Bauen

Das Hotel Adler in St. Ulrich. (Foto: BSZ)

01.06.2012

Zeitgemäße Architektur in den Alpen

Das über 700 Jahre alte Hotel Adler in St. Ulrich in Südtirol beweist, dass Modernität und Tradition in der Architektur kein Widerspruch sein müssen

Hotelarchitektur in den Alpen kennt heutzutage eigentlich nur zwei Spielarten. Entweder bemühen sich die Unterkünfte um putzige Heimeligkeit im Heidi-Stil. Nur dass in der Touristenalm statt Großvater, Hund und Enkelin Hunderte oft wander- und skibegeisterter Großstädter Platz haben müssen und der unproportionierte Klotz dann aussieht, als wäre ein Hackstock in eine Landschaft des Alpenmalers Giovanni Segantini gestürzt. Oder die Baumeister bedienen sich konsequenter Modernität und platzieren zwischen Kuhfladen und Bergquell Betonexperimente wie in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Dass es angenehme Ausnahmen gibt und Häuser, die sich architektonisch behutsam der Moderne anpassen können, ohne ihre Wurzeln zu kappen, zeigen die jüngsten Umbauten im Hotel Adler in St. Ulrich im Grödnertal beispielhaft. In der Rekordzeit von vier Monaten ist viel Neues entstanden: Das Hotel präsentiert sich seit Ende 2011 mit neuer Lobby, einer historischen Stube, 16 zusätzlichen Zimmer und Junior-Suiten. Modernisiert und vergrößert wurde im Untergeschoss der Restaurantbereich. Dabei wurden die zum Teil 400 Jahre alten Holzteile der Bauernstube ausgebaut, gereinigt und wieder eingebaut.
In den oberen Stockwerken erhielten alte Räume ein neues Outfit. Die Dachkonstruktion wurde dem historischen Vorbild nachgebaut, die gesamten Dachspitzen vor dem Abriss entfernt, restauriert und wiederverwertet. Durch große Glasfronten gelingt es, viel Licht und Natur nach innen zu holen sowie einen Panoramablick auf den Ortskern und die Dolomiten zu geben.
Familie Sanoner, die seit über 200 Jahren und bereits in der sechsten Generation das Haus führt, hat rund sieben Millionen Euro in die sanfte Umgestaltung des ältesten Hotels des Orts investiert. Ein unglaublicher Betrag für ein familiengeführtes Haus. Wie sehr das Haus von der Liebe der Familie lebt, zeigt die Mutter der beiden Söhne, die 87-jährige Elly. Die Künstlerin ist noch heute täglich im Haus anwesen, ihre Malerei überall im Hotel präsent.
„Damals, bevor der Tourismus hier Einzug hielt“, erzählt einer der beiden Söhne, Klaus Sanoner, „war es ein sehr abgeschiedenes Tal. Der Baustil ist sehr traditionell. Konstanz und Standhaftigkeit war uns bei den Umbauten wichtig, wir wollten die Geschichte des Hauses und des Tals, das Ortsbild nicht aus dem Blick verlieren, aber zugleich architektonischen Weitblick beweisen. Ich glaube, dies ist uns gelungen.“
Eine luftige und weiträumige Lobby
Behutsam wurde der Kern des Stammhauses abgetragen und neu aufgebaut. Luftiger, weitläufiger und repräsentativer zeigt sich nun die Lobby – gearbeitet haben die Architekten mit Glasöffnungen in der Decke und breiten Glasfronten, mit hellem Alpenholz, Granit und Stein. Dank vier Meter hoher Decken und einem gläsernen Übergang zwischen dem alten und dem neuen Gebäudetrakt entsteht ein Gefühl von Weite und Geräumigkeit. Moderne Holzvertäfelungen, cremefarbener Stein und ein offener Kamin mit Loungemöbeln lassen einen vergessen, dass man eigentlich in einem alten Wirtshaus ist mit über 700-jähriger Geschichte.
Am Giebel angebrachte Holzelemente von Markus Delago greifen die Grödner Schnitztradition auf und interpretieren den traditionellen Stil neu. In der ganzen Welt berühmt ist nämlich das Grödnertal für sein Kunsthandwerk, insbesondere für seine Holzschnitzerei. St. Ulrich galt über zwei Jahrhunderte als internationales Zentrum. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erreichte die sakrale Holzschnitzkunst an der von Ferdinand Demetz gegründeten Kunstschule in St. Ulrich und auch wegen der Ausbildung mehrerer Grödnern an den Akademien in Wien und München ihren Höhepunkt.
Durch das Zweite Vatikanischem Konzil erfuhr die sakrale Bildhauerei in St. Ulrich einen schweren Rückschlag. Nur noch zumeist maschinell geschnitzte Kleinplastiken fanden seit den 1960er Jahren Absatz, hauptsächlich in den deutschsprachigen Ländern und in den USA. „Noch heute leben allein in St. Ulrich 50 Holzschnitzer“, erzählt Klaus Sanoner. „Daher war es mir wichtig, diese Tradition bei der neuen Architektur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Es hat unser Tal geprägt, wie kein anderer Baustil.“
Die Familie betreibt den Adler seit 1810. Den ersten Nachweis zur Geschichte des heutigen Hotel Adler Wellness & Sport Resort findet sich aus dem Jahr 1288. Einmalig ist heute seine Lage im Ortskern von St. Ulrich. Das 5-Sterne-Resort ist umgeben von einer 9000 Quadratmeter großen Parklandschaft und es bietet über Rolltreppen einen direkten Zugang zum Ski- und Wandergebiet Dolomiti.
Andreas und Klaus Sanoner stehen seit Mitte der 1980er-Jahre am Ruder, steuern den Adler in sechster Generation. Sie wissen, was sie dem guten Ruf des Hotels als „Vorreiter im Alpenraum“ schuldig sind. Die Lebensdauer der Zimmer sinke ständig, bedauert Hotelier Andreas Sanoner, der mit seinem schmalen gebräunten Gesicht und der Cordhose sowie dem Sakko an einen englischen Landlord erinnert. Für die Gäste seien regelmäßige Auffrischungen ein Muss. „Sie erwarten einfach jedes Jahr etwas Neues, und sei der Umbau noch so klein.“
Eine Herausforderung bei jeder Erweiterung: Der Denkmalschutz. In den Jahre 1925 bis 1929 verband Josef Anton Sanoner die auseinanderliegenden Hoteltrakte durch einen imposanten Zubau. Als Architekt beauftragte er den damals bereits sehr bekannten und heute weltberühmten Österreicher Clemens Holzmeister, der etwa das Regierungsviertel in Ankara baute. Zusammen mit dem St. Ulricher Architekten und späteren Schauspieler, Regisseur und Buchautor Luis Trenker machten sie sich im Hotel Adler ans Werk. Der so genannte Holzmeister-Trakt ist noch im Wesentlichen erhalten. Heute sind das alte Treppenhaus und der Neubau elegant mit Glas verbunden.
Mit dem Generationswechsel an den Vater der heutigen Besitzer, Josef Anton Sanoner, wurde das Hotel Adler sukzessive in die Moderne geführt. Trotz seiner Größe ist das Haus ein Familienbetrieb und ist sich – auch in architektonischer Hinsicht – treu geblieben.
(Claudia Schuh)

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