Bauen

Die Logos der Firma sind in chronologischer Reihenfolge entlang der Fassade angebracht. (Foto: ZF Friedrichshafen AG)

08.05.2015

Zeugnis der Industriegeschichte

Umbau einer alten Fabrikhalle zum Museum der ZF Friedrichshafen AG in Schweinfurt

Der Adler mit einer perfekt geformten Kugel in seinen Klauen blickt heroisch in die Ferne. Vor ihm reihen sich chronologisch alle ihm nachfolgenden Firmenlogos auf, welche die Schweinfurter Firma Fichtel & Sachs in ihren Jahren bis zur Verschmelzung mit dem ZF-Konzern repräsentiert haben. Steht man also auf der Ernst-Sachs-Straße und betrachtet die Fassade der neuen Sachs-Ausstellung der ZF Friedrichshafen AG in Schweinfurt, wird sofort ersichtlich, dass hier viele Jahrzehnte Firmengeschichte präsentiert werden. Seit der Eröffnung am 4. Mai ist die Ausstellung öffentlich nach Anmeldung zugänglich und ermöglicht so dem Besucher, die bewegte Geschichte der 1895 gegründeten „Schweinfurter Präcisions-Kugellagerwerke Fichtel & Sachs“ bis zur letztendlichen Verschmelzung mit dem ZF-Konzern 2011 zu erleben.
Das 100-jährige Firmenjubiläum, das die ZF Friedrichshafen AG 2015 feiert, war der Anlass, die Firmengeschichte aufzuarbeiten. In Schweinfurt wurde relativ schnell klar, dass die Sichtung, Ordnung und Auswertung der Dokumente und Exponate ein Mammutprojekt werden würde. „Eine Ausstellung war zunächst eigentlich nicht geplant. Aber nach dem Blick in unsere Archive und Depots wurde relativ schnell klar, dass sich hier echte Schätze verbergen“, erklärt Daniel Schmitz, der das Projekt seit der ersten Idee 2011 begleitet hat. So war es dann ein schöner Zufall, dass mit der Entscheidung, die Ausstellung zu verwirklichen, eine Produktionshalle im Schweinfurter Werk Nord stillgelegt wurde, die einen perfekten Rahmen für dieses einmalige Projekt bietet.
Die Fassade der 850 Quadratmeter großen Ausstellungshalle liegt direkt an der nach dem Gründer des Unternehmens benannten Ernst-Sachs-Straße, was zum einen den Zutritt für Besucher erleichtert. Zum anderen lädt der Anblick auf die neue Sachs-Ausstellung zu einem Besuch ein.
Ein großes Ansinnen der Planer – Baurconsult Architekten Ingenieure – war es, bei den Besuchern schon von außen einen Eindruck der langen Historie entstehen zu lassen, weshalb alle Logos der Firma horizontal und in chronologischer Reihenfolge auf eine Stahlkonstruktion entlang der Fassade angebracht wurden. Dass es dabei nicht in erster Linie „um den Blick zurück“ gehen soll, vermittelt die moderne Gestaltung der Fassade. Die industrielle Anmutung ergänzt das Erscheinungsbild des Industriewerks im Rücken sehr gelungen.
Betritt man die Halle, spiegelt sich der innovative Geist wider, der die Unternehmen Fichtel & Sachs und ZF ausmacht. Die hohen Wände in der Halle wirken durch die mit Bedacht gewählte Raumausstattung großzügig und licht. Kunstvoll dekorierte Trennwände und der neu verlegte glänzende Fußboden aus Gussasphalt unterstreichen den Kontrast zwischen dem modern-kunstvollen Inhalt im rustikal-industriellen Gewand.
Der Umbau der ehemaligen Produktionshalle war dennoch kein einfaches Unterfangen, ist doch die Produktion bis Dezember 2013 noch in vollem Gange gewesen. „Die Zeit war unsere größte Herausforderung. Denn durch den engen Zeitplan mussten wir während der Ideenfindung das Konzept für die Ausstellung schon umsetzen, da die Firmen ja mit der Arbeit beginnen mussten“, so Schmitz. Selbst ganz grundlegende Dinge wie das Beantragen einer Nutzungsänderung der Halle mussten bedacht werden. Doch durch deren Geschichte konnte man sich auf eine große Robustheit des Gebäudes verlassen, da zum Beispiel in den Kellerräumen Stützpfeiler angebracht worden sind, um die tonnenschwere Last der Maschinen tragen zu können.

