Freizeit und Reise

Die Marina Weiße Wiek in Boltenhagen. (Foto: Ostseebad Boltenhagen)

10.05.2017

Fischen, Golf und Buddelfische

Das Ostseebad Boltenhagen hat mehr zu bieten als nur Strand und Steilküste

Heute ist die Ostsee, im Gegensatz zu den vorhergegangenen Tagen, ruhig und die Wasseroberfläche beinahe glatt. Ideal für Landratten, um mit Uwe Dunkelmann raus zum Fischen zu fahren und nicht selbst die Fische zu füttern. Sein Kutter Uschi liegt im Fischereihafen Boltenhagen auf der Halbinsel Tarnewitz. Der Fischer hat bereits am Vortag die Netze ausgebracht. Dunkelmann ist einer der wenigen verbliebenen Berufsfischer in Boltenhagen. Gemächlich tuckern wir aus dem geschützten Hafen, bevor Dunkelmann dann auf offener See, dem Wohlenberger Wiek, die Fahrt etwas beschleunigt. Nach einiger Zeit benötigt uns der Fischer dann als Ballast. Um nicht auf dem Riff, über das wir gerade schippern, aufzusitzen, sollen in den vorderen Teil des Kutters gehen, zumal auch das Wasser nicht allzu hoch über der Untiefe steht. Bei gedrosselter Fahrt lässt „Uschi“ das Riff unter sich ohne Probleme hinter sich. Die ersten Markierungen für Dunkelmanns Netze kommen in Sicht. Zusammen mit seinem Helfer Heiko beginnt er ein Netz nach dem anderen einzuholen. Dabei müssen er und Heiko jeden Fisch und jedes Krustentier per Hand aus dem Netz „befreien“. Eine, in unseren Augen, mühselige Arbeit. Nach rund zwei Stunden sind die Netze zusammen mit dem Fang an Bord beziehungsweise einige Netze bereits wieder ausgelegt. Das Fangergebnis ist nicht überwältigend, aber auch nicht so schlecht. Die meistgefangenen Fische sind der Dorsch sowie Flunder, Scholle und Steinbutt. Hinzu kommen noch einige Seehasen sowie Krustentiere. Die Dorsche und Plattfische werden von Heiko bereits an Bord ausgenommen und die Innereien ins Meer geworfen – ein Festschmaus für die Möwen, die die „Uschi“ dabei quasi belagern. Nach rund drei interessanten und informativen Stunden sind wir wieder zurück im Hafen. Besonders beeindruckt waren wir von den Seehasen, die wir bis dahin überhaupt nicht kannten. Uwe Dunkelmann betreibt seit 2008 im Fischereihafen den neben der Weißen Wiek gelegenen Fischereihof Kamerun, zu dem ein Restaurant und ein Hofladen mit Räucherei gehören. Ein kleiner Tipp am Rande: Dunkelmanns Fischrestaurant Kamerun lässt die kulinarischen Fischherzen höher schlagen.
Hervorragend Essen kann man auch in der „Kleinen Büdnerei“. Früher war ein Büdner der Besitzer eines kleinen ländlichen Anwesens, einer Bude. Heute werden in der Kleinen Büdnerei modern interpretierte Klassiker der Mecklenburgischen und deutschen Küche aufgetischt wie zum Beispiel Mecklenburger Rippenbraten oder Variationen vom Matjes. Das Ostseebad Boltenhagen zwischen den Hansestädten Lübeck und Wismar an der mecklenburgischen Ostsee gelegen, begeistert Familien, Paare und Alleinreisende das ganze Jahr. Der Kurort besticht mit seinem feinsandigen, fünf Kilometer langen und bis zu 50 Meter breiten Strand, einer imposanten Steilküste, einer 290 Meter in die Ostsee ragenden Seebrücke und dem Küstenwald, der das Örtchen in ein grünes Band einbettet. An zwei Promenaden reihen sich klassische Villen und Pensionen in restaurierter Bäderarchitektur aneinander. Dazwischen laden kleine Cafés, Restaurants und der Kurpark mit Konzertpavillon zum Verweilen und Entspannen ein. Der üppige Mischwald, der 1861 zwischen Ort und Strand angepflanzt wurde, hält auf einer Länge von zweieinhalb Kilometern im Sommer viele schattige Plätze bereit. Außerdem darf in Boltenhagen kein Haus die Baumkronen überragen. Wer sportlich aktiv werden möchte, radelt in das Umland mit den Naturschutzgebieten Tarnewitzer Huk und Klützer Winkel, über Felder entlang der Redewischer Steilküste zu alten Kirchen und Gutshäusern. Nordic-Cross-Skaten, Reiten, Schnuppertauchen in der Ostsee, Klettern im Kletterpark mit Ostseeblick und SwinGolf sind weitere Freizeitgestaltungen für Groß und Klein. Hafenflair erleben Gäste in der Weißen Wiek mit einer modernen Fünf-Sterne-Marina, einer Werft sowie den beiden Hotels Iberotel Boltenhagen und das familienfreundliche Dorfhotel Boltenhagen. Gleich nebenan befindet sich der Fischereihafen mit den Kuttern und kleinen, roten Holzhütten der Boltenhagener Fischer. Hier lässt sich fangfrischer Fisch genießen. Boltenhagens Aufstieg zum Ostseebad begann 1803 mit einem hölzernen Badekarren. Hans Caspar Julius Victor Graf von Bothmer (1764 bis 1814) aus dem benachbarten Klütz hatte die Umkleidekabine auf Rädern am Redewischer Strand aufstellen lassen. Sie sollte die Damen vor neugierigen Blicken beim Umkleiden schützen. War Boltenhagen damals noch ein charmantes, kleines Fischerdörfchen, erlebte der Ort um 1850 den ersten Urlauber-Ansturm. Denn seehungrige Städter quartierten sich jetzt bei den Bauern und Fischern ein. In der Nacht vom 12. auf den 13. November 1872 kam eine große Sturmflut. Pensionen und Bauernhöfe wurden zerstört, Existenzen vernichtet. Wie durch ein Wunder gab es aber keine Toten zu beklagen. Rasch wurden die Häuser wieder aufgebaut und das kleine Fischerdorf mauserte sich zu einem beliebten Badeort. 1911 wurde eine erste 300 Meter lange Seebrücke gebaut, die jedoch im Frühjahr 1943 durch Eismassen zerstört wurde. Notdürftig repariert diente sie bis 1961 als Anlegestelle für kleine Schiffe und Boote. Erst nach der Wende wurde die neue 290 Meter lange Seebrücke gebaut.

