Bauen

In leuchtenden Farben präsentiert sich das sanierte Gymnasium in Sonthofen. (Foto: Architekturbüro Haase)

10.08.2012

Von der Beton- zur Holzfertigteilfassade

Generalsanierung des Gymnasiums in Sonthofen

Das Gymnasium Sonthofen wurde zwischen 1972 und 1974 in der für die damalige Zeit typischen Stahlbetonfertigteilbauweise nach dem so genannten Kasseler Modell erbaut. Der Gebäudekomplex besteht aus einem Klassentraktgebäude mit Verwaltung, einem Fachklassentrakt, einer 2-fach Sporthalle und einem Jugendhaus mit Hausmeisterwohnung.
Die geburtenstarken Jahrgänge der 1970er Jahre erforderten eine schnelle Bereitstellung neuer Unterrichtsflächen. Überdurchschnittliche Kostensteigerungen in der Bildungspolitik führten zur Entwicklung einer elementierten, industriell vorgefertigten und daher kostengünstigen Bauweise, die das Gymnasium in Sonthofen in Reinform demonstriert. Bauphysikalische und materialtechnische Zusammenhänge spielten in der Erbauungszeit nicht die heutige Rolle. Wärmebrücken wurden aufgrund der billigen Energie akzeptiert. Materialtechnische Erfordernisse, wie zum Beispiel ausreichende Betondeckungen, Witterungsschutz wurden Kostenzwängen und der gewünschten Ästhetik untergeordnet.
Daraus resultierend entstanden zum Teil schon nach 20 Jahren erheblich bauliche Mängel. Eine aufwändige Sanierung der kleinteiligen und aus vielen Auskragungen bestehenden Außenbauteile war dringend erforderlich, da Schadstoffuntersuchungen Belastungen durch Fugenmaterialien aus PCB – vorwiegend im Außenbereich in den Stößen der Betonfertigteile ergaben. Im Inneren wurden cancerogene künstliche Mineralfasern in den Akustikdämmmatten und asbesthaltige Zementfaserplatten festgestellt.
Neben den baukonstruktiven Mängeln wies die Schule ein erhebliches raumklimatisches Defizit auf. Seit Bestehen der Schule häuften sich die Klagen über mangelnde Behaglichkeit in den Räumen, insbesondere wurde die häufig zu trockene Luft der bestehenden Lüftungsanlage angeführt, zusätzlich wurde die Aufenthaltsqualität in den Räumen durch die extremen Temperaturdifferenzen zwischen Fassade und Innenwand der Klassenzimmer gemindert. Die ungenügend dämmenden Fenster, Paneele und Sandwichelemente erforderten eine hohe Vorlauftemperatur der Heizkörper, welche die entsprechenden Luftumwälzungen im Klassenraum erzeugten.

Massive Eingangsüberdachungen


Die Tageslichtsituation in der Schule wurde erheblich durch die massiven Eingangsüberdachungen, aber auch durch die Überbauung der ursprünglichen Lichtkuppeln eingeschränkt. Der düstere Raumeindruck setzte sich in den Fluren fort. Die künstliche Beleuchtung diente der Normerfüllung und schuf keineswegs einen passenden, akzentuierten Ersatz für das Tageslicht. In vielen Klassenräumen belasteten extreme Hell-Dunkel-Kontraste die Sehaufgaben.
2008 entschied sich die Stadt Sonthofen zu einer Generalsanierung des Gymnasiums in Passivhaus- beziehungsweise Niedrigstenergiebauweise. Die Generalsanierung wurde als Pilotobjekt von der Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums gefördert. Hauptziele der ganzheitlichen Sanierung waren die größtmögliche Reduzierung des Verbrauchs an fossilen Brennstoffen, die Schaffung einer hellen und freundlichen Lernatmosphäre mit höchstmöglicher Tageslichtautonomie in allen Bereichen und die Beseitigung der bauzeitlichen Sicherheits- und Funktionsmängel.
Ein neues, mit dem Nutzer zusammen erstelltes Raumkonzept verbessert jetzt die bauzeitlichen raumfunktionalen Defizite. Die Zusammenfassung gleichartig ausgestatteter naturwissenschaftlicher Übungssäle mit einem Medienliftsystem ergaben eine erhebliche Flächeneinsparungen. Diese Flächengewinne ermöglichten den Rückbau des eingeschossigen Kunst- und Werkraumbereichs im Osten des Klassentrakts und der Technikzentrale auf dem Dach. Durch diesen Rückbau konnte die Kompaktheit des Gebäudes wesentlich verbessert werden. Zusätzlich war es möglich, zu klein gewordene Fachklassenräume den aktuellen Bedürfnissen entsprechend zu vergrößern und moderne EDV Schulungsräume und Sprachlabore bereitzustellen. Ein durch eine flexible Trennwand zuschaltbaren Raum ermöglicht der Schule, in der Pausenhalle kleine Theateraufführung aufzuführen.
Die Sanierung, geplant vom Architekturbüro Werner Haase, Karlstadt, wurde in drei Bauabschnitten bei laufendem Schulbetrieb durchgeführt. Mit der Aufstockung des Fachklassentrakts im ersten Bauabschnitt wurden neue Unterrichtsflächen geschaffen, die während des Umbaus als Klassenräume genutzt wurden, ohne dass eine teure Containerstellung nötig war. Die Umplanung dieses Gebäudeteils ermöglichte auch den Rückbau der bisherigen Niveauunterschiede der beiden Gebäudeteile für eine durchgehende Barrierefreiheit. Die oberen Geschosse können nun mit einem Aufzug im Klassentrakt erschlossen werden.
Im Rahmen der integralen Planungsarbeit war das Thema Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor für alle Entscheidungsfindungen. Von Beginn an wurden Bauteile und Baustoffe auf ihre Nachhaltigkeit untersucht und ökologisch sowie ökonomisch bewertet. So ergaben die Untersuchungen verschiedener Fassadensysteme einen klaren ökologischen und ökonomischen Vorteil für die ausgeführte Holzleichtbaufassade, die aus regionalen, nachwachsenden und beim Rückbau einfach zu recycelnder Rohstoffen besteht.
Auf gleichem Wege erfolgte die Wahl des Fenstersystems. Ein 2+1 Verbundfenster integriert den Sonnenschutz in den Verbundzwischenraum und reduziert künftige Unterhaltskosten, da die äußere Einfachscheibe das Lamellensystem vor Witterung und der innere Verbundflügel vor Vandalismus schützt. Die Fensterwerkstoffe Glas, Holz und Aluminium sind separat, aber aufeinander abgestimmt konstruiert und können zum problemlosen Recycling leicht getrennt werden. Der mengenmäßig untergeordnete Aluminium-Anteil dient als Wetterschale, der die Holzflügel-Konstruktion langfristig, ohne jeden Wartungsaufwand schützt. Zusätzlich wurden die Innenflügel komplett aus heimischem Holz gefertigt.

