Beruf & Karriere

Frauen zweifeln oft an an ihren Fähigkeiten – zu Unrecht. (Foto: dpa)

03.11.2017

Verhandeln ohne Vorurteile

Die Genderforscherin Brooke A. Gazdag vom Münchner Institut of Leadership and Organization hilft Frauen in Führungspositionen – und warnt vor dem „Queen-Bee“-Syndrom

Männer würden bei einer Beförderung nie zögern. Frauen hingegen trauen sich weniger zu und stellen ihre Fähigkeiten oft infrage. Organisationstheoretikerin Brooke A. Gazdag zeigt Frauen im Rahmen von Weiterbildungen, wie sie erfolgreich aufsteigen, verhandeln und führen. Die Seminare dienen auch dazu, dass sich Frauen besser gegenseitig unterstützen und vernetzen können.

Frauen in Führungspositionen sind in Deutschland immer noch nicht selbstverständlich. Dabei wären gerade sie ein wichtiges Vorbild für andere Frauen. Doch selbst wenn Studierende nach der perfekten Führungskraft gefragt werden, entscheiden sich 70 Prozent für einen Mann. „Stereotype sind auch in der Genderforschung noch immer weit verbreitet – selbst Frauen sind davor nicht gefeit“, erklärt Brooke A. Gazdag vom Institut of Leadership and Organization an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Das beobachte sie in ihren Trainings mit Studierenden immer wieder. Im Rahmen von Weiterbildungen will die Organisationstheoretikerin Frauen helfen, sich für Deutschlands Chefetagen in Position bringen.

Gazdag wurde in Minneapolis (USA) geboren. „Eigentlich wollte ich aber immer in Europa leben“, sagt die 31-Jährige und lacht. Also verließ sie 2006 die State University of New York in Buffalo, um ein Auslandsjahr in Spanien zu machen. Doch es sollte bis 2012 dauern, bis Gazdag nach ihrer Promotion einen Ruf nach Europa bekam. Sie sei vorher zwar noch nie in Deutschland oder in München gewesen, habe aber nur Gutes gehört, erinnert sie sich. „Außerdem konnte ich so noch eine neue Sprache lernen“, sagt die Amerikanerin mit dem sympathischen Akzent. Nachdem sie zwei Jahre lang als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität München an einem Forschungsprojekt „Auswahl und Beurteilung von Führungskräften in Wirtschaft und Wissenschaft“ gearbeitet hat, wechselte sie 2014 an die LMU.

Wenn Gazdag nicht zu Diversität, Resilienz oder Smalltalk in Verhandlung und Führung forscht, lehrt sie, wie Frauen erfolgreich die Karriereleiter erklimmen. Für das Thema Genderforschung begann sie sich zu Beginn ihrer Doktorarbeit im Jahr 2008 zu interessieren. Selber habe sie zwar keine schlechten Erfahrungen gemacht. „Ich habe aber immer wieder Unterschiede zwischen Männern und Frauen beobachtet“, konkretisiert sie. Die junge Frau verstand damals nicht, warum Frauen häufig an sich selbst zweifeln. Auf Stellenausschreibungen bewerben sich Frauen beispielsweise nur, wenn ihre Qualifikationen zu 100 Prozent den Anforderungen entsprechen. „Männern hingegen reichen 60 Prozent“, erklärt sie.

Auch verhandeln Frauen nicht so oft wie Männer. Das liegt laut Gazdag zum einen daran, weil Frauen fälschlicherweise im Vornherein an ihrer Durchsetzungsfähigkeit zweifeln. Zum anderen, weil der Gegenüber erwartet, dass Frauen beim Verhandeln viel Rücksicht auf ihr Umfeld nehmen. In ihren Bachelor-Seminaren lehrt Gazdag ihren Studierenden, wie sie mehr Erfolg haben. „Mit 20 Jahren haben die meisten jetzt bereits einen eigenen Verhandlungsstil entwickelt“, versichert sie nicht ohne Stolz. Dadurch sähen sie zum Beispiel Gehaltsverhandlungen mehr als Gespräch als als Wettbewerb. Strategien zur Optimierung weiblicher Verhandlungsmuster zeigt Gazdag im Rahmen der Weiterbildungen auf.

Frauen zweifeln bei Gehaltsgesprächen an ihrer Durchsetzungsfähigkeit

Bei Workshops zum Thema Diversität, Führung und Verhandlung, bei denen zu Gazdags Bedauern meist nur Frauen teilnehmen, berichtet sie zuerst über die neuesten Forschungsergebnisse: „Dann wissen die Zuhörer, dass das nicht nur meine eigenen Erfahrungen sind“, sagt sie und lacht. Die offene Diskussion zwischen Universität und Praxis sei ihr sehr wichtig. Anschließend versucht die Organisationstheoretikerin eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Erfahrungen austauschen können. „Die gegenseitige Unterstützung von Frauen, die gleiches erleben, ist enorm wichtig“, verdeutlicht Gazdag. Sie nennt das „ein Netzwerk außerhalb des Labors und eigenen Unternehmens“. Durch den Workshop könnten die eigenen Erfahrungen reflektiert werden, was im Alltag praktisch so gut wie nie geschehe.

Frauen, die schon in Führungspositionen sitzen, denken häufig: Das habe ich allein geschafft. „Dieses Denken hat Auswirkungen, wie sie ihre weiblichen Mitarbeiter unterstützen“, weiß Gazdag. Das heißt: Statt ihnen zu helfen, sollen es andere Frauen auch ohne fremde Hilfe schaffen – das sogenannte „Queen-Bee“-Syndrom. Das sei auch ein Grund, warum an Hochschulen nur 17 Prozent der Lehrstühle in Bayern mit einer Professorin besetzt sind – obwohl fast die Hälfte aller Promovierenden weiblich ist. „Wenn Wissenschaftlerinnen aus der Elternzeit zurückkommen, werden sie mit einer Teilzeitstelle anders wahrgenommen als mit einer Vollzeitstelle“, ergänzt Gazdag. „Dabei arbeiten sie fast so viel, als wenn sie eine Vollzeitstelle hätten.“

Gazdag wünscht sich daher mehr Aufmerksamkeit von Männern und Frauen in Hochschulen und Unternehmen. Wenn auch Männer eine längere Elternzeit und mehr Teilzeit nehmen würden, wären diese Modelle von der Gesellschaft mehr akzeptiert, glaubt die 31-Jährige. Auch eine Offenlegung der Gehälter hält sie für eine gute Idee. „Wenn Frauen die Unterschiede zwischen dem eigenen Gehalt und dem von Männern sehen, setzen sie sich mehr für sich ein“, erläutert die Professorin. Eine Frauenquote hingegen hält sie zwar grundsätzlich für eine gute Sache: „Bis ich nach Deutschland gezogen war, hatte ich noch nie von so einer Politik gehört.“ Allerdings werde eine Quote von vielen als unfair wahrgenommen.

Das Problem muss laut Gazdag stattdessen an der Wurzel gepackt werden. Und das gelingt ihrer Meinung nach am besten mit Weiterbildung. „Je früher man sich Gedanken darüber macht, wie man Karriere macht oder eine gute Führungskraft wird, desto besser“, ist sie überzeugt. Ihr Ziel ist es, dass die Vorurteile aufgrund des Geschlechts von Generation zu Generation weniger werden. Beginnen sollten wir in Gazdags Augen damit jetzt. „Wenn sich in Zukunft nichts ändert, wäre das eine ‚missed chance’“ – eine verpasste Gelegenheit. (David Lohmann)

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