Bauen

Die imposante Eingangsfassade des späten Jugendstilbaus. (Foto: Thilo Härdtlein)

30.05.2014

Vom Zollamt zum Bürokomplex

Eines der bekanntesten Baudenkmäler Münchens wird jetzt neu genutzt

Das Münchener Hauptzollamt ist gleichzeitig sowohl eines der bekanntesten als auch der unbekanntesten Baudenkmäler aus der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts in der Landeshauptstadt. Von außen ist es Bahnreisenden und Autofahrern wegen seiner prominenten Lage an der Donnersbergerbrücke bestens bekannt. Von innen kennen die Münchener den langgestreckten Bau mit der prägnanten Glaskuppel wohl eher nicht.
Nur Wenigen ist bekannt, dass das Gebäude jahrzehntelang als Hauptzollamt wichtiger Umschlagplatz der Stadt war und lediglich ein Teil eines markanten, prächtig anmutenden Zollensembles mit Lagergebäude, Verwaltungsgebäude, Wohnanlage und Zolltechnischer Prüf- und Lehranstalt ist.
Diese Zollkolonie wurde 1912 unter Leitung des königlichen Regierungs- und Bauassessors Hugo Kaiser vor den Toren der Stadt zwar noch im Sinne des Spätjugendstils gestaltet, doch bereits Großteils in moderner Stahlbeton-Skelett-Bauweise ausgeführt und mit den modernsten Errungenschaften wie Zentralheizung, Rohrpost, elektrischem Licht und Telefon ausgestattet. Die Münchner Neuesten Nachrichten berichteten zur Eröffnung: „Der ganze Baukomplex von außen gefällig, von innen zweckdienlich und mit allen Errungenschaften der Neuzeit ausgestattet, ist eine Zierde für München und zeigt, wie Geschmack und Brauchbarkeit, wie Komfort und technische Vollkommenheit auch bei Staatsbauten Hand in Hand gehen können.“
Städtebaulicher Auftakt der Zollkolonie ist das Gebäude der Zolltechnischen Prüf- und Lehranstalt (ZPLA) an der Ecke Landsbergerstraße/Donnersbergerbrücke, in dem ursprünglich nicht nur Laboratorien und Lehrsäle, sondern auch die repräsentativen Wohnungen der Amtsvorsteher untergebracht waren. Aus Platzmangel zog die Zolltechnische Prüf- und Lehranstalt 2006 in einen Neubau nach Markt Schwaben um; in den folgenden Jahren stand das Gebäude leer und wartete auf eine neue Nutzung.
Nach anfänglichen Überlegungen, das Ensemble zu veräußern, entschied sich 2011 der Eigentümer – die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben – das Anwesen zu einem Bürogebäude umzubauen und beauftragte damit die Staatsbauverwaltung. Das Staatliche Bauamt München 1 erstellte daraufhin erste Konzepte und erarbeitete die Vor- und Entwurfsplanung. Ziel war, mit umfangreichen Grundrissänderungen acht flexibel nutzbare Büroeinheiten zu ermöglichen und gleichzeitig das Gebäude an aktuelle Forderungen anzupassen – vor allem in den Bereichen Barrierefreiheit, vorbeugender baulicher Brandschutz und Gebäudetechnik.
Da diese neuen Anforderungen geringe Auswirkungen auf die Gebäudehülle hatten, konnte in enger Abstimmung mit der unteren Denkmalschutzbehörde und dem Landesamt für Denkmalpflege das bauzeitliche Erscheinungsbild erhalten werden. So wurden die feingliedrigen Kastenfenster lediglich überholt und zusätzlich nötige Ausgänge als selbstverständlicher Bestandteil in die Gesamtfassade eingebunden.
Besonderer Wert wurde auch auf den Erhalt der Dachlandschaft gelegt. Die hier funktionslos gewordenen, aber prägenden bauzeitlichen Kamine wurden aufwendig saniert, Kamine neueren Datums rückgebaut und Eingriffe in die Dachhaut konsequent vermieden.
Im Gegensatz zur Außenhülle ging die bauzeitliche Innenraumqualität durch zahlreiche Umbaumaßnahmen der 1970er und 1980er Jahren größtenteils verloren. Da zudem die neue Nutzung eine Wiederherstellung verhinderte, wurden für die erforderliche Neugestaltung zwei wesentliche, architektonische Ansätze formuliert: Einerseits knüpft eine homogene, ruhige Innenraumgestaltung an die Qualitäten der ursprünglichen Bauzeit an; andererseits kommt in den Bereichen, wo dieser Ansatz nicht schlüssig umgesetzt werden kann, eine zurückhaltende, aber deutlich ablesbare, moderne Gestaltung zur Geltung.
Dieser erste Ansatz spiegelt sich deutlich in der Pflege vorgefundener Qualitäten wieder. So wurden die bauzeitlichen Türen, Mosaike und Treppenläufe behutsam aufgefrischt und störende Bauelemente aus den letzten Jahrzehnten entfernt. Ergänzend konnten zerstörte, bauzeitliche Elemente teilweise wiederhergestellt werden: Fehlende Stuckelemente wurden ergänzt, der Parkettboden nach historischem Vorbild verlegt oder der vollständig zugemauerte, großzügige Durchgangsbogen der „Belle-Etage“ freigelegt.
Im nächsten Schritt wurden diese Qualitäten weitergestrickt, indem unter anderem zusätzlich erforderliche Türöffnungen nach bauzeitlichem Vorbild eingefügt wurden. Insbesondere die abgerundeten Türlaibungen im Zusammenspiel mit den kassettierten Vollholztüren prägen so ein homogenes, ruhiges Erscheinungsbild der zentralen Erschließungsbereiche. Die technische Gebäudeausrichtung knüpft an diesen Ansatz an und reagiert einzelfallbezogen: Im Erdgeschoss werden massive Einbauten der Raumlufttechnik in den rückwärtigen Bereich der Büroräume integriert, um die prägnanten Kreuzgratgewölbe der Erschließungsbereiche zu erhalten.

