Beruf & Karriere

Nachwuchskräfte integrieren sich schnell und können hochproduktiv mitarbeiten – wenn man sie lässt. (Foto: dpa)

16.02.2018

Nachwuchskräften eine echte Chance geben

Wirtschaft und Verwaltung brauchen dringend junge Fachkräfte – die Bereitschaft zu strukturellen Veränderungen ist aber gering

Übervolle Auftragsbücher im Handwerk, hohes Wachstum in der Industrie, Personalengpässe in der öffentlichen Verwaltung: Arbeitgeber aller Bereiche sind dringend auf Nachwuchskräfte angewiesen. Allerdings setzen sich nur wenige ernsthaft damit auseinander, wie das am besten gelingen kann. Schuld sind festgefahrene Denk- und Abteilungsstrukturen. Wer die aktuelle Regierungsbildung objektiv und ohne Polemik zu beobachten versucht, kommt an einem Eindruck kaum vorbei: Trotz drängender wie dringender Aufgabenstellungen soll strukturell möglichst vieles beim Gewohnten bleiben. Das gilt für personelle Perspektiven wie auch für die Herangehensweise an mögliche Problemlösungen. Ein Wechsel der Sichtweise steht meist nicht auf dem Programm – dasselbe Muster lässt sich auch bei zahlreichen Arbeitgebern verorten. Dabei stellt gerade der weitreichende Prozess der Digitalisierung bewährte Denkweisen und Organisationsmodelle in Frage. Lange Entscheidungswege über klassische Hierarchien und starre Verantwortungsstrukturen können zwar kurzfristig Sicherheit und Stabilität gewährleisten, verhindern jedoch gleichzeitig das dynamische Agieren, das angesichts veränderter Rahmenbedingungen immer notwendiger wird. Beides zu verbinden ist die Aufgabe, die es an vielen Stellen zu meistern gilt. Junge Leute können maßgeblich dazu beitragen – wenn man sie denn lässt.

Mehr Tandem-Teams

Die Deutsche Handwerkszeitung berichtete im vergangenen Jahr mehrfach über die hervorragende Konjunktur im regionalen Handwerk und gleichzeitig über rückläufige Zahlen bei den Auszubildenden. Auch Informationen des Spiegel zufolge spitzt sich der Kampf des Handwerks um Azubis weiter zu. Neben Anstrengungen bei den Ausbildungswegen wie dem sogenannten Berufsabitur, das in mehreren Bundesländern als neuer dualer Weg getestet wird, zielen die Maßnahmen häufig auf eine Verbesserung des Images von Berufen und ganzen Branchen.

Letztlich soll mittels Marketingkampagnen versucht werden, Jugendliche und junge Erwachsene für bestimmte Ausbildungen oder Aufgaben zu begeistern. Das ist sicher nicht falsch, scheint aber aus zwei Gründen problematisch: Wenn pfiffige Werbung ein „Image“ erzeugt, das nur unzureichend mit der Realität im Beruf übereinstimmt, geht das Ganze nach hinten los. Gewonnene Auszubildende entscheiden sich in diesem Fall schnell anderweitig und gerade die Interessierten und Motivierten ziehen weiter.

Zudem lässt die Wirksamkeit von Werbung umso mehr nach, desto häufiger entsprechende Maßnahmen von unterschiedlichen Anbietern eingesetzt werden. Aus dem Bereich der Konsumgüter stehen dazu genügend – durchaus heranziehbare – Erkenntnisse und Kennzahlen zur Verfügung. Es erfordert immer mehr Werbedruck und insofern auch höhere Budgets, um noch durchzudringen.

Natürlich gibt es die häufig zitierten Schulabgänger, denen es an Bildungsgrundlagen und verantwortungsvoller Haltung fehlt. Doch ist das die Mehrzahl? Wohl eher nein. Entsprechend dem Trend zu immer mehr jungen Leuten mit Abitur existiert eine große Zahl von Absolventen, die sich orientieren können und wollen. Die sich in einem beruflichen Umfeld engagiert einbringen und die Kenntnisse, die sie im Laufe des bisherigen Lebenswegs erworben haben, auch dazu nutzen wollen.

Weiter lernen und arbeiten auf Augenhöhe mit denen, die bereits etabliert sind und wiederum ihre Erfahrungen weitergeben – das wäre wohl der Idealzustand. Wenn in manchen Betrieben noch das Bild vom „Lehrling“ vorherrscht, der nichts weiß und für vieles herhalten soll, helfen auch keine Marketing-Bilder, die eine tolle Berufswelt zeigen.

Es ist erstaunlich, wie schnell Nachwuchskräfte sich in Teams integrieren und hochproduktiv mitarbeiten können, sofern der Wille und das Vertrauen seitens Führungskräften, Kolleginnen und Kollegen gegeben sind. Die Fähigkeit beispielsweise, vorhandene Abläufe unvoreingenommen zu betrachten und mit neuem Wissen anzureichern, kann man in den vielbeschworenen Zeiten des Wandels wohl kaum hoch genug einschätzen. Warum soll nicht ein Tandem aus erfahrener Kraft und Nachwuchs ein Projekt übernehmen? Manchmal scheitert das weniger an fachlichen Hürden, sondern an festgefahrenen Denk- und Abteilungsstrukturen.

Dabei steht fest: Wer früh Verantwortung übernimmt, integriert sich besser und baut mehr relevante Erfahrungen auf als jemand, der nur auf Weisung handeln darf. Das gilt übrigens unabhängig von Ausbildungsgrad und Branchenbereich. Und: In Zeiten weitreichender sozialer Netzwerke verbreitet es sich (fast) von selbst, wenn Unternehmen und Betriebe solche Ansätze praktizieren. Dies führt zu einem Arbeitgeber-Image, das tatsächlich tragfähig ist – weil es auf echter Zusammenarbeit, auf Wertschätzung und sozialer Kompetenz beruht, den Schlüsseln also, die im Wettbewerb um Nachwuchskräfte auf Dauer funktionieren. (Frank Beck)

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