Halbinsel Tarnewitz

Während des Dritten Reichs erhielt Boltenhagen die künstlich angelegte Halbinsel Tarnewitz. Der Grund dafür war, dass hier die geheime Erprobungsstelle der Luftwaffe entstehen sollte. 1935 begannen die Bauarbeiten und auf dem weitläufigen Gelände entstanden Labors, Schießplätze, Flugzeughangars sowie eine Start- und Landebahn. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden viele Anlagen von den Sowjets gesprengt. In den 1950er Jahren bezog die DDR-Seepolizei dort Quartier. 1963 folgte die „Grenzbrigade Küste“.
Heute erinnert auf Tarnewitz nichts mehr an den einstigen Flugplatz. Zwei Drittel der Halbinsel sind zum Naturschutzgebiet erklärt worden. Das restliche Drittel beherbergt heute die „Weiße Wiek“ mit Hotels und Hafen. Die Steilküste westlich von Boltenhagens Zentrum besticht mit einer Höhe von bis zu 35 Metern und ist ein Produkt der Eiszeit. Sie ist nach Rügens Kreidefelsen die zweithöchste Steilküste der deutschen Ostseeküste. Während im Norden der Ostsee die Küsten felsiger und vorwiegend von Granit geprägt sind, wurden durch die Bewegungen in der Eiszeit im Süden und Westen eher Blauton, Lehm, Kreide, Geschiebemergel und Findlinge abgelagert. Das Ergebnis ist eine imposante Landschaft. Allerdings ist die Zusammensetzung der Steilküste aber auch ihr Problem, denn jedes Jahr brechen mehr oder weniger große Teile des Naturbauwerks ab. Ein Strandspaziergang zur Steilküste lohnt sich auf alle Fälle. Neben interessanten Steinen und Muscheln kann man auch „Donnerkeile“ und mit viel Glück auch Bernstein finden. „Donnerkeile“ sind die fossilen Schalen (Rostrum, der hintere Teil des Skeletts) von Belemniten, den urzeitlichen Tintenfischen. Nach Gewittern werden viele dieser Rostren, wenn sie in weichen Sedimenten liegen, freigespült. Der Aberglaube ließ die Leute annehmen, dass der Donnergott sie auf die Erde schleudere. Der „Donnerkeil“ wurde als Schutz vor Blitzschlag unter die Dächer gelegt. Bei sich getragen sollte er den Träger vor dem Hexenschuss bewahren.
Wer sich immer schon für Buddelschiffe interessiert hat, sollte in Boltenhagen auf alle Fälle einen Abstecher in das größte private Buddelschiffmuseum machen. Bei Jürgen Kubatz, Museumsbesitzer und leidenschaftlicher Modellbauer, liegt eine einmalige Flotte vor Anker. Rund 250 Buddelschiffe in Flaschen aus den verschiedensten Schifffahrtsepochen gibt es hier zu sehen, darüber hinaus Strandgut und zahlreiche nautische Geräte. Nach Anmeldung können Kinder unter Kubatz’ Anleitung ihr eigenes Buddelschiff bauen. Wer weiß schon, dass in Boltenhagen die kleinste Buchhandlung Deutschlands zu finden ist? Auf dem Weg zur Seebrücke kommt man direkt daran vorbei. „Buch im Kurpark“ vereint unter dem Dach des Konzertpavillons Kunst und Literatur vom Feinsten – und das auf wenigen Quadratmetern. Hier kann man bei einer guten Tasse Kaffee ganz in Ruhe stöbern und manches Überraschende entdecken. Bücher über Boltenhagen und den Klützer Winkel sind besonders gefragt, vor allem Titel aus dem ortsansässigen Boltenhagen Verlag, der diese Buchhandlung seit einigen Jahren mit großer Sachkunde betreibt. Biken auf den Spuren der DDR bietet Volker Jakobs Gästen an. Boltenhagen war der westlichste Strand der DDR. Nicht nur eine beliebte Urlaubsregion, sondern auch ein Hoffnungsschimmer für Republikflüchtige, die von hier aus die Freiheit suchten. Nicht allgemein bekannt ist, dass sich die Einsperrung der DDR-Bevölkerung nicht nur auf die innerdeutsche Grenze erstreckte, sondern, dass auch die gesamte Ostseeküste bewacht wurde, um Fluchtversuche zu verhindern. Der Strandabschnitt zwischen Travemünde und Steinbeck – westlich von Boltenhagen – wurde ähnlich scharf abgeriegelt wie die eigentliche Grenze. Kindertauglich lässt Regionalhistoriker Jakobs eine Zeit wieder aufleben, in der das Paddeln auf Luftmatratzen verboten war und sich verliebte Paare nachts heimlich an den Strand schlichen. Ständige Überwachung durch die Grenzbrigade Küste, die Volkspolizei und die Spitzel der Stasi gehörten zum Alltag. Obwohl von den Sperranlagen und sonstigen Einrichtungen des DDR-Grenzsystems nicht mehr viel zu sehen ist, kann man doch noch einiges entdecken, wenn man die Hintergründe kennt.

