes klassizistische Ensemble – vermischt mit der Bäderarchitektur bestehend aus Logier-, Bade- und Gesellschaftshäusern. Der am Kurhaus-Giebel in lateinischer Inschrift angebrachte Leitspruch „Hier empfängt dich nach einem gesunden Bad die Freude“ ist noch gut zu lesen. Das Gebäude spiegelt den Klassizismus (1770 bis 1840) mit seinen strengen Formen wider. Diese Stilepoche löste die Barockzeit ab und beinhaltet die typischen Formen des griechischen Tempelbaus. Aber auch die Elemente der italienischen Frührenaissance sowie griechische und römische Vorbilder standen hierbei im Mittelpunkt.
Neben dem Klassizismus ist als weitere Stilrichtung erstmals die Bäderarchitektur in Heiligendamm „verbaut worden“. Der eigentliche Baustil der Bäderarchitektur entwickelte sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert und gehörte keiner besonderen Stilrichtung an. Er setzte sich vielmehr aus verschiedenen Bau- und Stilelementen unterschiedlicher Zeitepochen zusammen. Gerade darin liegt aber der besondere Reiz. Das Bild der Bäderarchitektur wird durch zwei- bis viergeschossige Bauten bestimmt, deren Fassaden durch Balkone und Veranden aufgelockert werden, wie zum Beispiel bei der Burg Hohenzollern, die zum Heiligendammer Gebäudekomplex gehört.
Bei großen Villen dominieren imposante Rundbogen- oder Rechteckfenster, die zum Teil auch durch Halbsäulen und Blendpilaster ergänzt wurden. Reich verzierte weiße Holzbalkone oder verglaste Veranden erinnern an die Zeit des Jugendstils. Erkennbar ist die Bäderarchitektur auch an dem schönen Ornamentschmuck, verspielten Erkern, Türmchen und Dachreitern.

Kunstvolle Holzarbeiten

Schwungvolle Dreiecksgiebel, „einfache“ Giebel und auch kleine Türmchen schließen die Dachgeschosse ab. Die Vorderseite der Häuser oder Villen werden von Balkonen oder Holzloggien mit äußerst filigranen kunstvollen Holzarbeiten bestimmt. Große und dazu hohe Jugendstilfenster, breite Freitreppen, reich verzierte Schornsteine und auch Dachgiebel zeigen, dass hier mit viel Phantasie und Liebe zum Detail ein eigener Stil geschaffen wurde. Die aufwendig schön gestalteten Eingangsportale werden von barocken Putten bewacht und passen hervorragend zum Gesamtbild.
Villen der Bäderarchitektur befinden sich in der Regel in parkähnlichen Anlagen. Je nach Geldbeutel spiegelten diese Sommerresidenzen die gesellschaftliche Stellung des jeweiligen Bauherrn wider. Die Farbe der Bäderarchitektur ist weiß, bildet – insbesondere an Sonnentagen – zum blauen Himmel einen schönen farblichen Kontrast; daher auch die Bezeichnung „weiße Perlen“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der bereits erwähnte Gebäudekomplex in Heiligendamm als Sanatorium und Erholungsstätte, unter anderem auch als Kinderferienlager und Bildungseinrichtung genutzt. In dieser Zeit verfielen viele dieser historischen Bauten, die aber Mitte der 1990er Jahre teilweise wieder restauriert werden konnten. Heute befindet sich auf diesem Gelände ein 5-Sterne Grand Hotel – mit sechs Hotelgebäuden im klassizistischen Stil sowie einigen historischen Villen. (Sabine Neumann)

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