Neue Treppe in
das Gebäude integriert

In den Obergeschossen werden die Installationen jedoch in den Fluren geführt, um in den Büroräumen die bauzeitlichen Stuckdecken zu erhalten. Da aus brandschutztechnischen Gründen die Daten-, Strom- und Heizungstrassen nicht bodenbündig geführt werden konnten, wurden dort, wo bauzeitliche und besonders stimmige Fensterbank-Kastenfenster-Arrangements erhalten geblieben sind, die Trassen in den Sockelbereich integriert. Dort aber, wo keine bauzeitlichen Fensterbänke vorhanden waren, wurden diese in einem einfachen Fensterbankkanal geführt, der sich hinter einer hohen, der historischen Fensterbank nachempfundenen Blende versteckt.
Der zweite architektonische Ansatz – moderne Elemente zurückhaltend zu ergänzen – ist besonders im Umgang mit der brandschutztechnisch zusätzlich erforderlichen Treppe abzulesen. Um den äußeren Gesamteindruck des Gebäudes zu bewahren, wurde mit den zuständigen Denkmalpflegern und dem Bauherren festgelegt, dass die Treppe nicht als separates Element vor das Gebäude gestellt, sondern in das Gebäude integriert werden sollte. Die Treppe selbst wurde auf engstem Raum als Wendeltreppe konzipiert und erzeugt mit ihrem geschlossenen Geländer aus weiß lackiertem Stahlblech einen modernen, skulpturalen Raumeindruck.
Trotz dieser zeitgemäßen Gestaltung tauchen besonders im Bereich des neuen Treppenauges Elemente des historischen Haupttreppenhauses wieder auf. Dieser eigenständige, moderne Gestaltungsansatz ist auch in der Planung der neuen Sanitärbereiche oder in der Auswahl der Leuchten beziehungsweise Lichtfugen zu finden.
Nach einer Bauzeit von knapp zwei Jahren konnte das denkmalgerecht sanierte Bauwerk im gesetzten Termin- und Kostenrahmen Ende 2013 an den Eigentümer übergeben werden. Zu hoffen ist, dass das ehemalige ZPLA nicht nur weiterhin als städtebaulicher Auftakt der Zollkolonie wirkt, sondern auch den Beginn der nun anstehenden Generalsanierung des Hauptkomplexes mit der markanten Glaskuppel markiert. (Martin Stojan) (Erschließungsbereich im Obergeschoss; der Haupteingang; das Auge der neuen Treppe und das alte Treppenhaus; Blick aus dem Gebäude - Fotos: Thilo Härdtlein)

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