Golfen ohne Platzreife

Für geübte Genussradler empfiehlt die Kurverwaltung die etwa 60 Kilometer lange Schlössertour. Sie führt durch Wiesen und Felder vorbei an weißen Stränden zu fünf Schlössern und Gutshäusern. So kann bei der Tagestour ein Blick hinter die Mauern von Schloss Bothmer in Klütz, der größten barocken Schlossanlage Norddeutschlands, dem als Hotel genutzten Gutshaus Stellshagen, dem Herrenhaus von 1853 in Kalkhorst, dem als Hotel genutzten ehemaligen Gutshaus im klassizistischen Stil Schlossgut Groß Schwansee und Gut Brook geworfen werden. Neben schwimmen, radeln, surfen und vielem anderen mehr, kann man in Boltenhagen Redewisch auch SwinGolf spielen. SwinGolf ist das Golfspiel für die ganze Familie. Es ist dem klassischen Golf angelehnt, aber viel einfacher zu spielen. Ohne Platzreife geht es los. Der Ball ist aus weichem Gummi, größer als der klassische Golfball und daher auch ungefährlicher. Man spielt mit einem Universalschläger, der drei unterschiedlich abgeschrägte Schlagflächen für vielfältige Schlagvarianten hat. Gespielt wird, wie beim klassischen Golf, auf 18 Löcher, alles aber viel entspannter und mit sehr viel Spaß und Freude.
In Boltenhagen gibt es etwas mehr als 10 000 Gästebetten (Stand: 2016) und die Zahl der Übernachtungen bei über 1,56 Millionen. Unter den Übernachtungsbetrieben sticht vor allem das Iberotel auf der Weißen Wiek hervor. Das 4-Sterne-Superior-Haus, das direkt am Wasser liegt, punktet insbesondere damit, dass der Gast aus jedem Zimmer und jeder Suite einen traumhaften Blick auf die Ostsee und den Yachthafen hat. Das Ambiente ist stilvoll, egal ob in den Zimmern oder den öffentlichen Bereichen. Hervorzuheben ist darüber hinaus auch die ausgezeichnete Küche, sei es das abwechslungsreiche Frühstücksbuffet, das fast keine Wünsche offen lässt, oder das À-la-carte-Angebot. Hier wird der Gaumen aufs Trefflichste verwöhnt. (Friedrich H. Hettler) (Die Steilküste bei Boltenhagen. Der Kutter "Uschi" von Fischer Uwe Dunkelmann im Fischereihafen Boltenhagen. Ein Seehase und ein Steinbutt. Gefangene Dorsche von Uwe Dunkelmann. Ein Großteil der Fische wird bereits an Bord ausgenommen. Beim SwinGolf und im Buddelmuseum von Jürgen Kubatz - Fotos: Friedrich H. Hettler)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.