Minimierung des Heizwärmebedarfs


Durch diese Untersuchungen stellte sich oftmals heraus, dass zunächst in der Bauphase teure Bauweisen durch längere Lebensdauer und geringere Unterhaltskosten in der Nutzungsphase auf Dauer weniger Kosten für den Bauherren verursachen.
Von Anfang an war es Ziel der Sanierungsmaßnahme, einen größtmöglichen Anteil der bestehenden Bausubstanz des Stahlbetonskelettbaus zu erhalten und die im Stahlbeton gebundene graue Energie weiter zu nutzen. Im Vergleich zu einem Neubau werden dadurch natürliche Ressourcen geschont und es ist kein zusätzlicher Energieaufwand nötig, der bei einem Neubau für die Herstellung und den Transport der Bauteile anfallen würde.
Die Minimierung des Heizwärmebedarfs durch eine hochwärmedämmende und luftdichte Gebäudehülle bildet die Voraussetzung für den Einsatz energieeffizienter Heizungs- und Lüftungstechnik. Für die neue energieeffiziente Hülle wurden alle bestehenden auskragenden Betonteile und die Betonfertigteilbrüstungen zurückgebaut. Bei der Wahl, die Fassade als Holzkonstruktion auszuführen, lag der Fokus nicht nur auf einer intensiven Wärmedämmung, sondern vielmehr mussten auch Brandschutz und Schallschutz gegen Außenlärm in Verbindung mit einem geringen Eigengewicht der Wand, berücksichtigt werden. Auch Vorfertigung, Transport, Anlieferung und kurze Montagezeiten spielten eine große Rolle.

Effiziente Beleuchtungstechnik


Es wurde eine Holzkonstruktion in Tafel-/Ständerbauweise entwickelt, die sämtliche bauphysikalischen Probleme dauerhaft beseitigt, das heißt, die neuen Holz-Fassadenelemente wurden als vorgefertigte Bauteile in Größen von 8,40 Meter Länge und 3,60 Meter Höhe angeliefert und vor das vorhandene Betonskelett als selbsttragende Fassade und somit frei von Wärmebrücken aufeinandergestellt und an der vorhandenen Bausubstanz befestigt. Der U-Wert der Fassade beträgt 0,15 W/m²K. Die in die Fassade integrierten Fensterbänder aus 2+1 Fenster mit innenliegendem Sonnenschutz haben einen U-Wert von 0,84 W/m²K.
Um eine zu trockene Raumluft im Winter zu vermeiden, wurde eine Lüftungsanlage mit einem hohen Wärmerückgewinnungsgrad und einer Rückbefeuchtung eingesetzt. Die Temperierung der Räume erfolgt aus hygienischen Gründen getrennt von der Lüftung über Deckenheizelemente, die im Sommer auch zum Kühlen verwendet werden können. Die Zuluft wird mittels Quelllüftung unterhalb der Heizdecken eingebracht, um geringe Luftgeschwindigkeiten zu erhalten und eine moderate Zulufttemperatur ohne Nacherwärmung realisieren zu können.
Die neue hochwärmegedämmte Hülle reduziert den Heizwärmebedarf und die Heizlast des Gymnasiums nun soweit, dass sich moderne Aggregate mit Umweltenergie effizient einsetzten lassen. Der direkt neben der Schule fließende Gaubach bietet dafür eine ideale Möglichkeit, regenerative Energie in Form von Umweltwärme zu nutzen.
Eine effiziente Beleuchtungstechnik reduziert den Energieverbrauch für künstliche Beleuchtung. Lichtlenkjalousien lenken bei verschatteten Fenstern noch ausreichend Tageslicht in die Klassenräume, so dass bei geschlossener Verschattung kein Kunstlicht benötigt wird. Lichtsensoren messen die Beleuchtungsstärke innerhalb des Klassenzimmers und passen die Lichtstärke der Beleuchtung an die vorhandenen Helligkeitswerte an. Für die gesamte Beleuchtung im Gebäude werden nur energieeffiziente Lampen verwendet.
Die Gesamtbaukosten belaufen sich auf rund 17 Millionen Euro. Aufgrund der hohen Förderungen liegt der Eigenanteil der Stadt Sonthofen jedoch immer noch unter dem, der für eine konventionelle Sanierung hätte aufgebracht werden müssen. (BSZ) (Blick in ein Klassenzimmer und in den Mehrzweckraum; die Aula mit dem Elternsprechzimmer und die neue Fassade (links), daneben die alte Betonfassade - Fotos: Architekturbüro Haase)

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