Nah am
Originalzustand belassen


Generell hat man versucht, den großen Ausstellungsraum der Halle möglichst nah am Originalzustand zu lassen, was das Ausstellungserlebnis verstärkt. So befindet sich zum Beispiel noch die schwere Krankonstruktion an der Decke, welche teilweise mit hellen Farben restauriert wurde. Es zeigen sich immer wieder architektonisch-künstlerische Feinheiten, wie zum Beispiel die Deckenbeleuchtung die über der Ausstellung der Technikgeschichte schwebt, und so die Exponate herrlich in Szene setzt und zugleich vom Ausstellungsteil Unternehmensgeschichte abgrenzt.
An beiden Enden der Ausstellung wurden aufwendige Kurvenkonstruktionen aus Holz aufgebaut, die mit ihren runden Formen die Strenge der Halle auflockern und am nördlichen Ende den perfekten Rahmen für den Race Touareg in einer „Sachs-Kurve“ bilden.
Inhaltlich ist die Ausstellung in vier Teile unterteilt. Begonnen wird mit der Unternehmensgeschichte von der Gründung der „Schweinfurter Präcisions-Kugellagerwerke Fichtel & Sachs“ 1895 bis zur Verschmelzung der ZF Sachs AG mit dem ZF-Konzern 2011. Für diesen Teil zeichnet Andreas Dornheim von der Universität Bamberg verantwortlich, der die wissenschaftliche Leitung des Projekts innehatte. Die zweite Sparte zeigt die technischen Meilensteine der Unternehmensgeschichte. Diese sind im Fall der Schweinfurter Firma das Kugellager, die Fahrradnabe, Motoren, Kupplungen, Wandler und Stoßdämpfer. Die ausgestellten historischen und modernen Produkte wurden zur Verdeutlichung der technischen Entwicklung unter Hinzuziehung von Experten ausgewählt.
Neben der Darstellung der technischen Highlights wird auch ein Einblick in das Marketing und den allgemeinen Motorsport gewährt. Denn auf beiden Sektoren war Fichtel & Sachs in seiner Geschichte äußerst erfolgreich, wie Daniel Schmitz erklärt, der diese dritte Sparte betreut hat. Hier wurde Anfang des 20. Jahrhunderts Guerilla-Marketing betrieben, als das Wort noch nicht einmal erfunden war. Bereits früh in der Unternehmensgeschichte verband man erfolgreich Sportsponsoring mit Produktkommunikation. Auf dem Motorsportsektor waren sicherlich die WM-Titel von Michael Schuhmacher große Erfolge, ist er doch mit Sachs-Stoßdämpfern zum mehrmaligen Champion geworden.
Zum Schluss richtet sich der Blick nach vorne und es werden Themen vorgestellt, mit denen ZF am Standort Schweinfurt sich für die Zukunft rüstet. Als Schlagworte seien hier Elektromobilität und Leichtbau genannt.
Flaniert man also durch die Ausstellungshalle, kann man von der Fichtel & Sachs Anstecknadel bis zum original Formel BMW-Wagen von Sebastian Vettel ein breites Spektrum bestaunen.
Die Ausstellung ist für geführte Gruppen nach Anmeldung offen zugänglich und nicht nur für Technikbegeisterte eine sehr interessante Erfahrung. Das Team zu denen Projektleiter Walter Erke, Professor Dornheim, Daniel Schmitz, Stefan Henricks, Julia Oberst und Stefanie Kießling zählen, ist auf jeden Fall zufrieden. Erke: „Das Projekt mit der Neugestaltung von Archiv und Depot bis zum Aufbau des Museums war eine tolle Teamleistung und die Ausstellung wird ein Erfolg.“ Wer sich selber davon überzeugen möchte, sollte die (Zeit-)Reise von der Ernst-Sachs-Straße aus beginnen.

Gläsernes Dach über
dem Museumseingang


Die untergeordnete Lage des neuen Schweinfurter Museums in „zweiter Reihe“, so Baurconsult, mache eine „große Geste notwendig“, um die neue Bedeutung des Orts deutlich nach außen kenntlich zu machen, der westlich des umgestalteten Werkszugangs liegt. Der Eingang des eigentlichen Museumsbereichs wird durch ein gläsernes Vordach und eine zugleich als barrierefreie Fluchttür genutzte Karusselltür sichtbar gemacht.
Die Gestaltung des Eingangsbereichs ist nach den Worten der Planer bewusst zurückhaltend und folgt der Logik der sich zunehmend steigernden Raumfolgen. Die innere Raumschale des Gebäudes als authentisches Zeugnis Schweinfurter Industriegeschichte wird so selbst zum Ausstellungsstück und Teil der Inszenierung. Während im vorderen Bereich die Dauerausstellung situiert ist, kann die rückwärtige Zone für Wechselausstellungen genutzt werden. Die Integration der notwendigen Technik steht laut Baurconsult „unter dem Primat der Unauffälligkeit, aber auch der Angemessenheit“. (FHH) (Die Ausstellungshalle liegt direkt an der Ernst-Sachs-Straße; Blick in die Ausstellung - Fotos: ZF Friedrichshafen AG)

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