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Pusten für die Stimme: Wer mit einem Strohhalm Plastikautos antreibt, trainiert die Sprechmuskulatur. (Foto: dpa)

01.09.2017

"Sport treiben hilft der Stimme"

Sprechcoach Imme Schönfeld über Sprachtraining, Tipps für Vielredner und warum wir unsere eigene Stimme oft nicht leiden können

BSZ: Frau Schönfeld, warum können wir unsere Stimme oft nicht leiden?
Imme Schönfeld: Das ist tatsächlich ein häufiges Phänomen. Es liegt daran, dass wir uns beim normalen Sprechen sowohl über unser Außenohr als auch über den inneren Knöchelgang hören. Wenn wir unsere Stimme auf Band aufnehmen, hören wir uns nur über das Außenohr – und das klingt für uns oft seltsam. Der innere Schall fällt dann weg.

BSZ: Wie schafft man es, sich mit seiner Stimme anzufreunden?

Schönfeld: Zunächst ist es wichtig, zu akzeptieren, dass meine Stimme nun einmal so klingt, und die anderen Menschen um mich herum ja auch damit leben und sich nicht daran stören. Es gibt neben der Stimme noch weitere Dinge, die anderen an uns auffallen, aber die wir selbst nicht wahrnehmen. Man spricht dabei auch vom „Blinden Fleck“ aus dem sogenannten Johari-Fenster. Ein Beispiel wäre: Wir sehen uns auf Video und plötzlich fällt uns auf, dass wir viele Gesten machen, die uns eigentlich nicht gefallen. Oft steckt hinter der Ablehnung eigener Verhaltensweisen auch eine soziale Angst, zum Beispiel wegen einer schrillen Stimme nicht anerkannt zu werden. Ist die Ablehnung sehr stark, sollte ich mich fragen: Warum empfinde ich mich selbst in diesem Punkt als so furchtbar? Wovor habe ich Angst? Wichtig ist dabei, mit einem liebenden Auge auf sich selbst zu schauen.

BSZ: Welche Möglichkeiten gibt es, die eigene Stimme zu trainieren?

Schönfeld: Das Wort Stimme kommt von Stimmung – da kann man niemandem etwas vormachen. Die Griechen haben auch gesagt: Der Sitz der Seele ist der Haupt-Atemmuskel, über den die Stimme entsteht. Die Stimme ist demnach immer auch ein Spiegel meiner Verfassung: Bin ich vital, körperlich fit und entspannt, klingt meine Stimme im besten Fall freundlich-bestimmt. Wenn man beschließt, die eigene Stimme zu verändern, lässt sich an vier Stellschrauben arbeiten: der Artikulation, der Betonung, dem Tempo und der Lautstärke. Bei der Artikulation geht es um die deutliche Aussprache. Man kann selbst im Spiegel beobachten, ob man beim Sprechen Ober- und Unterlippe bewegt. Viele Menschen verwenden die Oberlippe kaum, was das Gesagte undeutlich klingen lässt. Auch die Betonung kann man üben: Spricht jemand mit Engagement und Überzeugungskraft? Übertreibt er es mit der Betonung oder leiert die Sätze herunter? Um das Sprechtempo zu reduzieren, sind Pausen nützlich, damit das Gegenüber das Gesagte verarbeiten kann. Sie können aber auch ermüden, wenn jemand ohnehin sehr langsam spricht. Zu laute Sprecher wirken oft dominant, zu leise zu schüchtern.

BSZ: Gibt es noch weitere Möglichkeiten für das Stimmtraining?
Schönfeld: Es hilft, andere Menschen beim Sprechen zu beobachten und sich zu überlegen, was einem bei anderen gefällt und was man für sich selbst übernehmen möchte. Auch Feedback von vertrauten Personen kann nützlich sein, um die eigene Stimme besser einschätzen zu können. Grundsätzlich sollte man anfangs immer nur an einer der vier Stellgrößen arbeiten. Man kann sich für das nächste Telefonat vornehmen, besonders auf die Betonung zu achten. Oder sich beim nächsten Vortrag bemühen, laut genug zu sprechen. Ein Blasinstrument zu erlernen oder generell musikalisch zu sein, wirkt sich auch positiv auf die Stimme aus, weil man das Rhythmusgefühl verbessert und sich durch das Spielen eines Blasinstruments die Atemtechnik verändert.

BSZ: Gibt es Tipps für „Vielredner“?
Schönfeld: Eine gute „Stimmhygiene“ ist entscheidend: Dazu gehören ausreichend Bewegung genauso wie gesunde Ernährung. Am Abend zuvor sollte man auf übermäßigen Alkohol- und Zigarettenkonsum verzichten. Wer viel sprechen muss, kann mit Hilfe des ganzen Körpers seine Stimme unterstützen. Opernsänger beispielsweise betreiben körperlich betrachtet Hochleistungssport. Eine gewisse Spannung im Körper unterstützt die Stimme. Es ist aber wichtig, gleichzeitig elastisch zu bleiben und sich nicht zu verspannen. Herr zu Guttenberg hat das gut gemacht – er hat zwischendurch beim Reden oft mit den Füßen gewippt, um den Körper beweglich zu halten. Die richtige Atemtechnik hilft, die Körperspannung aufrecht zu erhalten. Entscheidend ist auch eine tiefe Zwerchfellatmung. Ein Ton entsteht beim Ausatmen, in dem die Luft von unten gegen die Stimmlippen strömt. So könnte man tagelang sprechen, ohne Kehlkopf und Stimmlippen zu überanstrengen. Ist aber die Atmung zu flach und bewegen sich dabei nur bis in Brust oder Schultern, wird das Sprechen schnell anstrengend. Wer beim Einatmen darauf achtet, dass sich der obere Bauch leicht mitbewegt, kann besser artikulieren und länger beschwerdefrei sprechen. (Interview: Katharine Linges)

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