Bayern forscht

Eine normale und eine Wärmebildkamera überwachen den Bienenstock rund um die Uhr, im Bienenstock selbst sind weitere Kameras installiert. (Foto: Christ)

31.12.2010

Die Bienen gehen online

Lernprojekt: Würzburger Wissenschaftler übertragen Informationen aus einem Stock direkt ins Klassenzimmer

Der Bienenstock auf dem Balkon der Würzburger Bienenstation ist mit 13 Sensoren gespickt. Gemessen wird zum Beispiel der Gehalt an Kohlendioxid, die Feuchtigkeit und die Temperatur an verschiedenen Stellen im Stock. Die Daten der Sensoren können im Klassenzimmer via Computer als Diagramm dargestellt, überlagert und miteinander verglichen werden. „HOBOS – HoneyBee Online Studies“ nennt sich das Projekt des Verhaltensbiologen Professor Jürgen Tautz, bei dem die Honigbiene auf High-tech trifft.
HOBOS ist für Schüler gedacht, findet jedoch Resonanz weit über die Kreise der Pennäler hinaus. „Einmal hatten wir 90 000 Datenzugriffe. Da wäre unser Server fast abgestürzt“, erzählt Tautz, der die Lernplattform 2009 startete und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt.
Begeisternd für alle, die HOBOS entdecken, ist zunächst die unmittelbare Nähe zur Biene. Der Lautsprecher spült das Gesumm aus dem Bienenstock direkt ins Wohnzimmer. Eine Kamera sendet Bilder vom Eingang der Bienenbehausung, eine WärmebildWebcam zeigt, welche Temperatur jene Bienen haben, die, mit gefüllten Pollensäckchen, einfliegen, und welche, die gerade ausflugfertig sind.


3000 Tiere bekamen Chip


Doch sich von den Webcam-Filmen faszinieren zu lassen, ist das eine; Forschung zu betreiben mit dem, was Kamera und Sensoren an Daten zur Verfügung stellen, das andere. „Es lassen sich endlos Fragen stellen“, sagt Tautz. Genau darum geht es bei HOBOS. Schüler sollen lernen, sich fragend Naturphänomenen zu nähern. Zum Beispiel: Wann sind Bienen wärmer – wenn sie ausfliegen oder heimkehren?
Gehen Schüler dieser Frage nach, stellen sie fest: Es kommt ganz aufs Wetter an. Scheint die Sonne, ist die Körpertemperatur der Heimkehrer höher als die der Ausflügler: „Doch eine einzige Wolke kann den Unterschied machen.“ Besonders spannend ist es, einzelne Bienen über einen längeren Zeitraum hinweg zu beobachten. 2009 war dies mittels RFID-Chips möglich: 3000 Bienen bekamen einen Chip verpasst. Heuer setzten die Forscher der „Bee Group“ mangels Geld damit aus, nächstes Jahr soll es wieder möglich werden, Bienen zu individualisieren. Geplant ist weiter, einen gläsernen Bienenstock sowie eine Zeitraffer-Kamera ins Netz zu stellen. Durch Letztere werden sich Bilder eines 24-Stunden-Tages gerafft auf eine Stunde über die HOBOS-Homepage abrufen lassen.
Mit der Abkürzung HOBOS, verrät Tautz, habe es eine doppelte Bewandtnis. Zum einen stehen die Buchstaben für die eingangs erwähnten „Online-Studies“. Angespielt ist aber auch auf den Begriff „Hobo“, mit dem nordamerikanische Wanderarbeiter bezeichnet werden, die mit Güterzügen durchs Land „hoppen“. Hobos strahlen Freiheit aus – und leben gefährlich. Beides gilt auch für die Honigbiene. Wie Tautz in einem Ausstellungsprojekt zum Thema „Eisener Vorhang“ einmal zeigte, halten sich Bienen an keine Grenzen. Sie flogen auch zu Zeiten der Ost-West-Teilung dorthin, wo sich guter Nektar sammeln ließ.


Gefährdete Spezies


So frei die Bienen sind, so gefährdet sind sie gleichzeitig. Kleinste Eingriffe in das Ökosystem können einem Volk den Garaus machen. Mit HOBOS lässt sich nachvollziehen, auf wie komplexe Weise das Ökosystem zusammenhängt. Einer der zahlreichen Sensoren, die sich im Garten rund um die Bienenstation befinden, misst den Wasserbedarf von Tomatenpflanzen. Dies geschieht dadurch, dass die Spaltöffnungen der Pflanzenblätter registriert werden. Forschende Schüler können sich nun die Frage stellen, wie sich Bienen in Bezug auf den Wasserbedarf der Tomaten verhalten. Was tun sie an jenen Tagen, an denen die Sensoren großen Durst der Pflanzen melden? Was zu jenen Phasen, wenn keine künstliche Bewässerung nötig ist?
Seit dem Wintersemester werden nicht nur Schüler, sondern auch die 2000 Würzburger Biologie-Studenten mit HOBOS arbeiten. Womit die Hochschule in den Naturwissenschaften eine clevere Möglichkeit entdeckt hat, auf den doppelten Abiturientenjahrgang zu reagieren, denn HOBOS kommt ohne Hörsaal aus. Ein Laptop genügt, um sich Wissen rund um die Honigbiene anzueignen und für die HOBOS-Prüfung zu lernen. Noch ist die Online-Plattform kostenlos. Doch das wird nicht lange so bleiben. Denn rund 50 000 Euro kostet das Projekt im Jahr. Die Suche nach Sponsoren aus der Wirtschaft war bisher nicht von Erfolg gekrönt. Wird dies auch künftig nicht gelingen, müsse er versuchen, so Tautz, über Lizenzen an Geld zu kommen. (Pat Christ)

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