Freizeit und Reise

Die Telemark-Technik entpuppt sich als wahre Herausforderung. (Foto: Neiheisser)

15.03.2018

Das Allgäu übt den Kniefall

Die Telemark-Technik entpuppt sich als wahre Herausforderung: Ein Selbstversuch

Telemarken ist die Technik für Skifahrer, die den Kniefall am Berg lieben. Obwohl sie bereits 1888 im norwegischen Telemark kreiert wurde, bleibt sie ein Nieschensport. Warum nur? Der Telemark-Weltcup gastierte dieses Jahr wieder in Oberjoch und die 22-jährige Johanna Holzmann aus Oberstdorf erzielte jubelnd im Parallelslalom den Heimsieg. Elegant und galant zischte sie um die Slalomstangen, dabei wechselte sie vor jedem Tor rasant das tief liegende Knie, das beinahe die Piste berührte. Aber eben nur beinahe, und darin liegt die Kunst, denn Telemarken heißt Skifahren mit loser Ferse. Wer nicht aufpasst, kippt im Nu vorne über. Beim Zuschauen am Pistenrand ist meine Lust auf einen Selbstversuch gewachsen. Doch jetzt fühle ich mich sehr wackelig auf meinen Skiern, wenn das vordere Bein im rechten Winkel abgeknickt ist und das hintere im tiefen Ausfallschritt nach hinten zieht. Mein Körperschwerpunkt liegt wesentlich tiefer als bei der gewöhnlichen alpinen Abfahrt und meine Beine zittern wie Wackelpudding. Telemark-Skilehrer Philip von der Skischule Ostrachtal in Oberjoch korrigiert mich: „Monika, nimm die Beine enger zusammen, sonst verdrehst du die Knie und geh tiefer in den Ausfallschritt, das stabilisiert“. Noch tiefer? Ich gebe doch schon was ich kann. Was so spielerisch ästhetisch am Berg aussieht, entpuppt sich als wahre Herausforderung. Und obendrein ein gewaltiger Test fürs Ego. An das Gefühl als erfahrene Skifahrerin plötzlich wieder Anfängerin zu sein, muss ich mich erst gewöhnen, und versuche brav meinem Skilehrer mit „Fensterrahmen- und Tablett–Übungen“ auf blauer Piste mit vorsichtigen Kurvenfahrten zu folgen. Doch diese arten zur Prüfung der Koordination und dem Gleichgewicht aus. Philipp, der selbst die erste Saison im norwegischen Skistil unterwegs ist, ermutigt mich: “Normalerweise beherrscht man nach 4-5 Übungstagen die freiheitliche Skitechnik ganz gut“. Einzig die Fußspitze ist, ähnlich wie beim Langlauf, mit dem Ski verbunden. Die Ferse hat freies Spiel und gibt so dem Skifahrer mehr Bewegungsfreiheit und jeder Sportler kann seinen individuellen Stil entwickeln. Doch den muss man erst finden. Wir beginnen ganz harmlos mit einer Abfahrt im Alpinstil, jedoch bereits da ist Vorsicht geboten: Ja nicht in die gewohnte Vorlage gehen, sonst landen wir gleich auf den Knien. Nach ersten Einführungsübungen, bei der wir ein Gefühl für die fersenlose Bindung bekommen, queren wir die Piste im tiefen Ausfallschritt. Immer wieder bis die Oberschenkel wie loderndes Kaminfeuer brennen. Ich bin mit Stolz erfüllt. Die erste Abfahrt ist geglückt, ohne Sturz, allerdings mit Kurven im Alpinstil. Das soll sich gleich ändern. Anfangs beginnen wir den Richtungswechsel im herkömmlichen Stil und wechseln erst am Kurvenende zum Telemarken. Jetzt heißt es, Innenbein tief abknicken und mit dem kleinen Zeh eine imaginäre Zigarette im Schuh ausdrücken, eigentlich bin ich Nichtraucherin, um ordentlich zu kanten. Und zwischendurch üben wir in der Querfahrt den explosiven Wechsel, bei dem wir mit möglichst wenig Oberkörperbewegung, mal das linke, dann das rechts Bein nach vorne ziehen. So, dass der Talski immer vorne fährt. Das gleicht schon Gehirnjogging: raus aus alten Bewegungsmustern, rein in neue. Nach der Mittagspause, in der wir kaum noch die Toilettenstufen hinab gehen können, zeigt uns Philipp die komplette Telemark-Kurve. Doch die gelingt mir erst am Ende des Tages und ich getraue mich sogar auf die rote Abfahrt neben dem Iseler-Lift den Berg hinab. Ein Wechsel in den Alpinstil ist ja jederzeit möglich, wenn es zu schwierig oder anstrengend wird. Doch bis mein Fahrstil diesen harmonischen Rhythmus mit der einzigartigen Eleganz, die die Telemarker auszeichnet, erreicht, muss ich noch viele Tage im Kniefall den Berg hinab. Doch jetzt weiß ich, warum dieser Sport ein Nieschendasein fristet. Nächste Gelegenheit zum Üben und Kennenlernen des Kniefalls am Berg ist das Telemark-Fest im Kleinwalsertal, das vom 14. bis 18. März stattfindet. Der jährliche Treffpunkt der Szene, bei dem an die 400 Telemarker die Pisten besiedeln. Hier kann jede Menge Material getestet werden und Neugierige können ihre ersten Abfahrten mit freier Ferse unter professioneller Anleitung wagen, während Fortgeschrittene an ihrem Fahrstil feilen. Man muss ja nicht gleich Johanna Holzmann Konkurrenz machen wollen. (Monika Neiheisser)

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